Rheinsberg 2016. Eine Regengeschichte
Hoffnung ist nicht die Überzeugung,
dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit,
dass etwas einen Sinn ergibt,
egal wie es ausgeht.
Vaclav Havel
(gefunden auf einer Parkbank ohne Nennung des Urhebers)
Seinen Anfang nimmt dieses Abenteuer nicht am Bahnhof und nicht in den Kurznachrichten, die sie einander, ergriffen vom eigenen Wagemut, senden. Der Beginn auch dieser Erzählung liegt im Herzklopfen des Kindes, das noch nicht geboren ist, in jener Sehnsucht, die wie Wölfchen und Claire mit sich noch anzufangen weiß.
Geschrieben wird die Geschichte jetzt, und zwar auf einer mechanischen Schreibmaschine mit dem Ziel, deutlich zu bleiben, Ordnung zu schaffen im Graubereich mechanisierter Erwartung. Das Schreibgerät hat nicht dieselbe Marke wie jenes des Meisters, das sie anderntags hinter Glas sehen werden. Es gehörte aber immerhin einem der Großväter und könnte denselben Jahrgang haben wie Tucholskys, und auch wenn das nicht stimmte, wäre es doch schön genug, um wahr zu sein, denn was wäre wahrer als Schönheit – und was sollte ein Aufschreiben Anderes bezwecken?
Schön ist so gut wie alles in Rheinsberg, auf eine ruhige Art, in der das Auge baden und die Seele sich wiegen kann, und am ersten ihrer anderthalb Tage ins Königlich-Brandenburgische ist auch bei ihnen fast alles schön: der Regen, die leise schnuppernde Nähe, ihr verschrobener Charme, seine Gutmütigkeit, sein unförmiges Begehren, ihre fremdelnde Hoffnung, sein argloser Duft.
Er – wir nennen ihn den Tiger – ist verheiratet und auf der Jagd nach frischen Gefühlen. Sie, eine Klara, ist geschieden und sehnt sich. Sie sind nicht füreinander geschaffen, aber er lauert und sie seufzt, und die Hoffnung flüstert – kurz: Er würde gern können, und sie würde gern wollen.
Bei der Führung durchs Schloss empfindet Klara seine Nähe als Freude und seine Freundlichkeit als wohltuend und sogar für einige flüchtige Minuten ein leises Verlangen, während sie Wandteppiche bestaunen oder die königlichen Familienbildnisse schauen, die großen traurigen Augen der weißgepuderten Luise… Doch Klara und der Tiger – zumindest in diesem Punkt folgen sie ihren Vorbildern – geben ein Paar, das keines ist noch wird.
Auf den Regen, immerhin, ist Verlass, denn mit dem Wetter nimmt diese Geschichte ihren tatsächlichen Anfang: Ausgerechnet am einzigen Tag, den sie miteinander haben, schüttet es. Ein anderer Termin ließ sich nicht pressen zwischen all ihre Verpflichtungen. Regen und Grau, denkt Klara, wie diese Bekanntschaft: unmöglich. Doch sie entkommen der Hauptstadt gen Nordosten, dem Wetter, wie der Tiger kommentiert, „ein Schnippchen schlagend“: Der Himmel wird blau.
Klara schnaubt. Handelsübliche Redewendungen verstören ihre Heiterkeit, die, so ahnt sie, an den Haaren herbeigezogen sein wird, denn aus ihren Käfigen kommen sie nicht. Sie strecken und dehnen sich einige Stunden lang, atmen, kommen einander in die Quere dabei, der Tiger und seine Möchtegernprinzessin, aber die Stäbe werden halten. Beharrlich, störrisch, auch ein bisschen tollpatschig fährt er sein Gleis auf der Suche nach der verlorenen Zeit einer fraglos potenten Jugend, wandelt mit durch die Laubengänge im Park, und sie lässt sich locken seiner Sehnsucht nach der Sehnsucht. Liest ihm aus Gedichten vor und wünschte, ihm wär‘ es so wichtig wie ihr. Jedoch: „La perfection n’est point sur terre“, Vollkommenheit gibt es hienieden nicht, so steht es auf der unvollkommenen Pyramide, dem Grabstein Heinrichs, jenes Prinzen von Preußen, der lebenslänglich der kleine Bruder im Schatten des Großen Friedrich und 50 Jahre auf Schloss Rheinsberg blieb, das er auf eine eigentümlich hochmütige Weise bescheiden gestaltete, mit Seide und Blattgold und Geist und Geschmack. Hier verfasste Heinrich auch seine Grabschrift – auf Französisch. Klara übersetzt stockend.
