Blätter zur Berufskunde IV - Die Fink-Geschichten - Akt I

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 26.09.2006, 03:12

Blätter zur Berufskunde IV

Die Fink-Geschichten
Eine Heimwerker-Mansarde in 18 Akten
Akt I


[align=justify]Dem Innenarchitekten geht es schlecht. Er darbt. Es ist Winter, die Heizung rumpelt. Natürlich rumpelt sie. Die Erdgastherme ist ja auch mittels Austausch-Brennersatzes und Camping-Druckminderer höchst illegal auf Propangas umgerüstet. Das ständige Umschließen der Gasflaschen bringt jedes Mal Luft in die Leitung. Das rumpelt.
Den Bezirksschornsteinfegermeister Müller konnte er besänftigen und von der alljährlichen Abgasmessung seiner Therme abhalten, als er ihm im Hauptkeller das abgeschnittene und von den Stadtwerken versiegelte Gasrohr zeigte, welches früher einmal lauschig warmes Erdgas zu seinem Gehäuse hinten auf dem Hof führte.

"Wie heizt du denn jetzt?", kumpelte Müller ihn an.
"Na, mit Propan halt", ließ er den guten Mann im Glauben, er betreibe Katalytöfen oder ähnliches damit.
"Mann, du bist doch vom Fach, das musst du doch wissen, dass da Stickoxyde entstehen; wenn du dabei einschläfst, wirst du am nächsten Morgen nicht mehr wach."
"Ich weiß, ich lüfte ständig, damit's wieder schön kühl wird, und nachts ist hier alles aus, keine Sorge."
"Mannmannmann", müllerte Müller.
"Ja was, soll ich erfrieren, oder wie?" fragte der Innenarchitekt.
Das war eine gute Frage.

Bei diesen argen Minus-Temperaturen, dem großen Büro und der schlechten Wärmedämmung des Hauses bedeutet das Heizen mit Flüssiggasen: Jeden Tag eine Pulle. Elf Kilo. Mit dem Fahrrad. Elfneunundvierzig das Stück.
Man kommt erstmal nassgeschwitzt und hyperventilierend von der Strampelei nach Hause, schließt die neue Gasflasche an, lässt sie zwei Stunden ballern – die mittlere Raumtemperatur beträgt dann immerhin schon satte 14 Grad – und stellt die Anlage nach zwei Stunden wieder ab, weil die Flasche bis zur Hälfte eingefroren ist. Eine 18-KW-Anlage saugt ganz ordentlich. Vom ständigen Abtauen der Flasche bilden sich schon Rostränder auf dem Küchenteppich.
Irgendwann gegen Nachmittag wirds dann kuschelig warm im Haus, jetzt schon 16 bis 18 Grad. Die Lammfellweste kann er jetzt ausziehen, Norweger und Thermo-Jogger mit der Schiesser-Feinrippunterwäsche - Langarmhemd und Strumpfhose - genügen völlig.

Der Innenarchitekt, der einst auch mal Tischler war und ein bisschen Steinmetz gelernt hat, der hier und da eine Wand verputzen kann, gelegentlich ein bisschen mauert, dann wieder verglast oder bemalt, kontrolliert online seinen Kontostand. Minus 1958 bei 2000 Dispo. 42 Euro also frei zum Verprassen. Das reicht gerade für einen Kühlschrank voll. Ein Auftrag wäre jetzt gut. Irgendeiner. Seinetwegen auch wieder Trockenbau, Dachdämmung, irgendwas, egal; irgendwas, was schnell Geld bringt.

Beim Kacken fällt der Blick in den Anzeigenteil des 'Wochanzeiger Duisburg-Nord'. "Man sollte mal unkonventionelle Wege gehen", denkt er sich und wischt sich ab. Das Käseblatt, das erbarmungslos verteilt wird, auch wenn man 'Bitte keine Werbung' auf dem Postkasten stehen hat. Die halten das für Journalismus. Ernsthaft. Aber kein Artikel ohne Grammatik- oder Rechtschreibfehler. Er hatte sich dort schon als Lektor beworben. Sie hatten ihn aber nicht gewollt.[/align]
Tischler, Lehm- und Ökobauer,
Möbel-und Objektgestalter,
Baukünstler su. Job,
freiberufl. o. angest.
DU 4451999


[align=justify]Das mit dem 'Ököbauer' war ihm zu spät aufgefallen. Ein Semantik-Fehler. Mit Tomaten und Sellerie im eigenen Garten – in welchem Garten ? – hatte er es nicht so. Er hatte Öko-Bau gemeint. Trotzdem blinkte abends das Lämpchen des Anrufbeantworters:
"Hallo, hier ist Frau Fink. Ich habe ihre Anzeige gelesen. Ich suche jemanden, der mir ein paar Bilder aufhängt, und verschiedene Schreinerarbeiten machen kann. Da wären so Deckenbalken zu montieren, und Regale aufzuhängen...Ich bitte um Rückruf...."
murmelte es, wie von Termiten.

