Sander

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Thea

Beitragvon Thea » 06.04.2007, 21:08

1. geänderte Fassung: 2. geänderte Fassung

Sander

Guten Tag, Arbeitsvermittlung Wiesbaden. Zur Zeit können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Melden Sie sich bitte noch einmal oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Ton. Bitte sprechen Sie jetzt.

Tag, ich bins, Sander, der Arbeitssuchende, na, fällts wieder ein? Sie haben sich nicht gemeldet. Muss ich den alles selbst erledigen? Haben Sie schon mal Stellenanzeigen gelesen? Die Zeitungen bringen nur noch Anzeigen, da tränen meine Augen, bis ich das durchhab, da kann ich weiß Gott wie viel rauchen. Also nicht, dass Sie jetzt denken, wenn wir den nehmen würden, dann schnorrt der sich Kippen, macht zu viel Zigarettenpausen und stinken tut der auch noch. Nein, so bin ich nicht, hören Sie? Oder sind Sie auch Raucher? Na, dann wissen Sie ja, wie verdammt teuer das heute ist und das Geld wird immer dringender. Na also, sehn Sie, ich arme Sau, ich brauch wirklich Geld. Jetzt werde ich mich ablenken müssen, mein Blutdruck steigt wieder und der Onkel Doktor will für meine Besuche bezahlt werden. Rufen sie zurück!

Guten Tag, Arbeitsvermittlung Wiesbaden. Zur Zeit können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Melden Sie sich bitte noch einmal oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Ton. Bitte sprechen Sie jetzt.

Hier Sander. Was soll das, ich muss ständig mit so nem Gerät reden, bald kriegt es einen Namen, Edgar, wie wärs damit? Arbeitssuche ist zääääh, wann finden Sie denn was für mich? Arbeiten Sie überhaupt? Ach ja, das hatten wir schon, Sie machen zu viele Zigarettenpausen, stimmts? Klar, dann braucht das alles mehr Zeit. Also nicht, dass Sie jetzt denken, ich wär nicht überrascht, wenn Sie erst in zwei Jahren anrufen. Ich will Sie ja nicht anmachen, is ja bestimmt anstrengend, Ihre Arbeit, und wenn Sie weit vom Raucherzimmer hocken, Sie Ärmster, müssen ständig hin und her laufen. Und Sie brauchen bestimmt auch das Geld, alle brauchen es, haben ne Frau mit Kindern oder ne schicke Freundin, die ausgeführt werden will, oder Sie haben beides, aber ich mach Ihnen keinen Vorwurf. Vielleicht geht Edgar ans Telefon, weil Sie so eifrig einen Job für mich suchen und ich bin einfach zu ungeduldig. Gut, ich bin bestimmt zu ungeduldig, ich werde einfach warten, noch ein wenig warten, dann melde ich mich wieder.

Guten Tag, Sie sind bei Home Company, dem Portal für Wohnen auf Zeit. Hinterlassen Sie uns Ihre Nachricht und Rufnummer bei Anfragen.
Bitte sprechen Sie jetzt.

Schönen Tag, hier spricht Sander. Ich suche was zum Wohnen in Wiesbaden. Ich brauche auch eine Umzugshilfe, habe alte Möbelstücke, wissen Sie, alt und nicht wertvoll, aber sperrig. Familienhinterlass, was sonst. Also, ich brauche schon einen großen Laster und jemanden, der mir hilft mit denen, vorsichtig, die haben ihre Geschichte, erzählen sie mir manchmal, manchmal schreien sies mir auch nach. Hab mir schon überlegt, ob ich nicht alles verkaufen soll, aber ich kann ihr das nicht antun. Irgendwann will sie vorbeikommen und die restlichen Sachen holen. Sie hat noch diesen Wandschrank hier stehen, der von der Oma mütterlichseits vererbt. Hin und wieder, wenn mir warm ist, würd ich ihn schon gerne eintreten, die Schubladen rausziehen, durchtreten, das alte Holz brechen hören. Aber dann seh ich sie, wie sie vor ihm steht, die Unterwäsche einräumt. Der ist sperrig, der Schrank, richtig breit ist er, stämmig, stilvoll, so einen wollt sie immer haben, so einen hat sie gekriegt; breite Schultern, kurzes Haar und is auch noch in einer Kanzlei und bietet jedem so ganz würzige Zigarren zum Paffen an. Ich sag Ihnen, ich freu mich auf das Apartment.

Guten Tag, Sie sind bei Home Company, dem Portal für Wohnen auf Zeit. Hinterlassen Sie uns Ihre Nachricht und Rufnummer bei Anfragen.
Bitte sprechen Sie jetzt.

Hey Homie! Sie haben ja sicher einen Grund, nicht dran zu gehen. Ich wills auch gar nicht wissen. Aber wie lange soll ich denn noch auf den Umzug warten? Ich hab keine Arbeit, und beneiden Sie mich bloß nicht, ich sitz nur im alten Haus und warte auf den Anruf von Home Company, herzlichen Glückwunsch, das Portal lässt Sie durch, jetzt fängt das neue Zeitalter an, Sie habens geschafft. Brauch jetzt frische Luft, gehe hinaus, drinnen ist alles verstaubt, ich krieg schon Asthma. Also, vorher war ich schon mal draußen und mir ist eingefallen, dass Sie ja genau dann anrufen könnten, wenn ich weg bin, also rufe ich Sie diesmal an, um Sie zu warnen; ich bin bald nicht da. Vorhin, da bin ich durch die Altstadt gelatscht, dort war ein Karussell und ein kleiner Stand, an dem hab ich ne Cola getrunken, verflucht teuer und dann krieg ich noch Schluckauf, aber eigentlich hat das Karussell angezogen. War so eins, in dem Menschen festgekettet sind und in engen Sitzen durch die Luft geschleudert werden und alles quietscht. Mir war, als hätte mich mein Leben gegrüßt, genauso schnell wie dieses Karussell dreht es sich auch bei mir und ich sehe trotzdem immer dieselbe Landschaft vorbeiziehen, immer das gleiche, als will mich das Leben verarschen. Ich bin dann damit gefahren, wollte mal analysieren, vielleicht entdeck ich ja den Fehler, wieso das Ding sich nur im Kreis dreht. Und dann bin ich geflogen, immer schneller, schneller und die Angst war dabei und mein Blick war diagonal und manchmal ganz weg, weil ich die Augen zugepresst habe, aber immerhin bin ich geflogen, über die Masse hinweg, die hat vielleicht hoch zu mir gesehen und sich geduckt. Danach musste ich mich übergeben. So Dinger muss man verbieten, das schadet nur, die arme Jugend, mit so was wird sie also verdorben. Jetzt muss ich weg, brauche frische Luft, meine Beine, sie zittern. Rufen Sie an, Sander, die Wohnung, dringend.