„Durch die Geburt in diesen Strudel eitlen Rauchs geworfen, den der Vulgäre Ruhm nennt und Größe, von dem jedoch der Weise weiß: Es ist nichts.“
„Findest du es nicht grotesk“, fragt sie fasziniert, „sich eine Grabpyramide bauen zu lassen und gleichzeitig von der Eitelkeit des Ruhmstrebens zu philosophieren?“ Der Tiger zeigt kein Interesse. Der Tiger denkt an Anderes.
Vielleicht, überlegt Klara, fürchtet er, etwas Dummes zu sagen? Wie dumm!
Er greift nach ihrer Hand. Sie lässt sie ihm nicht.
„Nimm den schwärzesten Schein und lies, was du wiedererkennst“, fordert sie.
„Tucholsky?“, gähnt der Tiger.
„Nee, Kolbe.“
„Kenn‘ ich nicht.“
„An einem dritten August ist er gestorben“, sagt Klara, „heute vor 214 Jahren.“
„Kolbe?“
„Nee, Heinrich. Und schau, wie er von einer Freiheit phantasiert, die schon auf dem Papier erstunken und erlogen war!“
Der Tiger putzt sich die Nase. Sie ist ihm zu viel, ehrlich gesagt. Er wünschte, sie würde statt dieses Grabes nun ihn anschauen, mit großen Augen seine große Lust begreifen. Sie soll ihn küssen, so süß, wie sie das einmal, aus Versehen vielleicht, getan hat. Stattdessen macht sie ihm Druck. Und dann die gedrängte Zeit, die jede Geste, jedes Erleben mit symbolischer Schwerkraft auflädt und zum Scheitern verurteilt – ach, er würde gern weitergehen.
„Stört es dich, wenn ich das abschreibe?“, fragt sie.
Der Tiger behauptet Nein.
Klara kritzelt.
Von der Parkbühne wehen die Klänge der Tosca herüber, ganz nah.
„Was für ein Glück!“, ruft Klara aus. Rasante Arien im Spätsonnenlicht. „So kraftvoll!“
Der Tiger wartet geduldig.
Klara würde gern mit ihm teilen, das große, große Glück der Welt, das sich in jedem Winkel offenbart.
„Dies alles umarmen können, nicht, weil es gut oder schön ist, sondern weil es da ist…“ Klara kann auswendig, was der andere Tiger schrieb, „weil sich die Wolkenbänke weiß und wattig lagern, weil wir leben. Mögen die in den Gräbern die Fäuste schütteln, mögen die Ungeborenen lächeln – wir sind! Alle sollen freudig sein! Kämpfen – aber mit Freuden! – Dreinhauen – aber mit Lachen! – Tanzt, tanzt!“
Der Tiger hat eine andere Konstitution, er ist ein stiller Jäger, der sich unerreichbare Ziele setzt und diese behutsam und stetig verfolgt. Klara ihrerseits würde so gern fassen, begreifen, in diesem Moment!, was da brodelt, an diesem Ort, im Früher und Morgen, in all dem, was sich gerade in Rheinsberg so wunderbar spüren ließe. Jetzt!
So reiben sie sich ein wenig an der Sehnsucht des andern, reiben eine kurze Hitze herbei, am späteren Abend im Hotel, in dem er das von ihr gewünschte Einzelzimmer bucht und ihr damit eine doppelte Erleichterung schenkt – der Tiger ist großzügig.
„Bei uns sind Behinderte willkommen“, erklärt die Empfangsdame. „Stört Sie das?“ Klara schüttelt verständnislos den Kopf.
Dann schwitzen sie auf heißem Holz und bringen Lust zur Sprache.
„Man könnte jetzt Sex haben“, schlägt Klara vor.
„Ich hab’s lieber im Bett“, gibt er zu.
„Och…“
In ihr brennt der Argwohn, dass er vergisst, wie er sich gegen die Zeit stemmt, ein alterndes Tier wie sie, das ein müdes Feuer anfacht, das dazu verdammt ist, sinnlos zu schwelen, ohne je gelöscht zu werden.
Er hat kein Recht, denkt Klara aufgebracht, von ihr Erfüllung zu erwarten! Wölfchens Claire existierte nur auf dem Papier, damit der Dichter seine Geschichte um sie herum drapieren kann wie Prinz Heinrich seine Teppiche an Wände!
