Frau Schrömpel kriegt die Krise
Verfasst: 06.04.2021, 08:08
Erster Lockdown:
In Zeiten wie diesen bete ich jeden Tag, bevor ich online gehe: Lieber Gott, gib mir die Kraft, jede Dramödie des Tages anzuschauen, die sich mir zur Ansicht aufdrängt. Hashtag: der heißeste Scheiß zu Corona.
Berufsnarzissten, die mir im Internet auf den Senkel gehen, weil sie diese Pandemie als eine witzige, neue Challenge missverstehen wollen und aus einem akuten Aufmerksamkeitsdefizit heraus stündlich Podcasts aus irgendeinem Promi-Wohnzimmer senden. Angeblich, um mich in diesen schweren Zeiten zu „unterhalten“. Für mich wäre es gar nicht schlimm, wochen- und monatelang nichts mehr von bestimmten A-Z-Promis zu hören oder zu sehen. Ich würde es sogar außerordentlich genießen. Wenn Marco Schreyl am Nachmittag im TV nicht fragen würde: „Und wie kriegen Sie geholfen?“
Doch Podcast geht immer. Leider. Ich finde: In Krisenzeiten sollte man nicht jeden Mist teilen - nur das Klopapier.
In den ersten Wochen als „Risikogruppe“ war ich im Rahmen meiner Möglichkeiten engagiert besorgt. Morgens, gleich nach dem Aufwachen, habe ich, im Bett liegend, sofort die Nachrichten gehört: Ob es überhaupt noch lohnt, meine Kompressionsstrümpfe anzuziehen …
Tagsüber war ich dann recht umtriebig: Mit exzessivem Frühjahrsputz und manischem Schränke aufräumen. Sämtliche glatten Oberflächen, die sich finden ließen, habe ich Türkis angestrichen. Nachdem alle Wollreste weggestickt waren, die ich im Keller und Dachboden finden konnte. Und erst, nachdem ich alle Neuerwerbungen an Literatur durchgelesen hatte, die sich im Bücherregal stapelten. Nachdem alles kreativ bemalt, umdekoriert, neu arrangiert war, was sich nicht wehren konnte, habe ich sämtliche Rezeptvorschläge von TV-Starköchen nachgekocht …
Zweiter Lockdown:
Es soll Leute geben, die immer noch Hamsterkäufe machen. Ist mir unbegreiflich. Ich würde davon Verdauungsprobleme kriegen: Montags Hamsterfondue, dienstags Hamsterbouletten, mittwochs Hamstereintopf … und am Sonntag Hamsterrouladen? Lieber esse ich vier Wochen lang Möhreneintopf.
Ich habe die Haare schon wieder nicht schön. Was ich auf dem Kopf trage ist schon lange keine Frisur mehr, sondern ein Schrei nach dem Coiffeur. Allein deshalb ist Zuhause bleiben angesagt.
Es ist ja nicht so, dass ich Hausarrest nicht kenne – aber als Kind hatte ich mir den auch redlich verdient, indem ich etliches angestellt hatte, was verboten war. Heute bin ich eine von Millionen, die zum zweiten Mal über Wochen Stubenarrest bekommen hat. Schon wieder muss ich komatös auf dem Sofa abhängen und die Zimmerdecke anstarren – obwohl ich ursächlich nix Schlimmes angestellt habe. Das zermürbt. Ich führe ein Leben wie die Amish-People: Keine Disco, keine Kneipen, kein Shoppen, kein Poppen … Ich schneide mir die Haare selbst und stricke Westen, Stirnbänder, Socken … für mich und die Familie. Meine Hautcremes rühre ich auch wieder selber zusammen. Meine Nachtcreme könnte ich mir auch aufs Brot schmieren – falls hier noch alles dichtgemacht wird. Ich denke ernsthaft über die Aufzucht von Cannabis im Heizungskeller nach, damit ich hier wenigstens ein bisschen Spaß habe.
Ich mache mir große Sorgen, dass es bald zu spät sein könnte, nochmal ordentlich über die Stränge zu hauen, bevor man mir einen Zettel an den Zeh hängt und mich in einen Kühlcontainer schiebt.