Guten Tag. Sie sind bei der Beratungsstelle Suchtkranker. Leider rufen Sie außerhalb der Dienstzeiten an. Wir bitten Sie, Ihren Anruf zu wiederholen oder eine Nachricht zu hinterlassen. Bitte sprechen Sie jetzt.

Abend. Sie sind wieder nicht da. Wie wollen Sie denn helfen, soll ich diesen Automaten vollheulen und Sie helfen den Polizisten, morgen die Leiche zu identifizieren? Ist das Ihr Job? Na schön, dann fang ich mal an: Ich sitze wieder an meinem Tisch, an dem in der Bar. Ja, schon gut, ich weiß, ich sollt nicht herkommen, aber mich hat ja auch keiner dran gehindert! Gleich wird mir ein Cocktail hingestellt. Der leuchtet mir entgegen, da schillert das ganze Leben, gibt sich einen verführerischen Namen, lockt, will aber nicht haben. Den kann man nur hinunterschlucken, so schnell es geht. Ja, Sie wissen doch, wies dann abläuft, man trinkt weiter, weil die Wahrheit nicht schmeckt, weil einem süßen Geschmack so leicht zu glauben ist, weil es dann erlaubt ist, daneben zu pinkeln, weil man erwachsen ist und den alten Weisen spielen kann, der aus einer Ecke heraus die Jugend beobachtet und dabei den Kopf schüttelt. Ja, die heutige Jugend, wenn die wüsste, was das Leben noch auf sie loslässt. Und dann kommt die Musik... dann wirds wild, dann springt die Jugend plötzlich hoch und zwischen den anderen herum, springt zwischen Elendshaufen, springt mit den Händen zur Decke. Weiß nicht, wie ich da noch herausragen soll. Dann kann ich nicht mehr den Weisen spielen, ich schleiche mich hinaus und keinen kümmerts, ob ich sitz oder geh, man tanzt nur mit dem Tanzenden. Das erwischt mich jedes Mal kalt, darauf trink ich dann, in irgendeinem Lokal, in irgendzweien, versuch mich wieder warm zu kriegen. Dort übe ich dann für den nächsten Tag, ich übe warten, bis man mich unter dem Tisch herauszieht und ich die Pflastersteine umarme. Wieso sind Sie nicht am Hörer? Sie hätten mir abraten sollen, überhaupt wegzugehen, Sie hätten mir die Wahrheit schonender beibringen sollen, hätten mich in den Arm nehmen sollen und sagen sollen, ich sei unmusikalisch geworden, ich verstehe das nicht mehr, Sie hätten auf Deutsch sagen können, Mann, du bist zu alt, es wächst dir weißes Haar aus dem Ohr, kein Grund zu saufen. Ich wette, Sie machen auch gerade blau oder sind es schon. Vielleicht treffen wir uns, Sie werden mich erkennen, ich werde Ihnen mit dem Blue Pool entgegenwinken.

Hallo, hier sind Pia, Rebecca und Rainer Bender. Wir sind zur Zeit nicht daheim. Nach dem Ton können sie uns eine Nachricht hinterlassen. Bitte sprechen Sie jetzt.

Guten Tag, hier spricht Sander. Nein, Sie kennen mich nicht, da verpassen Sie auch nicht viel. Ich hinterlasse Ihnen eine Nachricht, Sie werden mich aber nicht mehr erreichen. Sollten Sie wider Erwarten das Bedürfnis zum Sprechen haben, wenden Sie sich an die Homies. Die freuen sich, wenn jemand anruft.



>>Originalfassung:

Sander
Guten Tag, Arbeitsvermittlung Wiesbaden hier. Zurzeit können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Melden Sie sich bitte noch einmal oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Ton.
Bitte sprechen Sie jetzt.
Tag, hier ist wieder Sander, ich war der Arbeitssuchende. Und ich hoffe, dass meine Suche bald ein Ende hat. Haben Sie schon mal Stellenanzeigen gelesen? Die Zeitungen bringen nur noch Anzeigen, Anzeigen, Anzeigen, da tränen meine Augen, bis ich das alles durchgeschaut habe, da kann ich weiß Gott wie viel rauchen, nein, ich rauche selten, bin nicht abhängig, ich mach nicht viele Zigarettenpausen. Und das Geld, es wird immer dringender. Dauernd seh ich die Mahnungen vor mir liegen und wenn ich dann wegseh, muss ich noch mehr dran denken, dann ist das Bild eingebrannt. Wissen Sie, muss mich einfach ablenken lassen, immer ablenken lassen davon, dass ich unablässig einem Nichts entgegenlauf. Nein, ich bin nicht glücklich, ich bin nicht verblendet. Ich brauch wirklich Beschäftigung, ich werde mich ablenken müssen. Rufen sie bitte zurück.

