Kein Blatt vorm Mund - Mut zur Wahrheit
Verfasst: 18.10.2006, 14:10
Seit einigen Tagen blicke ich allmorgendlich an der Bushaltestelle auf das Werbeplakat einer größeren Zeitung. Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht, ist darauf zu lesen. Ein Slogan, der dem Betrachter suggerieren soll, dass dieses und gerade dieses Blatt Wahrheiten vermittelt. Ein Beispiel für eine solche Wahrheit, die eines Mutigen bedarf, wird gleich mitgeliefert: „Dein Hintern ist zu dick“. Sehr anschaulich gesagt, auch wenn hier doch wohl ein persönlicher Maßstab für die Breite von Gesäßen ausgedrückt wird, aber da will ich nicht kleinlich sein. Nur haben die Texter anscheinend vergessen, dass ein solcher Ausspruch einen anderen Mutigen gleich zur nächsten Wahrheit animiert: „Du bist ein unsensibles, taktloses Arschloch“. Das sollte doch eigentlich als passende Antwort auf dem nächsten Plakat zu lesen sein. Dort finden wir stattdessen „Mami, du kannst nicht kochen“. Auch hier werden die Mutigen des Landes die zugehörige Wahrheit parat haben: „Du bist ein verwöhntes, undankbares Drecksblag“ oder „Koch Dir deinen Fraß doch alleine, dann wirst Du sehen, wer hier wirklich nicht kochen kann“.
Es fällt einem schon auf, dass die Wahrheiten auf den Plakaten sich eher auf körperliche Eigenschaften, nicht vorhandene handwerkliche Fähigkeiten oder dem Eingestehen der Abhängigkeit von gewissen Schönheitsidealen (Mein Busen ist gemacht) beziehen. Einsichten, die zu tieferer Selbsterkenntnis führen, scheinen die Werbefachleute glatt vergessen zu haben. Irgendwie fehlen Wahrheiten wie „Du fällst auf jede billige Reklame rein“ oder „Ich bin ein strunzdoofer Macho, der Frauen nach ihrem Hintern kategoriert, äh katalogisiert - na, Sie wissen schon, was ich meine“. Wahrscheinlich wären das Wahrheiten, die die angepeilte Zielgruppe nun doch nicht so ansprechen. Stattdessen wird „Chef, Sie sind nicht witzig“ bevorzugt. Auch hier fehlt die eigentlich unvermeidliche Folgewahrheit: „Ich habe auch keinen Spaß gemacht, als ich Ihnen Ihre Entlassungspapiere gab.“
Aber ich will nicht mäkeln, die Intention der Kampagne ist doch positiv. Wahrheit wird mit Mut verknüpft, und wer will in Zeiten, in denen diese ritterliche Tugend abhanden gekommen scheint, nicht mutig sein? Natürlich möchte das jeder, also werden wir dank dieser Werbung ab sofort alle etwas ehrlicher zueinander sein. Ich für meinen Teil fühle mich jetzt regelrecht zur Verbreitung der Wahrheit berufen und möchte mutig aussprechen: „Du bist ein schwanzgesteuerter Wicht, der die Nacktfotos in gewissen größeren Zeitungen sabbernd anstarrt“. Dem Angesprochenen gebe ich gleich die nächste Einsicht mit auf den Weg: „Armer Naivling, wenn du glaubst, eine der fotografierten Schönheiten würde dich auch nur in ihre Nähe, geschweige denn sich von deinen vollgewichsten Wurstfingern anfassen lassen“. Wow, eine Wahrheit jagt die nächste: „Ich werfe mit platten Oberflächlichkeiten und von bestimmten Medien geformten, unreflektierten Meinungen nur so um mich“. Und welcher Held spricht dieses endlich aus: „Nichts ist destruktiver als billige Sensationsheischerei“. Mutig auch, wer sich eingesteht: „Ich bin eine Hohlbirne, die nur Zeitungen mit Schlagzeilen in extrem großer Schrift liest, damit meine Synapsen nicht überlastet werden.“
Haben meine Wahrheiten Ihnen zu einer Einsicht verholfen? Freut mich, Sie brauchen mir nicht zu danken, ich helfe, wo immer ich kann. Bin halt nur ein Mutiger, der drauflos geplappert hat.
Es fällt einem schon auf, dass die Wahrheiten auf den Plakaten sich eher auf körperliche Eigenschaften, nicht vorhandene handwerkliche Fähigkeiten oder dem Eingestehen der Abhängigkeit von gewissen Schönheitsidealen (Mein Busen ist gemacht) beziehen. Einsichten, die zu tieferer Selbsterkenntnis führen, scheinen die Werbefachleute glatt vergessen zu haben. Irgendwie fehlen Wahrheiten wie „Du fällst auf jede billige Reklame rein“ oder „Ich bin ein strunzdoofer Macho, der Frauen nach ihrem Hintern kategoriert, äh katalogisiert - na, Sie wissen schon, was ich meine“. Wahrscheinlich wären das Wahrheiten, die die angepeilte Zielgruppe nun doch nicht so ansprechen. Stattdessen wird „Chef, Sie sind nicht witzig“ bevorzugt. Auch hier fehlt die eigentlich unvermeidliche Folgewahrheit: „Ich habe auch keinen Spaß gemacht, als ich Ihnen Ihre Entlassungspapiere gab.“
Aber ich will nicht mäkeln, die Intention der Kampagne ist doch positiv. Wahrheit wird mit Mut verknüpft, und wer will in Zeiten, in denen diese ritterliche Tugend abhanden gekommen scheint, nicht mutig sein? Natürlich möchte das jeder, also werden wir dank dieser Werbung ab sofort alle etwas ehrlicher zueinander sein. Ich für meinen Teil fühle mich jetzt regelrecht zur Verbreitung der Wahrheit berufen und möchte mutig aussprechen: „Du bist ein schwanzgesteuerter Wicht, der die Nacktfotos in gewissen größeren Zeitungen sabbernd anstarrt“. Dem Angesprochenen gebe ich gleich die nächste Einsicht mit auf den Weg: „Armer Naivling, wenn du glaubst, eine der fotografierten Schönheiten würde dich auch nur in ihre Nähe, geschweige denn sich von deinen vollgewichsten Wurstfingern anfassen lassen“. Wow, eine Wahrheit jagt die nächste: „Ich werfe mit platten Oberflächlichkeiten und von bestimmten Medien geformten, unreflektierten Meinungen nur so um mich“. Und welcher Held spricht dieses endlich aus: „Nichts ist destruktiver als billige Sensationsheischerei“. Mutig auch, wer sich eingesteht: „Ich bin eine Hohlbirne, die nur Zeitungen mit Schlagzeilen in extrem großer Schrift liest, damit meine Synapsen nicht überlastet werden.“
Haben meine Wahrheiten Ihnen zu einer Einsicht verholfen? Freut mich, Sie brauchen mir nicht zu danken, ich helfe, wo immer ich kann. Bin halt nur ein Mutiger, der drauflos geplappert hat.