Daher habe ich mir vorgenommen: Sollte diese Sozialquarantäne schon wieder in Verlängerung gehen, dann mache ich es mir so gemütlich wie möglich: Corona verträgt keinen Alkohol. Ich schon. Mein Sundowner besteht aus einem Drittel Wodka und zwei Drittel Multi-Vitaminsaft. Ich nenne ihn zärtlich meinen "Quarantänie“.
Zur weiteren Stimmungsaufhellung habe ich mir im Internet einen Erreger bestellt. Gestern kam das Päckchen, diskret verpackt, mit der Post. Leider hat es sich unser Postbote bei der Zustellung nicht nehmen lassen, laut im Treppenhaus zu singen:
... und es rappelt in der Kiste
und es rappelt im Karton
Ton Ton Ton …
Zeitgleich sprangen sämtliche Türen bei meinen Nachbarn auf, weil jeder dachte, das Paket sei für ihn. Nun mutmaßen alle, dass ich in der Quarantäne keineswegs vereinsame und verdorre, sondern Claudia-Obert-like, mit Sex & Drugs & Rock`n Roll beschäftigt bin:
I can't get no desinfaction
I can't get no desinfaction
'Cause I try, and I try, and I try, and I try
I can't get no, I can't get no …
Hey, hey hey …
Mein glutäugiger Nachbar aus Kaffeeland kümmert sich rührend um mich. Er ist sehr tolerant gegenüber deutschen Nachbarn, die durch die Isolationshaft zum Exkremismus neigen. Und er scheint gewisse Kontakte zu haben. Zur Klopapier-Mafia. Gestern Abend hat er mir einen Zettel unter der Tür durchgeschoben: Kukstdu morgen ALDI: komt gans frisch Liefarung Klopapia. Gruß, Osman!
Gegen sechs Uhr in der Früh hetze ich im Beschaffungsmodus los und mache Beute. Dafür werde ich mich bei Osman gebührend erkenntlich zu zeigen.
Ich stelle mir das in etwa so vor: Wenn er an meiner Tür klingelt und fragt, ob ich noch was brauche, ziehe ich ihn in radikaler Akzeptanz in meine Wohnung: „Schön, dass wir zwei so eine gute Nachbarschaft pflegen: Du kannst mir gleich mal den Rücken eincremen!“
Wenn er sich aus dem Staub machen will, werde ich milde lächeln wie Desiree Nick und flöten: „Ausgangssperre, Darling. Du kommst hier nich` wech!“
Ich finde: Quarantäne ist doch mal eine schöne Gelegenheit, im Bett zu frühstücken. Mit dem Nachbarn …
Im Ranking geht `s mir in der erneuten Sozialquarantäne gerade so kurz vor krass. Das Einzige, was ich in diesen Zeiten wirklich fürchte, ist durch Corona oder irgendwelche Nebenwirkungen der Impfung wieder ins Krankenhaus zu kommen. Mein letzter Aufenthalt dort war sehr … speziell.
Als ich nach der Narkose aufgewacht bin, dachte ich, ich sei tot. Weil an meinem Bett ein weißgekleidetes Mädchen stand.
Doch es hat mich angelächelt und gesagt: „Hallo, Frau Schrömpel. Haben Sie gut geschlafen? Ich bin Lernschwester Cindy und darf Ihnen jetzt einen Katheter legen. Ich bin etwas aufgeregt, es ist mein erstes Mal …“
Weiter ist sie nicht gekommen. Ich habe so laut angefangen zu beten, dass der Stationsarzt angerannt kam. Der war zwar auch beunruhigend jung, aber hat sein Bestes gegeben, mich zu beruhigen.
Aber ich habe gesagt:" Doktorchen: Ich habe keinen Morbus Bahlsen (einen an der Waffel). Rollen Sie ab mit Ihrer Gerätschaft. Bei mir wird nicht in Körperöffnungen herumgewerkelt, in die niemals die Sonne hineinscheint - jedenfalls nicht ohne Gegenwehr. Falls Sie mich mit einer Beruhigungsspritze abschießen wollen – damit ich mich hinterher high, entwürdigt und gedemütigt auf meiner Bettstatt wiederfinde und nur noch lallen kann: „Das finnichnichgut …!“, vergessen Sie` s einfach! Und falls ich mal beatmet werden möchte, dann von George Clooney!“
In Zeiten wie diesen bete ich jeden Tag, bevor ich online gehe: Lieber Gott, gib mir die Kraft, jede Dramödie des Tages anzuschauen, die sich mir zur Ansicht aufdrängt. Hashtag: der heißeste Scheiß zu Corona.