Guten Tag, Arbeitsvermittlung Wiesbaden hier. Zurzeit können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Melden Sie sich bitte noch einmal oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Ton.
Bitte sprechen Sie jetzt.
Hier Sander. Schon seltsam, ständig mit so nem Gerät zu reden. Arbeitssuche ist zäh, aber so hab ich mir gedacht, Veränderungen kommen von heute auf morgen, aber bis es heute ist, können Jahre vergehen. Also nicht, dass Sie jetzt denken, ich wär nicht überrascht, wenn Sie erst in zwei Jahren anrufen. Natürlich kann ich verstehen, dass Sie wenig Zeit haben, is ja auch anstrengend, Ihre Arbeit, und sie brauchen bestimmt das Geld, alle brauchen es, haben ne Frau mit Kindern oder ne Freundin, die ausgeführt werden will, oder Sie haben beides, aber ich will Ihnen keinen Vorwurf machen. Vielleicht suchen Sie gerade einen Job für mich und ich bin einfach zu ungeduldig. Gut, ich bin bestimmt zu ungeduldig, ich werde einfach warten, n wenig warten, dann melde ich mich wieder bei Ihnen.

Guten Tag, Sie sind bei Home Company, dem Portal für Wohnen auf Zeit. Hinterlassen Sie uns Ihre Nachricht und Rufnummer bei Anfragen.
Bitte sprechen Sie jetzt.
Schönen Tag, hier spricht Sander. Ich suche ein Apartment in Wiesbaden. Ich brauche auch eine Umzugshilfe, habe alte Möbelstücke, wissen Sie, alt und nicht wertvoll, aber sperrig. Ich brauche schon einen Laster, jemand muss mir helfen mit denen, vorsichtig, die haben ihre Geschichten, erzählen sie mir manchmal, manchmal schreien sie sie mir auch nach. Hab mir schon überlegt, ob ich nicht alles verkaufen soll, aber ich kann ihr das nicht antun. Sie hat noch diesen Wandschrank hier stehen. Hin und wieder, wenn mir warm ist, würd ich ihn schon gerne eintreten, die Schubladen rausziehen, durchtreten, das alte Holz brechen hören, doch dann seh ich sie, wie sie vor ihm steht, das Jackett aufhängt. Der ist sperrig, der Schrank, richtig breit ist er, stämmig, stilvoll, so einen wollt sie immer haben, so einen hat sie gekriegt, mit breiten Schultern und kurzem Haar. Ich freue mich auf das Apartment, ich freue mich, denk ich.

Guten Tag, Sie sind bei Home Company, dem Portal für Wohnen auf Zeit. Hinterlassen Sie uns Ihre Nachricht und Rufnummer bei Anfragen.
Bitte sprechen Sie jetzt.
Guten Tag! Sie haben sicher Arbeit, sind beschäftigt und so, aber wie lange soll ich denn noch auf den Umzug warten? Ich hab keine Arbeit, nur im alten Haus sitzen und warten, auf den Anruf von Home Company, herzlichen Glückwunsch, das Portal lässt Sie durch, jetzt fängt das neue Zeitalter an, Sie habens geschafft. Brauch jetzt frische Luft, gehe hinaus, bloß weg vom Alten. Also, vorher war ich schon mal draußen un mir ist eingefallen, dass Sie ja genau dann anrufen könnten, wenn ich weg bin, also rufe ich Sie diesmal an, um Sie zu warnen, ich bin bald nicht da. Vorhin, da bin ich durch die Altstadt gelatscht, dort war ein Karussell und ein kleiner Stand, an dem hab ich ne Cola getrunken, verflucht teuer und dann noch Schluckauf, aber eigentlich hat das Karussell angezogen. War so eins, in dem Menschen festgekettet sind und in engen Sitzen durch die Luft geschleudert werden. Mir war, als hätte mir mein Leben gegrüßt, genauso schnell wie dieses Karussell dreht es sich auch bei mir und ich sehe trotzdem immer die selbe Landschaft vorbeiziehen, immer s gleiche, als will mich das Leben verarschen. Ich bin dann damit gefahren, wollte analysieren und ich bin geflogen, immer schneller, schneller und die Angst war dabei und der Blick war diagonal und manchmal ganz weg, weil ich die Augen zugepresst habe, aber immerhin bin ich geflogen, über die Masse hinweg, die hat vielleicht hoch zu mir gesehen und sich geduckt. Danach musste ich mich übergeben. Jetzt muss ich weg, brauche frische Luft, meine Beine, sie zittern. Rufen Sie an, Sander, das Apartment in Wiesbaden, dringend.

Guten Tag. Sie sind bei der Kontakt- und Beratungsstelle Suchtkranker. Leider rufen Sie außerhalb der Dienstzeiten an. Wir bitten Sie, Ihren Anruf zu wiederholen oder eine Nachricht zu hinterlassen. Bitte sprechen Sie jetzt.
Abend. Sie sind wieder nicht da. Wie wollen Sie denn helfen, wenn Sie schlafen und ich Ihre Hilfe brauche, unbedingt? Möchte eben mit Ihnen reden und das ist Ihr Job, oder? Ich sitze wieder an meinem Tisch, an dem in der Bar, sollt nicht herkommen. Die Beine tragen einen automatisch, ich nenne es Ritual. Gleich wird mir wieder so ein Cocktail hingestellt. Der leuchtet entgegen, da schillert das ganze Leben, gibt sich einen verführerischen Namen, lockt, will aber nicht haben. Den kann man nur hinunterschlucken, schlucken, so schnell es geht. Und dann trinkt man wieder, weil die Wahrheit nicht schmeckt, weil einem süßen Geschmack so leicht zu glauben ist, weil man erwachsen ist und den alten Weisen spielt, der aus einer Ecke heraus die Jugend beobachtet. Und dann kommt die Musik... dann wirds wild, dann springt die Jugend hoch und zwischen den anderen herum, springt zwischen Elendshaufen, springt hoch. Weiß nicht, wie ich da noch herausragen soll. Dann kann ich nicht mehr den Weisen spielen, ich schleiche mich hinaus und keinen kümmerts, ob ich sitz oder geh, man tanzt nur mit dem Tanzenden. Und das erwischt mich jedes Mal kalt, darauf trink ich dann, in irgendeinem Lokal, in irgendzweien. Dort warte ich, bis man mich wegschickt. Wieso sind Sie nicht am Hörer? Sie hätten mir abraten sollen, überhaupt wegzugehen, Sie hätten mir die Wahrheit schonender beibringen sollen, ich bin unmusikalisch geworden, ich versteh das nicht mehr, Sie hätten auf Deutsch sagen können, Mann, du bist zu alt, kein Grund zu saufen. Oder haben Sie abends keinen Dienst, weil auch Sie ausgehen?
Dann treffen wir uns vielleicht, Sie werden mich erkennen, ich werde Ihnen mit dem Blue Pool entgegenwinken.

