Scheu, ne?
Verfasst: 10.02.2007, 12:33
Nachdem der Kunde den Laden mit seinen Äpfeln verlassen hat, geht Joshua hinaus, um zu schauen, ob sie wieder da ist. Heute hat er ihr eine ungedrehte Holzkiste an die Stelle gestellt, an der sie immer sitzt. Das ist doch bequemer als auf der kalten Stufe des Hauseingangs. Sie sieht kaum zu ihm auf, spricht kein Wort, so wie immer. Sie stört nicht, fällt anderen gar nicht auf.
An dem rechten kleinen Schuh ist die Spange kaputt. Sie trägt eine graue Wollstrumpfhose und einen bunten Rock darüber. Den zieht sie ordentlich glatt und über die Knie, sobald sie sich gesetzt hat. Der Pullover, mit den zu kurz gewordenen Ärmeln ist fleckig. Aber sie hat eine Art diesen Pullover zu tragen, die einen die Flecke übersehen lassen. Das wellige schwarze Haar ist gut gebürstet und glänzt in der Sonne. Der kleine Mund ist verschlossen. Er hat sie noch nie sprechen hören. Dafür reden ihre Augen. Tiefdunkel haben sie ihn beeindruckt. Wie alt sie ist, kann Joshua nur schätzen, vielleicht sechs oder sieben.
Seit Tagen kommt sie regelmäßig, um ein paar Stunden unbeweglich an dieser Stelle zu sitzen. In Bewegung sind nur ihre Augen. Nichts entgeht ihr. Sie saugt die Welt um sich herum mit ihren Augen auf. Erst hat Joshua sie nicht weiter beachtet, aber mit jedem neuen Tag, an dem sie hier erscheint, wird sein Interesse an ihr größer. Angesprochen hat er sie bisher noch nicht, aber das will er heute nachholen.
Er spürt die Freude in sich, als er sieht, dass sie das Angebot der Holzkiste angenommen hat und das macht ihn mutiger. Er nimmt einen roten Apfel aus einer Obstkiste und reibt die Schale an seiner Schürze blank. Dann geht er auf sie zu, in der Hand den Apfel, den er ihr als Geschenk hinhält. „Möchtest du den?“, fragt er sie. Sie blickt zu ihm auf, antwortet aber nicht. Ihr Blick lächelt. Sie streckt nicht die Hand nach dem Apfel aus. Sie sieht ihn nur an. So legt Joshua den Apfel auf ihren Schoß und kniet sich vor ihr hin. So kann er ihr direkter in die Augen sehen. „Ich heiße Joshua“, verrät er ihr, „und wie heißt du?“ Es kommt keine Antwort von ihr, aber sie nimmt den Apfel in beide Hände und führt ihn zum Mund. „Verstehst du mich?“, versucht es Joshua erneut. Sie beißt als Antwort in den Apfel und kaut langsam. Ihr Blick liegt in seinem. „Du bist nicht von hier und verstehst mich wohl auch nicht“, spricht er zu ihr aber eher mit sich selbst. „Du bist wohl sehr scheu ´ne?“ Nachdem sie den ersten Bissen herunter geschluckt hat, öffnet sie lächelnd den Mund und sagt: “Scheu ´ne“. Er lacht und sie lacht vorsichtig zurück.
Der nächste Kunde reißt Joshua von ihr los und er vergisst sie für den Rest des Tages. Am nächsten Tag wartet er umsonst auf sie und auch am übernächsten. Am darauf Folgenden unterhalten sich Kunden direkt vor seinem Gemüseladen über eine Familie aus dem Haus an der Ecke. Die stammten aus Pakistan. Die hatte man von heute auf morgen ausgewiesen.
Überarbeiteter Text:
Nachdem der Kunde den Laden mit seinen Äpfeln verlassen hat, geht Joshua hinaus, um zu schauen, ob sie wieder da ist. Heute hat er ihr eine umgedrehte Holzkiste an die Stelle gestellt, an der sie jeden Tag sitzt.
Sie ist da. Sie sieht kaum zu ihm auf, spricht kein Wort, so wie immer. Sie stört nicht, fällt anderen gar nicht auf.
An dem rechten Schuh ist die Spange kaputt. Sie trägt graue Wollstrumpfhosen und einen bunten Rock darüber, den sie ordentlich glatt über die Knie gezogen hat. Der Pullover mit den zu kurz gewordenen Ärmeln ist fleckig. Aber sie hat eine Art diesen Pullover zu tragen, die einen die Flecke übersehen lassen. Die graziösen Bewegungen ihrer schlanken Hände überspielen jeden Fleck. Das klare, offene Gesicht lässt das kleine Loch auf der Schulter übersehen.
Ihr schwarzes, gut gebürstetes Haar glänzt in der Sonne. Der kleine Mund ist verschlossen. Er hat sie noch nie reden hören. Dafür sprechen ihre tiefen, dunklen Augen. Sie beeindrucken ihn. Joshua schätzt ihr Alter auf vielleicht sechs oder sieben Jahre.