„Ich bin nicht deine Leinwand!“
Der Tiger versteht nicht.
Sie kühlen sich ab. Sie werden verlegen. Sie legen die dicken weißen Hotelbademäntel um, tappen nassen Fußes durch die Gänge. Doch das geborgte Verlangen ist schon fort. Lässt sich nicht ins weiße Hotelbett transportieren, war nichts als Trug. Im Zimmer wartet nichts als Klaras alte Sperrigkeit, die sie bei sich führt wie der Tiger seinen Kuschelbären, der artig mit Hose und Schuhen und Hemd auf dem Bett liegt, Überbleibsel einer Kindheit, die er auf tröstlichere Weise aufträgt als sie die ihre.
„Dein Kopf will vielleicht, aber dein Körper weigert sich“, sagt Klara. Bei ihr ist es umgekehrt, und beides ist schmerzhaft schade.
Der Tiger streichelt schlaff dagegen an. Klara fühlt sich leer. Der Tiger versucht, einen Kuss zu ergattern.
„Ich bin zu müde“, sagt sie, „und du bist zu verheiratet.“
„Mir egal“, murmelt er. „Kommst du morgen früh?“
Klara denkt an Anderes.
Allein im schmalen Bett schlägt sie ihr Buch auf, froh, nichts tun zu müssen, das keinen Sinn ergibt. Freut sich auf den See in der Frühe. Schläft tief und gut. Am andern Morgen hat sie ein schlechtes Gewissen. Am andern Morgen ist der Himmel grau. Am andern Morgen begegnet ihr im Spiegel eine schöne Frau. Sie nimmt eine lange Runde im See, zu den bleihellen Wolken aufschauend, die sie nicht behelligen, sondern bergen.
Im Frühstücksraum schleicht sich der Tiger von hinten an, als gehörte er zu ihr. Klara zuckt zurück. Holt sich Joghurt und Ananas und Traube und Melone und Gurke und Cornflakes und Buttermilch. Er holt sich Brötchen und Käse und Honig und Butter und Orangensaft und Ei und macht ein trauriges Gesicht.
„Was ist?“, fragt Klara pflichtschuldig.
„Nichts!“ Der Tiger ist beleidigt.
Klara findet, dass er Recht hat: Zurückgewiesene Lust hat beleidigt zu sein. „Tut mir Leid.“
„Es ist / so viel unverbrauchte Zärtlichkeit in Hotelzimmern“, zitiert er.
„Ich muss allein sein, Mann!“, entgegnet sie unfreundlich, unlogisch, ungerecht.
Der Tiger schluckt.
„Gib mir eine Stunde. Wir treffen uns bei Tucholsky, ja?“
Doch die Stunde reicht nicht, und der Ärger kommt mit ins Museum, wächst ins Unermessliche, wird so groß, wie sie sich ihre Lust und seine Kraft gewünscht hätte. Klara kann nichts dafür.
Der Tiger kann auch nichts dafür, aber lässt sie auch nicht in Ruhe. krallt sich, klammert sich an diese Stunde, als wolle er sie auspressen, egal, wie sie schmeckt. Klara soll sich endlich, fordert sein Blick, an seinem dicken Fell vergreifen!
Doch sie sperrt sich. Sperrt ihn aus.
In der Bahn fließt der Regen von den Scheiben herab wie von einer Ölhaut. Klara sucht Zuflucht in Tucholskys Buchstaben, sehnt sich nach einem Wir.
Sie. Er. Wir. Und mit ihnen fährt diese dumme kluge Frage, die uns alle mit dem Dichter vereint: „Warum kommt nie ein Einsamer zu einer Einsamen?“
Aber es gibt Worte, die nie gesagt werden dürfen, sonst sterben sie, so steht es geschrieben.
Der Tiger wird ihr einen Brief schicken und erklären, dass seine Ehefrau seine „große Liebe“ bleibe, ergänzt um die Versicherung, dass er sie, Klara, weiterhin „schön“ und „spannend“ finde, „liebe Grüße“. Und Klara wird sich schöner finden ohne ihn und antworten mit einer Geschichte, die er nicht verstehen wird.
„Ich wünschte, ich könnte dich vermissen.“
Die Dankbarkeit. Die Klarheit. Und der Regen.
Hört tatsächlich wieder auf.
