Von brennenden Klavieren...
Verfasst: 03.03.2007, 20:10
Von brennenden Klavieren, schlaksigen Liebhabern und ungeschickten Kellnern (Teil I)
Der Kunstgenuss hierzulande hat einen hohen Preis. Das ist hinlänglich bekannt und scheinbar nicht zu ändern. Als kinderreiche Familie genießen wir Kunst daher eher häppchenweise. Der Kinobesuch - Entrée, Theatervorstellungen als leichte Zwischenmahlzeit. Nur manchmal überkommt uns die Lust auf das große Fressen. Den kulturellen Schweinsbraten mit fettiger Kruste. Wir leisten uns Karten für die königlich sächsische Oper.
Wenn wir die auserwählte Vorstellung dann endlich besuchen, befinden wir uns stets in der gleichen Gesellschaft. Links oder rechts von uns nimmt ein asthmatischer älterer Herr Platz, der jeden einzelnen Akt mit unterdrücktem Hüsteln, Röcheln und Stöhnen eindrucksvoll untermalt. Ich bin sicher, er würde auch in der MET, in der Mailänder Scala oder im Sydney Opera House neben uns sitzen. Fragen Sie mich nicht, wie er das macht. Er ist einfach da und hustet Schleim ab.
Natürlich ist er nicht allein. Seine Gemahlin trägt zumeist ihren Teil zur Gestaltung der akustisch-terroristischen Hintergrundkulisse bei. Sie versucht mit arthritischen Fingern ein mehrfach bandagiertes Bonbon auszuwickeln. Es gelingt ihr in den seltensten Fällen. Wenn doch, beginnt sie sofort, ein zweites zu enthüllen. Für den Schnarchhüstelröchelgatten. Oder sich selbst. Ich weiß es nicht. Es ist ja dunkel im Musentempel, und außerdem rede ich mir in solchen Momenten innerlich gut zu, um mich auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren. Selbsthypnose nennt man das wohl in Fachkreisen.
Die Erfahrung lehrt mich, dass es noch einen zweiten Typ Asthmatikergattin gibt. Den fürchte ich fast noch mehr. Diese Dame hat über Jahre Parfümflakons gesammelt, alle Arten, Douglaspröbchen und milde Apothekergaben, und hüllt sich am entscheidenden Abend in eine Wolke diverser Duftwässerchen. Ein Parfümblend wallt aus ihrer Robe. Man kann mit dem Programmheft wedeln. Sich das Taschentuch an die Nase quetschen. Es hilft alles nix - kein Entkommen. Man erlebt die Vorstellung im Zustand einer nahenden Ohnmacht. Eine olfaktorische Katastrophe. Gelingt es einem, aus dem Chanel Nr 5, Naomi-Irgendwas und 4711 – Nebel kurz aufzutauchen, hört man den Opi röcheln. Kunstgenuss hat einen hohen Preis.
Diesmal jedoch, hören und staunen Sie, war alles anders. Kein angegrauter Herr in unserer näheren Umgebung. Nur mittelalterliche Dämlichkeiten mit uns auf dem Rang. Allesamt dezent parfümiert. Noch kein Knistern zu vernehmen. Kein Reizhusten. Ich begann mich zu entspannen und lauschte der Ouvertüre. Ich lehnte mich an die Schulter des Gatten und genoss, wie Belmonte seine Konstanze aus dem Palast des Bassa befreien wollte. (Nebenbei bemerkt: Er gefiel mir nicht. Der junge „Spanier“ maß zwei Meter zehn und schlakste sehr unfeurig über die Bühne. Vollkommen unverständlich war mir außerdem, dass irgendjemand ihm ein betonfarbenes Sepplbeinkleid angehost hatte. Er erinnerte mich an Pinocchio. Burattino. Kasperletheater. Aber gut. Wenigstens hustete und knisterte niemand. Es ist nie alles beisammen, wie meine Mutter zu sagen pflegt. Man muss auch zufrieden sein können.)
Ich war es zufrieden. Der Bassa versuchte, Konstanze für sich zu gewinnen. Biss dabei auf Granit. Sie liebt den Kniebundhosenadligen nun mal. Nun gut. Soll sie. Ich verstehe es nicht.