Bilder aufhängen? Regale?
Dem Innenarchitekten wurde schwarz vor Augen.
Er atmete tief ein.

"Ja hallo, Müller Baukunst hier. Sie hatten sich auf meine Anzeige gemeldet?"[/align]
...

Fortsetzungen folgen
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 02.10.2006, 23:36, insgesamt 9-mal geändert.
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 26.09.2006, 03:38

Hallo Schreiber.

Es handelt sich hier fürwahr um eine Fortsetzung alter Studiumsgeschichten, die ums Thema in der Überschrift ranken, und den Beginn des Unglaublichen Bautagebuchs in 18 Akten. Die meisten dieser Akte habe ich schon erlebt und muss sie nur noch eben niederschreiben in den nächsten drei Jahren.

Also bitte keinen Druck bzgl. der Fortsetzung auf den jungen, empfindsamen Autoren ausüben.
:o)

Sagt mal an, was ihr nur ganz oberflächlich vom Stil bzw. der Erzählweise haltet. Ausgefeilt ist's noch nicht, werkstattreif aber irgendwie auch nicht mehr...ich kann nur versprechen, dass da wirklich sagenhafte Ereignisse auf uns einströmen, deren intersensorische Tragweite uns noch in keiner Weise vorstellbar ist. Oder so.


Tom.
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 30.09.2006, 13:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.09.2006, 16:56

Moin Tom!

hier mein erster Eindruck:

Salopp, flott geschrieben. Man bleibt am Ball. Sogar Wortwiederholungen wie

Es ist Winter, die Heizung rumpelt. Natürlich rumpelt sie.

sind hier richtig, es braucht sie sogar für den Schreibfluss. Kleine nette humorvolle Einlagen, bei denen man wirklich schmunzelt und ne Pointe am Schluss. Gelungen:-)))

Anregungen:
Ich würde dem Protag einen Namen geben, damit man sich als Leser mehr mit ihm identifiziert.

Achte darauf, dass du nicht zuviel Fachjargon verwendest, du bist ja vom Fach, deshalb ist es für dich selbstverständlich und fällt dir wahrscheinlich gar nicht weiter auf. Schreibe so, dass es auch ein Fach-Unkundiger versteht. Also, hier versteht man es schon, dies nur als Hinweis für die weiteren Forsetzungen;-)
Saludos
Magic

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 28.09.2006, 17:27

Hi magic. Jo, danke erstmal.

Der Protag hat doch einen Namen: er stellt sich am Ende als 'Müller Baukunst' (in Analogie zu meinem wirklichen Firmennamen) vor, heißt also genau wie der Schornsteigerfegermeister Müller, der vorher da rummüllert.

Naja, mit dem Fachjargon: Also es wird schon ums Bauen und handwerkliche Tätigkeiten gehen. Wenn jemand so gar nicht werkelt, wird er an einigen Stellen nicht lachen können. Für versierte Heimwerker oder Profis wirds wohl nachzuvollziehen und vermutlich zumBrüllen sein. Zuviel Rücksicht kann ich nicht nehmen, dann ist der Gag weg. ich werde aber versuchen, die Komik aus den Situationen zu entwickeln und nicht so sehr aus dem Chinesisch.

Richtig spannend wirds aber erst, wenn sich der Psychologe aus dem Off meldet (in kursiv) und die Verhaltensweisen der Kundin analysiert. Es wird also ein Gemeinschaftsprojekt, wenn alles wie geplant läuft. Auch dort werden einige Grundkenntnisse der Psychoanalyse hilfreich sein.

Der Leser darf sich ruhig mal selbst bemühen, etwas Unbekanntes herauszufinden.

In diesem Sinne,

Tischler Tom.
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.09.2006, 19:03

Hi Tom,

ja, ich wollte auch schreiben, "von Anfang an einen Namen geben". Und das das zwei Müllers sind, hab ich erst beim zweiten Lesen geschnallt :-), aber ich habs kapiert *lach*.

Jou, mit dem Fachjaggong *g*, klar, das muss schon rein (vielleicht werden wir hier dann alle Experten, ha,ha), aber, ich sehs wie du, die Komik aus der Situation entwickeln, Slapstick sozusagen, genau! Das ist sowieso der beste Humor. Da liegt man dann unterm Tisch vor Lachen :-)

Mit dem Pychologen aus dem Off, na da bin ich aber gespannt, du! (Grundkenntnisse der Psychoanalyse hab ich, da kann also schon ma nix schiefgehen bei mir*g*)
Saludos
Magic mit den zwei linken Händen, was Tischlern anbelangt ;-)

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 28.09.2006, 19:50

Lieber Thomas,

eine schöne Geschichte zum Schmunzeln. Handwerk hat einen goldenen Boden, man merkt's.