Berufsnarzissten, die mir im Internet auf den Senkel gehen, weil sie diese Pandemie als eine witzige, neue Challenge missverstehen wollen und aus einem akuten Aufmerksamkeitsdefizit heraus stündlich Podcasts aus irgendeinem Promi-Wohnzimmer senden. Angeblich, um mich in diesen schweren Zeiten zu „unterhalten“. Für mich wäre es gar nicht schlimm, wochen- und monatelang nichts mehr von bestimmten A-Z-Promis zu hören oder zu sehen. Ich würde es sogar außerordentlich genießen. Wenn Marco Schreyl am Nachmittag im TV nicht fragen würde: „Und wie kriegen Sie geholfen?“
Doch Podcast geht immer. Leider. Ich finde: In Krisenzeiten sollte man nicht jeden Mist teilen - nur das Klopapier.
In den ersten Wochen als „Risikogruppe“ war ich im Rahmen meiner Möglichkeiten engagiert besorgt. Morgens, gleich nach dem Aufwachen, habe ich, im Bett liegend, sofort die Nachrichten gehört: Ob es überhaupt noch lohnt, meine Kompressionsstrümpfe anzuziehen …
Tagsüber war ich dann recht umtriebig: Mit exzessivem Frühjahrsputz und manischem Schränke aufräumen. Sämtliche glatten Oberflächen, die sich finden ließen, habe ich Türkis angestrichen. Nachdem alle Wollreste weggestickt waren, die ich im Keller und Dachboden finden konnte. Und erst, nachdem ich alle Neuerwerbungen an Literatur durchgelesen hatte, die sich im Bücherregal stapelten. Nachdem alles kreativ bemalt, umdekoriert, neu arrangiert war, was sich nicht wehren konnte, habe ich sämtliche Rezeptvorschläge von TV-Starköchen nachgekocht …
Zweiter Lockdown:
Es soll Leute geben, die immer noch Hamsterkäufe machen. Ist mir unbegreiflich. Ich würde davon Verdauungsprobleme kriegen: Montags Hamsterfondue, dienstags Hamsterbouletten, mittwochs Hamstereintopf … und am Sonntag Hamsterrouladen? Lieber esse ich vier Wochen lang Möhreneintopf.
Ich habe die Haare schon wieder nicht schön. Was ich auf dem Kopf trage ist schon lange keine Frisur mehr, sondern ein Schrei nach dem Coiffeur. Allein deshalb ist Zuhause bleiben angesagt.
Es ist ja nicht so, dass ich Hausarrest nicht kenne – aber als Kind hatte ich mir den auch redlich verdient, indem ich etliches angestellt hatte, was verboten war. Heute bin ich eine von Millionen, die zum zweiten Mal über Wochen Stubenarrest bekommen hat. Schon wieder muss ich komatös auf dem Sofa abhängen und die Zimmerdecke anstarren – obwohl ich ursächlich nix Schlimmes angestellt habe. Das zermürbt. Ich führe ein Leben wie die Amish-People: Keine Disco, keine Kneipen, kein Shoppen, kein Poppen … Ich schneide mir die Haare selbst und stricke Westen, Stirnbänder, Socken … für mich und die Familie. Meine Hautcremes rühre ich auch wieder selber zusammen. Meine Nachtcreme könnte ich mir auch aufs Brot schmieren – falls hier noch alles dichtgemacht wird. Ich denke ernsthaft über die Aufzucht von Cannabis im Heizungskeller nach, damit ich hier wenigstens ein bisschen Spaß habe.
Ich mache mir große Sorgen, dass es bald zu spät sein könnte, nochmal ordentlich über die Stränge zu hauen, bevor man mir einen Zettel an den Zeh hängt und mich in einen Kühlcontainer schiebt.