Guten Tag. Hier ist Familie Bender. Wir sind zurzeit nicht daheim. Sie können uns nach dem Ton eine Nachricht hinterlassen.
Bitte sprechen Sie jetzt.
Guten Tag, hier spricht Sander. Nein, Sie kennen mich nicht. Ich hinterlasse Ihnen eine Nachricht, Sie werden mich aber nicht erreichen können.
Zuletzt geändert von Thea am 21.04.2007, 11:37, insgesamt 6-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 07.04.2007, 01:51

hallo thea!
erstmal von mir ein "willommen"! dein einstand gefällt mir sehr. auch, wenn ich das ende dann doch zu dramatisch finde. aber das ist sicher geschmack.......
humor und satire....-das erkenne ich nicht. für mich ist das bitter. auch ein gutes stück realität. nach meinem empfinden (ich bin "nur" lyrik-fuzzi) ist das schwarze realität und gehört in die andere "gesellschaftskritische" forum, dessen name mir momentan entfallen ist. ein paar winzige rechtschreibflüchtigkeitsversehensfehler sind drin. wirst du beim genauen durchlesen selbst bemerken.
was ich noch klärenswert fände, ist die familie bender. ich sehe nicht einen bezug, warum sander da anruft. da du dann von "Sie kennen mich nicht" redest, bleibt es rätselhaft. vielleicht wäre ein anruf in familiärere oder freundeskreise effektiver gewesen um einen schluss zu gestalten?

lieben gruß: Niko

Thea

Beitragvon Thea » 07.04.2007, 12:34

Hi Niko, du lyrikfuzzi,
danke für das schnelle feedback, freut mich!
hast vollkommen recht, was das ende betrifft, der letzte satz war wahrscheinlich zu viel...
vielleicht aber noch: ich denke, der letzte anruf vom sander ist mehr verzweifelter witz, also als trotzigen, traurigen hilfeschrei anzusehen.
hab den letzten satz aber gestrichen, muss mir noch was überlegen, die wirkung ist anscheinend nicht die beabsichtigte...
tja und die von dir angesprochene familie und der freundeskreis...wenn man die home company volllabert, spricht das nicht gerade für einen großen freundeskreis, oder. und die frau, die gibts ja nicht mehr. also entschied ich mich für eine unbekannte familie, um seine anonymität zu bewahren. sozusagen der letzte versuch, auf ein bischen menschlichkeit zu treffen, im bewusstsein des scheiterns
in einem punkt bin ich noch ratlos, liegt aber an meiner hervorragenden orientierung: in welches forum hättest du den sander gesteckt? vielleicht kann ich das ja noch ändern...
liebe grüsse, thea

Niko

Beitragvon Niko » 07.04.2007, 13:47

hi thea!
hab mich da wohl vertan bezüglich anderer rubrik. es gibt das polyphon. aber das ist nur für lyrik gedacht. hier steht ja auch "kritisches" vor. ist also korrekt so. obwohl ich persönlich kritisches und satire&humor nicht passend finde unter einem hut. aber nu.......

eilige grüße. nIKO

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.04.2007, 15:11

Hallo Thea,

willkommen im Blauen Salon ;-)

Deine Geschichte ist ja keine Satire oder humorvoll, sondern ganz im Gegenteil, sehr kritischer und trauriger Fokus auf unsere Gesellschaft. Deshalb ist es hier schon richtig.
Die sich steigernde Verzweiflung hast du gut rübergebracht.
Den ursprünglichen Schlusssatz fand ich auch zu überzogen. (Setze doch bitte diesen Satz mit einem Absatz noch mal drunter und Sternchen dahinter mit dem Hinweis dazu, "rausgenommen", damit man die Änderung verfolgen kann, ok?)

Der Sander hat sich wohl einfach das Telefonbuch geschnappt und irgendjemanden angerufen, um endlich eine echte Stimme zu hören und nicht nur immer einen Anrufbeantworter. Das finde ich schlüssig.

Ich gehe noch einmal im Detail konkret auf deine Geschichte ein. Ich möchte mir dafür aber Zeit nehmen, habe mir Lesezeichen gesetzt und melde mich wieder, ok? Ich wollte dir mit diesem posting erst mal "Hallo" sagen und dir meinen ersten Eindruck vermitteln. ;-)
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 08.04.2007, 17:00

Liebe Thea,

herzlich willkommen hier im Salon.

Mir hat Deine Einsatndgeschichte hier im Salon gefallen. Lustigerweise habe ich mich gerade vorher mit meinem Bruder am Telefon darüber unterhalten, dass wir es beinahe mal obszön fanden, wenn jemand in einem Privathaushalt einen Anrufbeantworter hatte.

