Zeit 2

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 05.09.2016, 13:23

… die Zeit ging vorbei, blieb stehen, sah aber dann, dass die Vergangenheit bereits dort gewesen war…

… es klingelt an der Tür, ich gehe, öffne sie. Stumm steht sie da, blickt mich an. Was willst du, herrsche ich sie an. Sie antwortet nicht. Blickt mich weiterhin an, schweigend, schließlich geht sie an mir vorbei in das Zimmer.

Ich schließe die Tür, gehe hinter ihr in das Zimmer zurück.
Kalt blicke ich sie an, Zorn lodert in mir, Trotz, Wut, was will sie nun jetzt noch? Was soll ich mit dir, schreie ich in stummer Not. Der Schrei verhallt ungehört in meiner Seele.

Immer wenn ich dich brauchte, musste ich ohne dich auskommen. Endlos drehte sich das Rad immer weiter, rannte ich gar hinter dir her? Um dich zu fangen, um endlich inne halten zu können? Und sei es nur zum Weinen… Zeit für Trauer, Zeit für Glück, Zeit für Leben? Hast du mir das gegeben? Jemals?

Wirst du mir nun endlich antworten? Bist du darum hier? Willst du geben oder nehmen?
In hilfloser, resignierter Geste strecke ich meine Hände nach ihr aus.
Überraschender Weise nimmt sie meine Hände in ihre…
Schmal und schwach liegen sie in ihren starken Händen. Weißt du noch damals auf der Autobahn? Leise und stockend kommen meine Worte.

Ich bat dich so sehr, inne zuhalten. Bleibt stehen,- Zeit,- rief ich,- flehte ich, während mein Fuß das Gaspedal durchtrat, der schwere Wagen beschleunigte auf Höchstgeschwindigkeit. Die Tachonadel wanderte zum rechten Rand, in steter Geschwindigkeit.

Kein Handel den du eingegangen wärst, du warst da und auch nicht. Ich fuhr endlos, ein Rennen gegen dich. Und doch wusste ich nicht einmal das wir kämpften. Meine Stimme wird immer leiser, weißt du noch, flüstere ich nun.

Ich kam an, sah das du dort gewesen warst. Wen traf ich denn? Eine Träne, einsam und kalt rollt meine Wange hinab,- was hast du dort gelassen?
Nichts weiter als die zukünftige Vergangenheit….

Karoline

Wolfgang

Beitragvon Wolfgang » 20.09.2016, 16:45

Hallo!

Die Zeit wird nicht beschrieben. In einem ähnlichen Text habe ich die Zeit als alten Mann auftreten lassen. (Es muss ja nicht immer ein Gärtner mit Sense sein!)

Als ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte, dachte ich an das Sprichwort: Die Zeit dreht sich im Kreis. Der Text fängt mit der Vergangenheit an und hört mit ihr auf. Das kann man als einen Kreis bezeichnen. Die Zeit ist die zukünftige Vergangenheit, das stimmt. Muss man das aber extra erwähnen? Sei mir nicht bös, aber diese "Erkenntnis" ist recht schmal geraten. Ich denke mir, die Geschichte brauchte einen Abschluss, ok, den hat sie, aber ich vermute, man kann die Geschichte besser enden lassen, in Sinne einer tieferen Erkenntnis.

Über das literarische Ich der Geschichte erfährt man wenig. Das liegt wahrscheinlich an den bildlichen Umschreibungen mit dem Rennen, da soll jeder sich eigene Gedanken machen. Ich weiß nicht, ob das hilfreich ist. Stünden konkrete Beispiele da, könnte ich darüber nachdenken und sich mit meinem eigenen Leben vergleichen. Durch die bildliche Umschreibung fühle ich mich in die Leere geschickt, denn ich weiß nicht, was ich mit was vergleichen soll. Vielleicht geht das ja nur mir so und alle anderen Leser finden das super.

Insgesamt spricht mich der Text an. Die Situation hat was. Eine Zwiesprache mit der Zeit hält wohl jeder irgendwann mal ab. Was mich aber echt stört, ist die blasse Hauptfigur und die bildlichen Umschreibungen, anstatt konkreter Beispiele. Meinem Gefühl nach hätte man aus der Geschichte mehr herausholen können.

Ist das jetzt ein Todesurteil? Kommt darauf an, wie man meine Kritik verstehen will.

Bis dann!

Wolfgang

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birke
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Beitragvon birke » 20.09.2016, 21:36

hallo karoline, mir geht es leider ähnlich mit diesem text.
allenfalls stellt sich mir die frage, ob es überhaupt sinn macht, mit der zeit zu hadern?
mir bleibt unklar, warum der protaginst/ die protagonistin solch einen groll hegt gegen den besucher, die zeit?
vielleicht wären hier ein paar worte mehr hilfreich. etwas konkreteres, das die motivation der protagonistin deutlicher macht...?

lg
birke
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

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Eule
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Beitragvon Eule » 20.09.2016, 21:56

Gefällt mir gut. Zeit hat für Menschen eine persönliche Gestalt, wenn man denn darüber nachdenkt. Sehr schöne Reflektionen !
Ein Klang zum Sprachspiel.

KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 21.09.2016, 08:05

Hey Wolfgang, Birke, Eule,

danke für eure Reflektion meines Textes. Das ist wirklich hilfreich. Ich mache oft den Fehler, dass meine Texte nur die verstehen können, die mich kennen. Ihr betrachtet sie aus einer ganz anderen Perspektive und das ist für mich außerordentlich hilfreich, da ich nun lerne Dinge auszudrücken für eine Leserschaft, die nicht sofort weiß was ich meine.

@ Wolfgang: Lach* Todesurteil? Nein wo denkst du hin. Du hast dich mit dem Text auseinander gesetzt und wenn ich nun versuche ihn mit "fremden" Augen zu lesen, fällt mir auch auf was für euch ja ganz einfach war.
@ birke: auch bei dir,- was fehlt ist irgendwie das warum... warum dieser Kampf mit der Zeit? was hat die Fahrt damit zu tun? ja... genau ... nun kann ich es auch sehen.
@ Eule: auch dir danke für deinen Kommentar . Ja Zeit hat für mich eine persönliche Gestalt, ist wie eine greifbare Grösse.

Nun möchte ich euch noch den Hintergrund dieser Geschichte erzählen:
Leider ist es ein trauriger, deshalb auch mein hadern mit der Zeit oder vielleicht gar mit Gott? Ich weiß es nicht.

März 2015:
Meine Mutter rief an und sagte mir, was unsere Familie seit Tagen erwartete. Mein Vater lag im Sterben. Ich solle kommen, wenn möglich sofort.
Der Wohnort meiner Eltern ist 500 km von mir entfernt.
Ich fuhr los. 5 Stunden Fahrzeit, mit traurigen Gedanken im Herzen und der Furcht, schaffe ich es noch... rechtzeitig?
7 Uhr morgens fuhr ich los, 12 Uhr stand ich vor der Haustür, die meine Mutter und mein Bruder mir öffneten.
Eine Stunde vorher, um 11 Uhr war mein Vater verstorben. Ich hatte den Kampf mit der Zeit verloren.

Das ist der Hintergrund dieser Geschichte. Das ist der Zorn, die Wut, die Trauer und gleichzeitig auch die Verarbeitung dieses Erlebnisses.

Liebe Grüße
Karoline


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