Daher habe ich mir vorgenommen: Sollte diese Sozialquarantäne schon wieder in Verlängerung gehen, dann mache ich es mir so gemütlich wie möglich: Corona verträgt keinen Alkohol. Ich schon. Mein Sundowner besteht aus einem Drittel Wodka und zwei Drittel Multi-Vitaminsaft. Ich nenne ihn zärtlich meinen "Quarantänie“.
Zur weiteren Stimmungsaufhellung habe ich mir im Internet einen Erreger bestellt. Gestern kam das Päckchen, diskret verpackt, mit der Post. Leider hat es sich unser Postbote bei der Zustellung nicht nehmen lassen, laut im Treppenhaus zu singen:
... und es rappelt in der Kiste
und es rappelt im Karton
Ton Ton Ton …
Zeitgleich sprangen sämtliche Türen bei meinen Nachbarn auf, weil jeder dachte, das Paket sei für ihn. Nun mutmaßen alle, dass ich in der Quarantäne keineswegs vereinsame und verdorre, sondern Claudia-Obert-like, mit Sex & Drugs & Rock`n Roll beschäftigt bin:
I can't get no desinfaction
I can't get no desinfaction
'Cause I try, and I try, and I try, and I try
I can't get no, I can't get no …
Hey, hey hey …
Mein glutäugiger Nachbar aus Kaffeeland kümmert sich rührend um mich. Er ist sehr tolerant gegenüber deutschen Nachbarn, die durch die Isolationshaft zum Exkremismus neigen. Und er scheint gewisse Kontakte zu haben. Zur Klopapier-Mafia. Gestern Abend hat er mir einen Zettel unter der Tür durchgeschoben: Kukstdu morgen ALDI: komt gans frisch Liefarung Klopapia. Gruß, Osman!
Gegen sechs Uhr in der Früh hetze ich im Beschaffungsmodus los und mache Beute. Dafür werde ich mich bei Osman gebührend erkenntlich zu zeigen.
Ich stelle mir das in etwa so vor: Wenn er an meiner Tür klingelt und fragt, ob ich noch was brauche, ziehe ich ihn in radikaler Akzeptanz in meine Wohnung: „Schön, dass wir zwei so eine gute Nachbarschaft pflegen: Du kannst mir gleich mal den Rücken eincremen!“
Wenn er sich aus dem Staub machen will, werde ich milde lächeln wie Desiree Nick und flöten: „Ausgangssperre, Darling. Du kommst hier nich` wech!“
Ich finde: Quarantäne ist doch mal eine schöne Gelegenheit, im Bett zu frühstücken. Mit dem Nachbarn …
Im Ranking geht `s mir in der erneuten Sozialquarantäne gerade so kurz vor krass. Das Einzige, was ich in diesen Zeiten wirklich fürchte, ist durch Corona oder irgendwelche Nebenwirkungen der Impfung wieder ins Krankenhaus zu kommen. Mein letzter Aufenthalt dort war sehr … speziell.
Als ich nach der Narkose aufgewacht bin, dachte ich, ich sei tot. Weil an meinem Bett ein weißgekleidetes Mädchen stand.
Doch es hat mich angelächelt und gesagt: „Hallo, Frau Schrömpel. Haben Sie gut geschlafen? Ich bin Lernschwester Cindy und darf Ihnen jetzt einen Katheter legen. Ich bin etwas aufgeregt, es ist mein erstes Mal …“
Weiter ist sie nicht gekommen. Ich habe so laut angefangen zu beten, dass der Stationsarzt angerannt kam. Der war zwar auch beunruhigend jung, aber hat sein Bestes gegeben, mich zu beruhigen.
Aber ich habe gesagt:" Doktorchen: Ich habe keinen Morbus Bahlsen (einen an der Waffel). Rollen Sie ab mit Ihrer Gerätschaft. Bei mir wird nicht in Körperöffnungen herumgewerkelt, in die niemals die Sonne hineinscheint - jedenfalls nicht ohne Gegenwehr. Falls Sie mich mit einer Beruhigungsspritze abschießen wollen – damit ich mich hinterher high, entwürdigt und gedemütigt auf meiner Bettstatt wiederfinde und nur noch lallen kann: „Das finnichnichgut …!“, vergessen Sie` s einfach! Und falls ich mal beatmet werden möchte, dann von George Clooney!“