Bei genauerer Lektüre habe ich noch die folgenden kleinen Anmerkungen zu Deiner Kurzgeschichte:

1.) Die Abfolge der Anrufe hat noch ein uniformisierendes Element. Erst ruft Sander zweimal die Arbeitsagentur an, dann zweimal die Wohnungsgesellschaft, dann die Suchtkranken, dann einfach irgendjemanden (so lese ich es jedenfalls). Natürlich kann muss die letzten beiden Anrufe dort lassen, wo sie sind, bei den ersten könnte man aber abwechseln (oder vielleiocht noch einen ganz anderen Partner einbringen, eine Behörde oder dergleichen), sonst sieht es ein wenig nach Abarbeiten von Punkten aus.

2.) Der Anruf bei der Suchtstelle scheint mir sehr den Erwartungen zu entsprechen, den man von einem solchen Anruf hat. Auch ist die Sprache dort sehr Schriftsprache, die Schriftsprache einer Kurzgeschichte und weniger gesprochenes (oder dem nachempfundenes) Deutsch. Ich meine dabei etwa diese Stelle.

ch sitze wieder an meinem Tisch, an dem in der Bar, sollt nicht herkommen. Die Beine tragen einen automatisch, ich nenne es Ritual. Gleich wird mir wieder so ein Cocktail hingestellt. Der leuchtet entgegen, da schillert das ganze Leben, gibt sich einen verführerischen Namen, lockt, will aber nicht haben. Den kann man nur hinunterschlucken, schlucken, so schnell es geht.


3.) Es gibt übrigens auf AB auch unabsichtlich groteske Ansagen (mein Vater ist zu so etwas fähig), wo beispielsweise dem armen Anrufenden mehr oder weniger die komplette Funktionsweise des Geräts erklärt wird und dann die Ansagezeit nicht ausreicht. Vielleicht ließe sich so etwas auch einbauen (nur als Idee).

Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mir der Text gefallen hat.

Liebe Grüße
Max

Sam

Beitragvon Sam » 08.04.2007, 19:00

Hallo Thea,

mir gefällt dein Text außerordentlich gut!

Da ist zunächst der Aufbau. Die Idee mit den Nachrichten auf die AB ist nicht nur originell sondern unterstreicht auch hervorragend das Thema des Textes.

Sehr gut auch die Steigerung, die zu erkennen ist. Die soziale Katastrophe des Prot wird nach und nach immer konturenreicher und sichtbarer, findet seinen Höhepunkt in der Nachricht an die Beratungsstelle für Suchtkranke.

Und dann kommt die Musik... dann wirds wild, dann springt die Jugend hoch und zwischen den anderen herum, springt zwischen Elendshaufen, springt hoch. Weiß nicht, wie ich da noch herausragen soll. Dann kann ich nicht mehr den Weisen spielen, ich schleiche mich hinaus und keinen kümmerts, ob ich sitz oder geh, man tanzt nur mit dem Tanzenden.


Das ist stark formuliert. Weise, möcht ich fast sagen.

Auch der Schluß gefällt mir. In seiner Verzweiflung und seinem Rausch wählt der Prot eben irgendeine Nummer - und landet wieder nur auf einem AB.

Einzige kleine Mäkelei:

Arbeitssuche ist zäh, aber so hab ich mir gedacht, Veränderungen kommen von heute auf morgen, aber bis es heute ist, können Jahre vergehen.


Müsste es nicht heißen: Aber bis es morgen ist, können Jahre vergehen? Die Veränderungen kommen ja von heute auf morgen, d.h. morgen ist die Veränderung dann zu erkennen.

Aber das ist nur eine Kleinigkeit.


Fazit: Gelungen. Freue mich auf weitere Texte von dir!

LG

Sam

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.04.2007, 21:51

Hallo Max,

Es gibt übrigens auf AB auch unabsichtlich groteske Ansagen (mein Vater ist zu so etwas fähig), wo beispielsweise dem armen Anrufenden mehr oder weniger die komplette Funktionsweise des Geräts erklärt wird und dann die Ansagezeit nicht ausreicht. Vielleicht ließe sich so etwas auch einbauen (nur als Idee).


Das würde dann aber schon ins Groteske, doch Satire gehen und ich glaube nicht, dass Thea eine Satire schreiben wollte. Dafür ist die Geschichte zu tragisch und zu traurig.
Saludos
Mucki

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.04.2007, 02:54

Hallo Thea,

so, wie versprochen, bin ich mal in deiner Geschichte mit Anmerkungen von mir. Sie sind fett markiert.
Deine Story und auch der Aufbau gefällt mir, du hast hier sehr gut den Nerv getroffen. Ich würde auch die Reihenfolge so lassen, durch die wiederholten Anrufe bei den Ämtern wird die Notlage umso eindringlicher.

Aber:

Insgesamt bin ich nach erneutem Lesen zu der Erkenntnis gelangt, dass du doch eine bissige Satire schreiben willst. Alle Sätze, die ich unterstreiche, deuten darauf hin. Wenn ja, muss du aber viel bissiger schreiben und das durch die ganze Story durchziehen und vor allem viel heftiger und so richtig absurd überzogen schreiben. Wenn nein, wenn es ein kritischer, trauriger Einblick auf die Welt eines Verzweifelten sein soll, dann müssten alle unterstrichenen Sätze raus, und das wären eine ganze Menge. Deshalb wäre es ganz gut, wenn du mal konkret schreibst, was genau deine Intention ist, ok?

So, wie du es jetzt geschrieben hast, ist es ein Mischmasch aus Kritischem Fokus, psychischen und phylosophischen Einlagen und teilweise satirischen Elementen, also: keine konkrete Linie drin, die sollt aber rein, damit es eine gute Story wird.
Saludos
Mucki
P.S. Evtl. könnte man vor jeden Absatz noch ein Datum einfügen, mal so als Idee. Fände ich ganz gut.