[mehrere redaktionelle Kleineingriffe mit großem Dank an Nifl]
Rheinsberg 2016. Eine Regengeschichte [wieder da...]
Ich habe den Text zwei Mal gelesen, gerade schickte ich mich an, anzufangen, ein Kommentar darüber zu schreiben, aber ohne die Unterlage, ohne den Text, kann ich das schwer tun, ich wollte sogar, dieses Mal, eventuell peu a peu das zu tun.
So fängt mein Tag mit einer Frustration an ...
Zuallererst wollte ich das Zitat kommentieren, das, was jemand auf einer Bank geschrieben hatte. Was, auf den ersten Blick, überzeugend, überraschend überzeugend vorkommt. Aber man muss alles mehrmals lesen. Das, was da als das Wesen der Hoffnung erklärt wird, ist nicht unbedingt wahr. Das trifft eher für die Hoffnung von Wissenschaftlern, nicht von Unsereins.
So fängt mein Tag mit einer Frustration an ...
Zuallererst wollte ich das Zitat kommentieren, das, was jemand auf einer Bank geschrieben hatte. Was, auf den ersten Blick, überzeugend, überraschend überzeugend vorkommt. Aber man muss alles mehrmals lesen. Das, was da als das Wesen der Hoffnung erklärt wird, ist nicht unbedingt wahr. Das trifft eher für die Hoffnung von Wissenschaftlern, nicht von Unsereins.
"Eine Erzählung für nicht Verliebte", stand vorher als Untertitel, was nicht schlecht war, denn so war der Leser vor einer möglichen Enttäuschung gewarnt.
Das auf einer Bank gefundene Zitat, ist nicht Vaclav Havel der Urheber?
Diese Definition von Hoffnung ist fragwürdig, auf jeden Fall, ich kann sie nicht ohne Weiteres akzeptieren, ich muss darüber nachdenken. Im Lexikon wird Hoffnung so definiert: "Wunsch für die Zukunft, Wunsch, dass in der Zukunft etwas geschehen möge".
Als Beispiel fällt mir jetzt ein, jemand, der auf einer unbewohnten Insel auf das Erscheinen eines Schiffes am Horizont wartet.
Was auf der Bank als Hoffnung definiert wird, ist nicht Hoffnung, es ist etwas Anderes. Vielleicht sogar der Verzicht auf Hoffnung?
Das auf einer Bank gefundene Zitat, ist nicht Vaclav Havel der Urheber?
Diese Definition von Hoffnung ist fragwürdig, auf jeden Fall, ich kann sie nicht ohne Weiteres akzeptieren, ich muss darüber nachdenken. Im Lexikon wird Hoffnung so definiert: "Wunsch für die Zukunft, Wunsch, dass in der Zukunft etwas geschehen möge".
Als Beispiel fällt mir jetzt ein, jemand, der auf einer unbewohnten Insel auf das Erscheinen eines Schiffes am Horizont wartet.
Was auf der Bank als Hoffnung definiert wird, ist nicht Hoffnung, es ist etwas Anderes. Vielleicht sogar der Verzicht auf Hoffnung?
Hallo Klimperer,
danke fürs Lesen.
Ich weiß noch nicht mit dem Titel.
Havel steht ja dabei (hab ich natürlich gegoogelt ;))
Ob es stimmt, weiß ich nicht. Es ist, scheint mir, eine christliche oder zumindest religiöse Definition.
Ein bisschen hab ich noch mal gefeilt, vor allem stimmte die Chronologie noch nicht an einer Stelle, mit dem Regen, wann er denn nun weg ist, am Anfang. Jetzt ist es, hoffe ich, klarer.
herzlich
klara
danke fürs Lesen.
Ich weiß noch nicht mit dem Titel.
Havel steht ja dabei (hab ich natürlich gegoogelt ;))
Ob es stimmt, weiß ich nicht. Es ist, scheint mir, eine christliche oder zumindest religiöse Definition.