Seit Tagen kommt sie regelmäßig, um ein paar Stunden unbeweglich auf der kalten Stufe des Hauseingangs zu sitzen. Nichts entgeht ihren Augen. Aufmerksam saugt sie die Welt um sich herum auf. Erst hat Joshua sie nicht weiter beachtet, aber mit jedem neuen Tag, an dem sie kommt, wird sein Interesse größer. Angesprochen hat er sie bisher noch nicht, doch heute möchte er es wagen.
Als er sieht, dass sich die Kleine auf die Holzkiste gesetzt hat, freut sich Joshua. Ermutigt nimmt einen roten Apfel aus einer Obstkiste und reibt die Schale an seiner Schürze blank. Er geht auf sie zu und hält ihr den Apfel hin. „Möchtest du den?“, fragt er sie. Sie blickt zu ihm auf, sagt jedoch nichts. Ihr Blick lächelt. Sie streckt nicht die Hand nach dem Apfel aus, sieht ihn nur an. In ihrem Blick spiegelt sich die Erfahrung eines jungen Lebens. Eines Lebens, das nicht genug Rücksicht auf sie genommen hat.
So legt Joshua den Apfel auf ihren Schoß und kniet sich vor ihr hin, schaut ihr direkt in die Augen. „Ich heiße Joshua und wie heißt du?“ Sie schweigt, nimmt aber den Apfel in beide Hände und führt ihn zum Mund. „Verstehst du mich?“, versucht es Joshua erneut. Sie beißt in den Apfel und kaut langsam. Ihre Augen glänzen dabei und blicken unentwegt auf Joshua.
„Du bist nicht von hier und verstehst mich wohl auch nicht“, spricht er eher mit sich selbst. „Du bist wohl sehr scheu ´ne?“ Nachdem sie den ersten Bissen herunter geschluckt hat, öffnet sie lächelnd den Mund und sagt: “Scheu ´ne“. Er lacht und sie lacht schüchtern zurück.
Der nächste Kunde reißt Joshua von ihr los. Als er Zeit findet um nach ihr zu sehen, ist sie verschwunden. Traurig hebt er den Rest ihres Apfels auf. Er betrachtet ihn kurz und freut sich dann darüber, dass sie nichts Essbares an ihm gelassen hat. Morgen wird er ihr wieder einen geben.
Am nächsten Tag wartet er umsonst auf sie und auch am übernächsten. Am dritten Tag unterhalten sich Kunden direkt vor seinem Gemüseladen über eine Familie aus dem Haus an der Ecke. Sie stammte aus Pakistan. Man hat sie von heute auf morgen ausgewiesen.
„Scheu ´ne“, flüstert er leise und traurig zu sich selbst.
An dem rechten kleinen Schuh ist die Spange kaputt. Sie trägt eine graue Wollstrumpfhose und einen bunten Rock darüber. Den zieht sie ordentlich glatt und über die Knie, sobald sie sich gesetzt hat. Der Pullover, mit den zu kurz gewordenen Ärmeln ist fleckig. Aber sie hat eine Art diesen Pullover zu tragen, die einen die Flecke übersehen lassen. Das wellige schwarze Haar ist gut gebürstet und glänzt in der Sonne. Der kleine Mund ist verschlossen. Er hat sie noch nie sprechen hören. Dafür reden ihre Augen. Tiefdunkel haben sie ihn beeindruckt. Wie alt sie ist, kann Joshua nur schätzen, vielleicht sechs oder sieben.
Seit Tagen kommt sie regelmäßig, um ein paar Stunden unbeweglich an dieser Stelle zu sitzen. In Bewegung sind nur ihre Augen. Nichts entgeht ihr. Sie saugt die Welt um sich herum mit ihren Augen auf. Erst hat Joshua sie nicht weiter beachtet, aber mit jedem neuen Tag, an dem sie hier erscheint, wird sein Interesse an ihr größer. Angesprochen hat er sie bisher noch nicht, aber das will er heute nachholen.
Er spürt die Freude in sich, als er sieht, dass sie das Angebot der Holzkiste angenommen hat und das macht ihn mutiger. Er nimmt einen roten Apfel aus einer Obstkiste und reibt die Schale an seiner Schürze blank. Dann geht er auf sie zu, in der Hand den Apfel, den er ihr als Geschenk hinhält. „Möchtest du den?“, fragt er sie. Sie blickt zu ihm auf, antwortet aber nicht. Ihr Blick lächelt. Sie streckt nicht die Hand nach dem Apfel aus. Sie sieht ihn nur an. So legt Joshua den Apfel auf ihren Schoß und kniet sich vor ihr hin. So kann er ihr direkter in die Augen sehen. „Ich heiße Joshua“, verrät er ihr, „und wie heißt du?“ Es kommt keine Antwort von ihr, aber sie nimmt den Apfel in beide Hände und führt ihn zum Mund. „Verstehst du mich?“, versucht es Joshua erneut. Sie beißt als Antwort in den Apfel und kaut langsam. Ihr Blick liegt in seinem. „Du bist nicht von hier und verstehst mich wohl auch nicht“, spricht er zu ihr aber eher mit sich selbst. „Du bist wohl sehr scheu ´ne?“ Nachdem sie den ersten Bissen herunter geschluckt hat, öffnet sie lächelnd den Mund und sagt: “Scheu ´ne“. Er lacht und sie lacht vorsichtig zurück.