Thea hat geschrieben:Sander Absatz hiernach
Guten Tag, Arbeitsvermittlung Wiesbaden hier. ZurzeitZur Zeit können wir Ihnen nicht weiterhelfen. Hier evtl. besser: Zur Zeit sind wir nicht erreichbar. (Wenn du es änderst dann weiter unten auch, wenn doch Satire, dann mit dem "nicht weiterhelfen" drin lassen) Melden Sie sich bitte noch einmal oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Ton. keine neue Zeile.
Bitte sprechen Sie jetzt. absatz
Tag, hier ist wieder Sander, ich warder Arbeitssuchende. Und ich hoffe, dass meine Suche bald ein Ende hat. Haben Sie schon mal Stellenanzeigen gelesen? Die Zeitungen bringen nur noch Anzeigen, Anzeigen, Anzeigen, da tränen meine Augen, bis ich das alles durchgeschaut habe, da kann ich weiß Gott wie viel rauchen, nein, ich rauche selten, bin nicht abhängig, ich mach nicht viele Zigarettenpausen. Und das Geld, es wird immer dringender. Dauernd seh ich die Mahnungen vor mir liegen. und wenn ich dann wegseh, muss ich noch mehr dran denken, dann ist das Bild eingebrannt. Wissen Sie, muss mich einfach ablenken lassen, immer ablenken lassen davon, dass ich unablässig einem Nichts entgegenlauf. Nein, ich bin nicht glücklich, ich bin nicht verblendet. Ich brauch wirklich Beschäftigung, ich werde mich ablenken müssen. Rufen sie bitte zurück.

Guten Tag, Arbeitsvermittlung Wiesbaden hier. ZurzeitZur Zeit können wir Ihnen nicht weiterhelfen. (siehe oben) Melden Sie sich bitte noch einmal oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Ton. keine neue Zeile
Bitte sprechen Sie jetzt. Absatz
Hier Sander. Schon seltsam, ständig mit so nem Gerät zu reden. Arbeitssuche ist zäh, aber soich hab ichmir gedacht, Veränderungen kommen von heute auf morgen, aber bis es heutemorgen ist, können Jahre vergehen. Also nicht, dass Sie jetzt denken, ich wär nicht überrascht, wenn Sie erst in zwei Jahren anrufen. Natürlich kann ich verstehen, dass Sie wenig Zeit haben, is ja auch anstrengend, Ihre Arbeit, und Ssie brauchen bestimmt das Geld, alle brauchen es, haben ne Frau mit Kindern oder ne Freundin, die ausgeführt werden will, oder Sie haben beides, aber ich will Ihnen keinen Vorwurf machen. Vielleicht suchen Sie gerade einen Job für mich und ich bin einfach zu ungeduldig. Gut, ich bin bestimmt zu ungeduldig, ich werde einfach warten, ein wenig warten, dann melde ich mich wieder bei Ihnen. (Also hier kommt mir doch stark der "Verdacht", dass du eine Satire schreiben möchtest)

Guten Tag, Sie sind bei Home Company, dem Portal für Wohnen auf Zeit. Hinterlassen Sie uns Ihre Nachricht und Rufnummer bei Anfragen.
Bitte sprechen Sie jetzt. Absatz
Schönen Tag, hier spricht Sander. Ich suche ein Apartment in Wiesbaden. Ich brauche auch eine Umzugshilfe, habe alte Möbelstücke, wissen Sie, alt und nicht wertvoll, aber sperrig. Ich brauche schon einen Laster, jemand muss mir helfen mit denen, vorsichtig, die haben ihre Geschichten, erzählen sie mir manchmal, manchmal schreien sie sie (zweimal sie hintereinander klingt nicht gut) mir auch nach. Hab mir schon überlegt, ob ich nicht alles verkaufen soll, aber ich kann ihr (hier konkreter schreiben, wer "ihr" ist) das nicht antun. Sie hat noch diesen Wandschrank hier stehen. Hin und wieder, wenn mir warm ist, würd ich ihn schon gerne eintreten, die Schubladen rausziehen, durchtreten, das alte Holz brechen hören, doch dann seh ich sie, wie sie vor ihm steht, das Jackett aufhängt. Der ist sperrig, der Schrank, richtig breit ist er, stämmig, stilvoll, so einen wollt sie immer haben, so einen hat sie gekriegt, mit breiten Schultern und kurzem Haar. Ich freue mich auf das Apartment., ich freue mich, denk ich.

Guten Tag, Sie sind bei Home Company, dem Portal für Wohnen auf Zeit. Hinterlassen Sie uns Ihre Nachricht und Rufnummer bei Anfragen.
Bitte sprechen Sie jetzt. Absatz
Guten Tag! Sie haben sicher Arbeit, sind beschäftigt und so, aber wie lange soll ich denn noch auf den Umzug warten? Ich hab keine Arbeit, nur im alten Haus sitzen und warten, auf den Anruf von Home Company, herzlichen Glückwunsch, das Portal lässt Sie durch, jetzt fängt das neue Zeitalter an, Sie haben's geschafft. Brauch jetzt frische Luft, gehe hinaus, bloß weg vom Alten. Also, vorher war ich schon mal draußen und mir ist eingefallen, dass Sie ja genau dann anrufen könnten, wenn ich weg bin, also rufe ich Sie diesmal an, um Sie zu warnen, ich bin bald nicht da. Vorhin, da bin ich durch die Altstadt gelatscht, dort war ein Karussell und ein kleiner Stand, an dem hab ich ne Cola getrunken, verflucht teuer und dann noch Schluckauf, aber eigentlich hat das Karussell angezogen. War so eins, in dem Menschen festgekettet sind und in engen Sitzen durch die Luft geschleudert werden. Mir war, als hätte mir mein Leben gegrüßt, genauso schnell wie dieses Karussell dreht es sich auch bei mir und ich sehe trotzdem immer die selbedieselbe Landschaft vorbeiziehen, immer das gleiche, als will mich das Leben verarschen. Ich bin dann damit gefahren, wollte analysieren (konkreter formulieren, was du mit analysieren meinst) und ich bin geflogen, immer schneller, schneller und die Angst war dabei und der Blick war diagonal und manchmal ganz weg, weil ich die Augen zugepresst habe, aber immerhin bin ich geflogen, über die Masse hinweg, die hat vielleicht hoch zu mir gesehen und sich geduckt. Danach musste ich mich übergeben. Jetzt muss ich weg, brauche frische Luft, meine Beine, sie zittern. Rufen Sie an, Sander, das Apartment in Wiesbaden, dringend.