Ein bisschen hab ich noch mal gefeilt, vor allem stimmte die Chronologie noch nicht an einer Stelle, mit dem Regen, wann er denn nun weg ist, am Anfang. Jetzt ist es, hoffe ich, klarer.
herzlich
klara
Hallo Klara,
Rheinsberg ist spießiger als Gripsholm, das steht fest. Puh, ganz schön mutig so ein Klischeemündungsfeuer rauszulassen, verheirateter Mann mit Testosteronüberschuss ohne sprachlich/lyrisches Interesse entscheidet sich am Ende gegen die Verzagte und für seine Frau. Aber trotzdem schaffst du es, eine Stimmung zu erzeugen. Eine Stimmung des Versagens, eine Stimmung des Alterns, eine Stimmung des Klammerns und eine Stimmung des Insichruhens. Schön wie der Protagonistin obiges Klischee egal ist und doch nicht egal ist, wie sie um die Statuten herum laviert, sie schon im Hinterkopf hat, aber sich nicht darum schert, einfach horcht, auf sich horcht, sich nicht verbiegt. Und schön auch, dass mir der Tiger trotzdem sympathisch ist, der Fußballkumpeltyp, der kein Geheimnis macht, nicht gaukelt, anders das Altern zu verarbeiten versucht, ohne dass er das will, weil er sicher sagte, es gäbe nichts zu verarbeiten. Ein Spiel mit der Zeit im Großen und im Kleinen.
Und ja, es ergibt Sinn.
Gruß
Nifl
Korinthen:
"Das Schreibgerät trägt nicht dieselbe Marke wie jenes des Meisters, "
tragen passt mir nicht recht
bestaunen oder die königlichen Familienbildnisse schauen
denn mit dem Wetter nimmt diess Geschichte
" und lies, was du wieder erkennst“
zusammen
Rheinsberg ist spießiger als Gripsholm, das steht fest. Puh, ganz schön mutig so ein Klischeemündungsfeuer rauszulassen, verheirateter Mann mit Testosteronüberschuss ohne sprachlich/lyrisches Interesse entscheidet sich am Ende gegen die Verzagte und für seine Frau. Aber trotzdem schaffst du es, eine Stimmung zu erzeugen. Eine Stimmung des Versagens, eine Stimmung des Alterns, eine Stimmung des Klammerns und eine Stimmung des Insichruhens. Schön wie der Protagonistin obiges Klischee egal ist und doch nicht egal ist, wie sie um die Statuten herum laviert, sie schon im Hinterkopf hat, aber sich nicht darum schert, einfach horcht, auf sich horcht, sich nicht verbiegt. Und schön auch, dass mir der Tiger trotzdem sympathisch ist, der Fußballkumpeltyp, der kein Geheimnis macht, nicht gaukelt, anders das Altern zu verarbeiten versucht, ohne dass er das will, weil er sicher sagte, es gäbe nichts zu verarbeiten. Ein Spiel mit der Zeit im Großen und im Kleinen.
Und ja, es ergibt Sinn.
Gruß
Nifl
Korinthen:
"Das Schreibgerät trägt nicht dieselbe Marke wie jenes des Meisters, "
tragen passt mir nicht recht
bestaunen oder die königlichen Familienbildnisse schauen
denn mit dem Wetter nimmt diess Geschichte
" und lies, was du wieder erkennst“
zusammen
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Hallo Nifl,
danke für deinen Kommentar (und die Korinthen).
Immer wieder spannend, wie etwas gelesen wird...
Aber ja, natürlich ist die Zeit das Spielzeug des Textes.
Was mich wundert ist der "Testosteronüberschuss", denn eigentlich sollte als eines der "Probleme" ja gerade das Fehlen dieses Hormons hervorstechen, also der doppelte Betrug, die unfaire Erwartungsweckung (der Tiger ist leider nicht mehr wirklich potent, wäre es halt nur gern und steigert sich in ein Begehren, dessen Erfüllung er sowohl ihm als auch der jeweils Begehrten versagen muss. Ist der Text da nicht ehrlich genug?).
Was spießig ist, ist noch mal eine andere Frage - du meinst vermutlich die Texte, nicht die Orte? (In Gripsholm war ich noch nicht.
Danke, Nifl.
klara
danke für deinen Kommentar (und die Korinthen).
Immer wieder spannend, wie etwas gelesen wird...
Aber ja, natürlich ist die Zeit das Spielzeug des Textes.
Was mich wundert ist der "Testosteronüberschuss", denn eigentlich sollte als eines der "Probleme" ja gerade das Fehlen dieses Hormons hervorstechen, also der doppelte Betrug, die unfaire Erwartungsweckung (der Tiger ist leider nicht mehr wirklich potent, wäre es halt nur gern und steigert sich in ein Begehren, dessen Erfüllung er sowohl ihm als auch der jeweils Begehrten versagen muss. Ist der Text da nicht ehrlich genug?).