Der Bassa schenkt ihr immerhin ein Klavier. (Und Kunst hat ihren Preis!!!)
Doch was macht er nun? Ich traue meinen Augen kaum. Er zündet das Klavier an. Es brennt lichterloh. Ich hoffe insgeheim, dass man an den Ausgängen Feuerwehrmänner postiert hat (Stichwort: Brandschutzverordnung) und sehe vorsichtig nach links und rechts. Die uns garnierenden Damen starren mit offenen Mündern und schreckensgeweiteten Augen auf die Bühne. Niemand hustet. Niemand raschelt. Gespenstische Stille. Es beginnt, nach Qualm zu stinken. Eine Sekunde lang sehne ich mich nach dem vertrauten Duft von 4711. Offenbar hat aber alles seine Ordnung. Das Klavier brennt eindrucksvoll ab. Ein Aschehaufen bleibt zurück. Die Kosten scheinen im Kartenpreis inbegriffen zu sein (Das würde das Preisniveau erklären!). Mich überfällt angesichts meiner entgeisterten Nachbarinnen der Drang zu lachen. Ich unterdrücke ein Kichern. Mühsam. Ich bin fast schon so schlimm wie der heute abwesende kranke Opa. Mein Gatte stößt mich in die Seite. Ich möge sofort damit aufhören. Was das soll, frage ich leise bei ihm an. Die Flammen seien ein Bild für die Vergänglichkeit, zischt er zurück. Aha. Und Kniebundhosen sind ein Symbol für Leidenschaft. In der Oper husten zeugt von gutem Benehmen. Völlig neue Erkenntnisse.
Auf dem Nachhauseweg philosophieren wir über den Brand in der Oper. Seine dramatische Funktion. Ich finde es albern, Klaviere abzufackeln. (Genauso albern sind nackte Opernsänger. Oder andere bemühte Arrangements, die für Skandale und steigende Besucherzahlen sorgen sollen.) Mein Mann beharrt auf seiner Erklärung. Das brennende Klavier symbolisiere die Endlichkeit unserer Existenz, die Vergänglichkeit der Liebe. Ich gebe mich geschlagen. Tage später holt mich das Bild des brennenden Instruments ein. Aber das ist eine neue Geschichte.
Der Kunstgenuss hierzulande hat einen hohen Preis. Das ist hinlänglich bekannt und scheinbar nicht zu ändern. Als kinderreiche Familie genießen wir Kunst daher eher häppchenweise. Der Kinobesuch - Entrée, Theatervorstellungen als leichte Zwischenmahlzeit. Nur manchmal überkommt uns die Lust auf das große Fressen. Den kulturellen Schweinsbraten mit fettiger Kruste. Wir leisten uns Karten für die königlich sächsische Oper.
Wenn wir die auserwählte Vorstellung dann endlich besuchen, befinden wir uns stets in der gleichen Gesellschaft. Links oder rechts von uns nimmt ein asthmatischer älterer Herr Platz, der jeden einzelnen Akt mit unterdrücktem Hüsteln, Röcheln und Stöhnen eindrucksvoll untermalt. Ich bin sicher, er würde auch in der MET, in der Mailänder Scala oder im Sydney Opera House neben uns sitzen. Fragen Sie mich nicht, wie er das macht. Er ist einfach da und hustet Schleim ab.
Natürlich ist er nicht allein. Seine Gemahlin trägt zumeist ihren Teil zur Gestaltung der akustisch-terroristischen Hintergrundkulisse bei. Sie versucht mit arthritischen Fingern ein mehrfach bandagiertes Bonbon auszuwickeln. Es gelingt ihr in den seltensten Fällen. Wenn doch, beginnt sie sofort, ein zweites zu enthüllen. Für den Schnarchhüstelröchelgatten. Oder sich selbst. Ich weiß es nicht. Es ist ja dunkel im Musentempel, und außerdem rede ich mir in solchen Momenten innerlich gut zu, um mich auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren. Selbsthypnose nennt man das wohl in Fachkreisen.