Vor dem Wort Kontostand hast Du ein "n" vergessen, welches Du noch einfügen könntest. Ansonsten sind die Baukünstler den Damen und Herren des Käseblattes wohl in Sachen Schreibweise deutlich überlegen.

Dein Fachjargon stört mich nicht. Es klingt sehr kompetent und richtig. Man glaubt dem Protagonisten, dass er nicht aus Unwissenheit darben muss.

Grüße

Paul Ost

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 30.09.2006, 05:30

Hi Paul.

Danke für das 'n', und noch danker für deinen Kommentar.

Du hast recht: An der Fachkompetenz des Protagonisten liegts nicht. Mehr so an der mangelnden Werbedynamik.

Doch besinnen wir uns: Wäre er reich und schön - schröbe er dann sowas?

Nö.

Tom.
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Gast

Beitragvon Gast » 30.09.2006, 11:37

Lieber Tom,

... was das Leben schreibt... tja und das ist manchmal entschieden mehr als man sich ausdenken kann...

Gut geschrieben, keine Romantisierung, sondern die Fakten klar formuliert und auf den Tisch, die Person des Protagonisten lässt du reflektieren, ja ein wenig ironiseiren, typisch Tom, wage ich jetzt einfach mal zu schreiben...
Ich habe keinerlei Verständnisproblem weder mit Fakten noch mit Fachtermini (Wo sind die denn?)
oder auch mit den handelnden Personen.

Eins möchte ich anmäkeln: Man ist nass geschwitzt vom Fahrradtransport, stimmt nicht, sondern vom Transport mit dem Fahrrad

Alles bestens, ich bin gespannt auf weitere "Episoden", hoffe dass dein Protagonist es diesen Winter bequemer und wärmer hat, sonst sag bitte Bescheid, dann bringe ich am 2. 11. ne Flasche Gas mit. ...und ... ich werde aber nicht drängeln.

Schönes Wochenende Herr Müller...äh... Tom ;-)
Gerda

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Beitragvon Thomas Milser » 30.09.2006, 13:15

Hi Gerda.

Keine Sorge, der ProtagoTom hat wieder eine vollwertige und funktionierende Zentralheizung. Ein Fläschchen kannst du natürlich trotzdem gerne mitbringen; es gibt ja auch alternative - gewissermaßen innerliche - Energieträger, die als Zusatzheizung immer noch beste Dienste leisten. Elf Kilo hielte ich aber für übertrieben... :o)))

Mit dem Fahrrad hast du natürlich voll recht. Der ganze Satz ist doppelkacke. Ich habe ihn mal gegen was eleganteres ausgetauscht. Wird öfter passieren, dass ich Textstellen ändere, weil die Episoden noch recht jungfräulich sind und dementsprechend noch gefeilt werden müssen.
Ich nehme mir aber das Recht heraus, nicht jede Stelle zu kennzeichnen. Work in progress.

Für weitere Anregungen und Korrekturen bin ich sehr dankbar. Insbesondere die Zeitensprünge sind mir noch nicht so ganz klar. Liegt aber daran, dass es die Einleitung ist mit etlichen Rückblicken. Im fortlaufenden Text werde ich mich für eine einzige Zeit entscheiden.

Dank an Frau Müller,
Tom Müller.
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steyk

Beitragvon steyk » 02.10.2006, 15:40

Hallo Tom,

schmunzelnd gelesen und ohne
den Hauch von sich im Hinterkopf
bemerkbarmachenden Mäkeleinen
auch schmunzelnd beendet !

Gruß
Stefan

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Beitragvon Thomas Milser » 02.10.2006, 23:28

Hi Stefan,
Ein wunderbarer Kommentar...

ich danke dir,

und willkommen daheim!!!
Schön, von dir zu lesen, alter Sack...

Tom.
:o]
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Beitragvon Thomas Milser » 02.10.2006, 23:45

Nochma zu Magic:

Den Psychologen gibts wirklich...er ist sogar angemeldet in Forum, und verfolgt das Geschehen aus dem Off. Von wo er zu sprechen beginnen wird.... in kursiv...

Geduld...

Tom.
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.10.2006, 23:51

Im Ernst Tom?
Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilfe! :mrgreen:

Hey: dann soll er mal aus dem Off eine Analyse über uns hier erstellen, hö, hö, nöö, lieber nicht, auweia
:eek:

verschreckte Magic *kicher*
P.S. Ich hätte hier jetzt was zu meiner persönlichen Erfahrung mit Psychologen bzw. denen mit mir *teuflisch grins* geschrieben, aber das lass ich lieber ;-)

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Beitragvon Thomas Milser » 02.10.2006, 23:55

Für euch alle bieten wir die Analyse für kleines Geld an... für Fau Fink ist's umsonst...posthum...
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