Der nächste Kunde reißt Joshua von ihr los und er vergisst sie für den Rest des Tages. Am nächsten Tag wartet er umsonst auf sie und auch am übernächsten. Am darauf Folgenden unterhalten sich Kunden direkt vor seinem Gemüseladen über eine Familie aus dem Haus an der Ecke. Die stammten aus Pakistan. Die hatte man von heute auf morgen ausgewiesen.
Überarbeiteter Text:
Nachdem der Kunde den Laden mit seinen Äpfeln verlassen hat, geht Joshua hinaus, um zu schauen, ob sie wieder da ist. Heute hat er ihr eine umgedrehte Holzkiste an die Stelle gestellt, an der sie jeden Tag sitzt.
Sie ist da. Sie sieht kaum zu ihm auf, spricht kein Wort, so wie immer. Sie stört nicht, fällt anderen gar nicht auf.
An dem rechten Schuh ist die Spange kaputt. Sie trägt graue Wollstrumpfhosen und einen bunten Rock darüber, den sie ordentlich glatt über die Knie gezogen hat. Der Pullover mit den zu kurz gewordenen Ärmeln ist fleckig. Aber sie hat eine Art diesen Pullover zu tragen, die einen die Flecke übersehen lassen. Die graziösen Bewegungen ihrer schlanken Hände überspielen jeden Fleck. Das klare, offene Gesicht lässt das kleine Loch auf der Schulter übersehen.
Ihr schwarzes, gut gebürstetes Haar glänzt in der Sonne. Der kleine Mund ist verschlossen. Er hat sie noch nie reden hören. Dafür sprechen ihre tiefen, dunklen Augen. Sie beeindrucken ihn. Joshua schätzt ihr Alter auf vielleicht sechs oder sieben Jahre.
Seit Tagen kommt sie regelmäßig, um ein paar Stunden unbeweglich auf der kalten Stufe des Hauseingangs zu sitzen. Nichts entgeht ihren Augen. Aufmerksam saugt sie die Welt um sich herum auf. Erst hat Joshua sie nicht weiter beachtet, aber mit jedem neuen Tag, an dem sie kommt, wird sein Interesse größer. Angesprochen hat er sie bisher noch nicht, doch heute möchte er es wagen.
Als er sieht, dass sich die Kleine auf die Holzkiste gesetzt hat, freut sich Joshua. Ermutigt nimmt einen roten Apfel aus einer Obstkiste und reibt die Schale an seiner Schürze blank. Er geht auf sie zu und hält ihr den Apfel hin. „Möchtest du den?“, fragt er sie. Sie blickt zu ihm auf, sagt jedoch nichts. Ihr Blick lächelt. Sie streckt nicht die Hand nach dem Apfel aus, sieht ihn nur an. In ihrem Blick spiegelt sich die Erfahrung eines jungen Lebens. Eines Lebens, das nicht genug Rücksicht auf sie genommen hat.
So legt Joshua den Apfel auf ihren Schoß und kniet sich vor ihr hin, schaut ihr direkt in die Augen. „Ich heiße Joshua und wie heißt du?“ Sie schweigt, nimmt aber den Apfel in beide Hände und führt ihn zum Mund. „Verstehst du mich?“, versucht es Joshua erneut. Sie beißt in den Apfel und kaut langsam. Ihre Augen glänzen dabei und blicken unentwegt auf Joshua.
„Du bist nicht von hier und verstehst mich wohl auch nicht“, spricht er eher mit sich selbst. „Du bist wohl sehr scheu ´ne?“ Nachdem sie den ersten Bissen herunter geschluckt hat, öffnet sie lächelnd den Mund und sagt: “Scheu ´ne“. Er lacht und sie lacht schüchtern zurück.
Der nächste Kunde reißt Joshua von ihr los. Als er Zeit findet um nach ihr zu sehen, ist sie verschwunden. Traurig hebt er den Rest ihres Apfels auf. Er betrachtet ihn kurz und freut sich dann darüber, dass sie nichts Essbares an ihm gelassen hat. Morgen wird er ihr wieder einen geben.
Am nächsten Tag wartet er umsonst auf sie und auch am übernächsten. Am dritten Tag unterhalten sich Kunden direkt vor seinem Gemüseladen über eine Familie aus dem Haus an der Ecke. Sie stammte aus Pakistan. Man hat sie von heute auf morgen ausgewiesen.
„Scheu ´ne“, flüstert er leise und traurig zu sich selbst.