Die Erfahrung lehrt mich, dass es noch einen zweiten Typ Asthmatikergattin gibt. Den fürchte ich fast noch mehr. Diese Dame hat über Jahre Parfümflakons gesammelt, alle Arten, Douglaspröbchen und milde Apothekergaben, und hüllt sich am entscheidenden Abend in eine Wolke diverser Duftwässerchen. Ein Parfümblend wallt aus ihrer Robe. Man kann mit dem Programmheft wedeln. Sich das Taschentuch an die Nase quetschen. Es hilft alles nix - kein Entkommen. Man erlebt die Vorstellung im Zustand einer nahenden Ohnmacht. Eine olfaktorische Katastrophe. Gelingt es einem, aus dem Chanel Nr 5, Naomi-Irgendwas und 4711 – Nebel kurz aufzutauchen, hört man den Opi röcheln. Kunstgenuss hat einen hohen Preis.
Diesmal jedoch, hören und staunen Sie, war alles anders. Kein angegrauter Herr in unserer näheren Umgebung. Nur mittelalterliche Dämlichkeiten mit uns auf dem Rang. Allesamt dezent parfümiert. Noch kein Knistern zu vernehmen. Kein Reizhusten. Ich begann mich zu entspannen und lauschte der Ouvertüre. Ich lehnte mich an die Schulter des Gatten und genoss, wie Belmonte seine Konstanze aus dem Palast des Bassa befreien wollte. (Nebenbei bemerkt: Er gefiel mir nicht. Der junge „Spanier“ maß zwei Meter zehn und schlakste sehr unfeurig über die Bühne. Vollkommen unverständlich war mir außerdem, dass irgendjemand ihm ein betonfarbenes Sepplbeinkleid angehost hatte. Er erinnerte mich an Pinocchio. Burattino. Kasperletheater. Aber gut. Wenigstens hustete und knisterte niemand. Es ist nie alles beisammen, wie meine Mutter zu sagen pflegt. Man muss auch zufrieden sein können.)
Ich war es zufrieden. Der Bassa versuchte, Konstanze für sich zu gewinnen. Biss dabei auf Granit. Sie liebt den Kniebundhosenadligen nun mal. Nun gut. Soll sie. Ich verstehe es nicht.
Der Bassa schenkt ihr immerhin ein Klavier. (Und Kunst hat ihren Preis!!!)
Doch was macht er nun? Ich traue meinen Augen kaum. Er zündet das Klavier an. Es brennt lichterloh. Ich hoffe insgeheim, dass man an den Ausgängen Feuerwehrmänner postiert hat (Stichwort: Brandschutzverordnung) und sehe vorsichtig nach links und rechts. Die uns garnierenden Damen starren mit offenen Mündern und schreckensgeweiteten Augen auf die Bühne. Niemand hustet. Niemand raschelt. Gespenstische Stille. Es beginnt, nach Qualm zu stinken. Eine Sekunde lang sehne ich mich nach dem vertrauten Duft von 4711. Offenbar hat aber alles seine Ordnung. Das Klavier brennt eindrucksvoll ab. Ein Aschehaufen bleibt zurück. Die Kosten scheinen im Kartenpreis inbegriffen zu sein (Das würde das Preisniveau erklären!). Mich überfällt angesichts meiner entgeisterten Nachbarinnen der Drang zu lachen. Ich unterdrücke ein Kichern. Mühsam. Ich bin fast schon so schlimm wie der heute abwesende kranke Opa. Mein Gatte stößt mich in die Seite. Ich möge sofort damit aufhören. Was das soll, frage ich leise bei ihm an. Die Flammen seien ein Bild für die Vergänglichkeit, zischt er zurück. Aha. Und Kniebundhosen sind ein Symbol für Leidenschaft. In der Oper husten zeugt von gutem Benehmen. Völlig neue Erkenntnisse.
Auf dem Nachhauseweg philosophieren wir über den Brand in der Oper. Seine dramatische Funktion. Ich finde es albern, Klaviere abzufackeln. (Genauso albern sind nackte Opernsänger. Oder andere bemühte Arrangements, die für Skandale und steigende Besucherzahlen sorgen sollen.) Mein Mann beharrt auf seiner Erklärung. Das brennende Klavier symbolisiere die Endlichkeit unserer Existenz, die Vergänglichkeit der Liebe. Ich gebe mich geschlagen. Tage später holt mich das Bild des brennenden Instruments ein. Aber das ist eine neue Geschichte.