Guten Tag. Sie sind bei der Kontakt- und Beratungsstelle Suchtkranker. Leider rufen Sie außerhalb der Dienstzeiten an. Wir bitten Sie, Ihren Anruf zu wiederholen oder eine Nachricht zu hinterlassen. Bitte sprechen Sie jetzt. Absatz
Abend. Sie sind wieder nicht da. Wie wollen Sie denn helfen, wenn Sie schlafen und ich Ihre Hilfe brauche, unbedingt? Möchte jetzt ebenmit Ihnen reden und das ist Ihr Job, oder? Ich sitze wieder an meinem Tisch, an dem in der Bar, sollte nicht herkommen. Die Beine tragen einen automatisch, ich nenne es Ritual. Gleich wird mir wieder so ein Cocktail hingestellt. Der leuchtet entgegen, da schillert das ganze Leben, gibt sich einen verführerischen Namen, lockt, will aber nicht haben. (bei "will aber nicht haben" fehlt was) Den kann man nur hinunterschlucken, schlucken, so schnell es geht. Und dann trinkt man wieder, weil die Wahrheit nicht schmeckt, weil einem süßen Geschmack so leicht zu glauben ist, weil man erwachsen ist und den alten Weisen spielt, der aus einer Ecke heraus die Jugend beobachtet. Und dann kommt die Musik... dann wirds wild, dann springt die Jugend hoch und zwischen den anderen herum, springt zwischen Elendshaufen, springt hoch. Weiß nicht, wie ich da noch herausragen soll. Dann kann ich nicht mehr den Weisen spielen, ich schleiche mich hinaus und keinen kümmerts, ob ich sitz oder geh, man tanzt nur mit dem Tanzenden. Und das erwischt mich jedes Mal kalt, darauf trink ich dann, in irgendeinem Lokal, in irgendzweien. Dort warte ich, bis man mich wegschickt. Wieso sind Sie nicht am Hörer? Sie hätten mir abraten sollen, überhaupt wegzugehen, Sie hätten mir die Wahrheit schonender beibringen sollen, ich sei binunmusikalisch geworden, ich versteh das nicht mehr, Sie hätten auf Deutsch sagen können, Mann, du bist zu alt, kein Grund zu saufen. Oder haben Sie abends keinen Dienst, weil auch Sie ausgehen? Keine neue Zeile.
Dann treffen wir uns vielleicht, Sie werden mich erkennen, ich werde Ihnen mit dem Blue Pool entgegenwinken.

Guten Tag. Hier ist Familie Bender. Wir sind zurzeit zur Zeit nicht daheim. Sie können uns nach dem Ton eine Nachricht hinterlassen.
Bitte sprechen Sie jetzt. Absatz
Guten Tag, hier spricht Sander. Nein, Sie kennen mich nicht. Ich hinterlasse Ihnen eine Nachricht, Sie werden mich aber nicht mehr erreichen können.

Max

Beitragvon Max » 09.04.2007, 11:11

Liebe Mucki,

Das würde dann aber schon ins Groteske, doch Satire gehen und ich glaube nicht, dass Thea eine Satire schreiben wollte. Dafür ist die Geschichte zu tragisch und zu traurig.


und

Insgesamt bin ich nach erneutem Lesen zu der Erkenntnis gelangt, dass du doch eine bissige Satire schreiben willst. Alle Sätze, die ich unterstreiche, deuten darauf hin.


Lustigerweise bin ich mir da bei beidem nicht so sicher.

Liebe Grüße
max

Thea

Beitragvon Thea » 09.04.2007, 12:01

Hallo und schöne Feiertage euch allen!

Ich danke euch für die hilfreichen und ausführlichen Kommentare. Es freut mich, in meiner nächsten Arbeitseinheit gezielt am Text feilen zu können


Zunächst möchte ich dir, Mucki, antworten, da du mir eine entscheidende Frage gestellt hast:

Insgesamt bin ich nach erneutem Lesen zu der Erkenntnis gelangt, dass du doch eine bissige Satire schreiben willst. Alle Sätze, die ich unterstreiche, deuten darauf hin. Wenn ja, muss du aber viel bissiger schreiben und das durch die ganze Story durchziehen und vor allem viel heftiger und so richtig absurd überzogen schreiben. Wenn nein, wenn es ein kritischer, trauriger Einblick auf die Welt eines Verzweifelten sein soll, dann müssten alle unterstrichenen Sätze raus, und das wären eine ganze Menge


Meine Intention war ein Individuum zu zeichnen, welches im realistischen Alltag lebt (also ja: gesellschaftskritisch und realistisch beabsichtigt).
Dem Sander habe ich aber die Eigenschaft zugeschrieben, sich eben nicht ohnmächtig seinem Schicksal zu fügen, sondern gegen die bitter dargestellte Realität anzukämpfen. Daraus ergibt sich dann seine ironische, überzogene Art (also die von dir unterstrichenen Sätze), die aber erkennen lässt, dass er eigentlich seine Ausweglosigkeit erahnt.

Ich denke aus der Absicht, den Sander selbst als Gesellschaftskritiker fungieren zu lassen, ihn aber im realistischen Umfeld zu lassen, ergibt sich dann die von dir bemängelte Kontinuität.

Ich bin noch am Überlegen, wie ich dieses Problem lösen könnte, ich werde Sander wahrscheinlich bissiger, zynischer zeichnen.
Deinen weiteren Einwänden gehe ich nach.



@Sam: Du hast natürlich Recht, die Stelle ist schief geraten.
Eigentlich wollte Sander erklären, dass er geduldig auf eine Veränderung von heute auf morgen warten kann. Aber er möchte endlich wissen, wann "das heute" ist, also wann die Veränderung anfängt, wann sich endlich etwas tut. An das Morgen, ans neue Leben, wagt er noch gar nicht zu denken.



@Max: Ich hatte auch ein bischen Angst, dass es zusehr nach
Abarbeiten von Punkten
aussieht.
Ich habe mich dann für diese Reihenfolge entschieden, weil Sander zuerst Arbeit sucht/ Geld braucht und danach erst (nach erfolgsloser Suche) sich notgedrungen nach einem neuen, billigeren Haus (bedingt durch seinen Geldmangel) umschauen muss. Das werde ich aber zur Erklärung mit in den Text einbringen.

Der Anruf bei der Suchtstelle scheint mir sehr den Erwartungen zu entsprechen, den man von einem solchen Anruf hat. Auch ist die Sprache dort sehr Schriftsprache, die Schriftsprache einer Kurzgeschichte und weniger gesprochenes (oder dem nachempfundenes) Deutsch.

Ja, finde ich auch, die Suchtberatung wird also umgangssprachlicher werden! Ich habe aber leider nicht verstanden, wessen Erwartungen du durch die Stelle erfüllt siehst und wie du das wertest. Findest du es zu unreal? / möglich, ich habe versäumt, dort anzurufen...

Liebe Grüße_Thea

Max

Beitragvon Max » 09.04.2007, 12:09

Liebe Thea,

Ich habe mich dann für diese Reihenfolge entschieden, weil Sander zuerst Arbeit sucht/ Geld braucht und danach erst (nach erfolgsloser Suche) sich notgedrungen nach einem neuen, billigerem Haus (wegen seines Geldmangels) umschauen muss. Das werde ich aber zur Erklärung mit in den Text einbringen.


Ja, ich denke, dass das dem text diesbezüglich helfen würde.

Ich habe aber leider nicht verstanden, wessen Erwartungen du durch die Stelle erfüllt siehst und wie du das wertest. Findest du es zu unreal? / möglich, ich habe versäumt, dort anzurufen...


*lach* während ich eigentlich Dauergast bei der Suchtberatung bin (Kaffee, Rotwein ...). Also, die Erwartungen, die dort erfüllen wurden, waren meine (wobei ich eben auch nicht DIE Erfahrung habe). Wasich genauer sagen möchte ist, dass sich Sander an der Stelle genau so verhält bzw. die Situation genau so beschreibt, wie ich das aus dem Klischee eines Alkoholabsturzes kenne. Das könnet für meinen Geschmack sprachlich (das wolltest Du ja) und mit inhaltlichen Details noch genauer und individueller ausgeschmückt werden.

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.04.2007, 14:11

Hallo Thea,

Meine Intention war ein Individuum zu zeichnen, welches im realistischen Alltag lebt (also ja: gesellschaftskritisch und realistisch beabsichtigt).

Okay, dann muss die Story ziemlich überarbeitet werden.

Dem Sander habe ich aber die Eigenschaft zugeschrieben, sich eben nicht ohnmächtig seinem Schicksal zu fügen, sondern gegen die bitter dargestellte Realität anzukämpfen. Daraus ergibt sich dann seine ironische, überzogene Art (also die von dir unterstrichenen Sätze), die aber erkennen lässt, dass er eigentlich seine Ausweglosigkeit erahnt.

Diese "ironisch, überzogene Art" wird jedoch immer wieder gebrochen durch die "philosophischen Einlagen" und auch durch die Worte, die seine Pysche wiederspiegeln.

Ich denke aus der Absicht, den Sander selbst als Gesellschaftskritiker fungieren zu lassen, ihn aber im realistischen Umfeld zu lassen, ergibt sich dann die von dir bemängelte Kontinuität.

Jep, das haut nicht so ganz hin. Aber das siehst du ja jetzt selbst. Und wir wissen, wohin du möchtest.



Ich bin gespannt, wie deine 2. Fassung aussehen wird. Stellst du sie dann bitte vor die erste, damit man die geänderten Fassungen erkennen kann?

Es wäre nett, wenn du dich unter der Rubrik "Blaues Cafe" kurz vorstellen könntest, Thea,-)
Saludos
Mucki

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 10.04.2007, 11:59

Liebe Thea,

auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum. Als Satire funktioniert Dein Text meines Erachtens schon, auch wenn mir persönlich bei diesem Thema leicht einmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Aber Satiren zeichnen sich ja gerade durch ihren Realitätsbezug aus.

Sprachlich gefällt mir Dein Sander gut. Teilweise treibst Du es mit Deiner anakoluthischen Erzählweise ein bisschen weit, aber ich denke mal, dass soll Authentizität suggerieren.

Bei der Beratungsstelle habe ich ein wenig gestutzt. Würde Dein Sander nicht bei eher bei der Telefonseelsorge anrufen? Und wenn er das denn täte, würde da nicht doch jemand antworten?

Ähnliches dachte ich auch bei der Jobberatung. Aber hast ja wohl mit Absicht die Agentur für Arbeit ausgelassen, bei der sich üblicherweise zu den Geschäftszeiten immer jemand meldet, der dann trotzdem nicht weiterhelfen kann...

Ich freue mich aber schon auf weitere Texte aus Deiner Feder. Dieser verspricht schon einiges.

Grüße

Paul Ost


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