Was spießig ist, ist noch mal eine andere Frage - du meinst vermutlich die Texte, nicht die Orte? (In Gripsholm war ich noch nicht.
Danke, Nifl.
klara
Was mich wundert ist der "Testosteronüberschuss", denn eigentlich sollte als eines der "Probleme" ja gerade das Fehlen dieses Hormons hervorstechen, also der doppelte Betrug, die unfaire Erwartungsweckung (der Tiger ist leider nicht mehr wirklich potent, wäre es halt nur gern und steigert sich in ein Begehren, dessen Erfüllung er sowohl ihm als auch der jeweils Begehrten versagen muss. Ist der Text da nicht ehrlich genug?).
o, seltsames Verhalten, hätte gedacht dann hat Mann keine Lust mehr und Versagensängste. Ich muss schon sagen, dann ist der Tiger für mich ein Tiger, weil er so selbstbewusst ist.
Was spießig ist, ist noch mal eine andere Frage - du meinst vermutlich die Texte, nicht die Orte? (In Gripsholm war ich noch nicht.
Klar. Durch die mehrfache Tucholskyanspielung. Dachte du stelltest darob Rheinsberg in Bezug zum Roman Schloss Gripsholm (eine Sommergeschichte) der im Übrigen einen ähnlichen Plot hat (und die Schreibmaschine war auch dabei)(nur hat er damals schon das Klischee umgekehrt).
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Hallo Nifl,
nein, auf die Gripsholm-Geschichte hab ich mich gar nicht bezogen (das wär auch ein wenig überladen, so viele Zitate, wie ich da jetzt schon bringe... hab ja auch noch Rilke reingeschummelt, verquurbelt mit Tucholskys ;) Hinter den dicken Stäben meine Ideale lauf ich von einer Wand zur andern Wand. Und so weiter. Und Rilkes Panther: Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Und weiter im allerkleinsten Kreis, muss ich noch weiter auswendig lernen. Ich versuche, immer mal ein paar Verse oder Sätze auswendig zu lernen, dann können die so richtig schön klingen im Kopf und in den Synapsen heimisch werden wie ein gutes, gutes Lied...
Thema Impotenz: Ich weiß nicht, bin ja kein Mann und hab noch mit keinem drüber gesprochen, stelle mir aber vor, dass die Lust bleibt, das Begehren bleibt, im Kopf ist es ja, und dass es deshalb quälend sein kann: Er will gern können... Und muss sich behelfen mit der Lust der Frau, die er mit anderen Mitteln zu befriedigen sucht. So stelle ich mir das vor. Ganz daneben?
Ich weiß auch gar nicht, ob es das überhaupt gibt, Impotenz totale, ist ja auch immer Tagesform-abhängig, eine, ähm, gleitende Angelegenheit. Nicht totales Entweder-oder. Oder?Oje, ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Hoffe, aber, dass es für die GEschichte nicht wichtig ist. Bin aber interessiert an Hinweisen dazu! Ist ja ein Tabu-Thema, redet Mann nicht so gerne oder überhaupt nicht drüber?
Der Tiger, stelle ich mir vor, nimmt Viagra (das tun viele!), geht damit auch ganz offen um, aber auch mit Viagra klappt es meistens nicht.
Deine Korinthen habe ich hoffentlich berücksichtigt, nur die eine nicht verstanden:
bestaunen oder die königlichen Familienbildnisse schauen
Was ist daran falsch? An-Schauen?
herzlich
klara
nein, auf die Gripsholm-Geschichte hab ich mich gar nicht bezogen (das wär auch ein wenig überladen, so viele Zitate, wie ich da jetzt schon bringe... hab ja auch noch Rilke reingeschummelt, verquurbelt mit Tucholskys ;) Hinter den dicken Stäben meine Ideale lauf ich von einer Wand zur andern Wand. Und so weiter. Und Rilkes Panther: Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Und weiter im allerkleinsten Kreis, muss ich noch weiter auswendig lernen. Ich versuche, immer mal ein paar Verse oder Sätze auswendig zu lernen, dann können die so richtig schön klingen im Kopf und in den Synapsen heimisch werden wie ein gutes, gutes Lied...
Thema Impotenz: Ich weiß nicht, bin ja kein Mann und hab noch mit keinem drüber gesprochen, stelle mir aber vor, dass die Lust bleibt, das Begehren bleibt, im Kopf ist es ja, und dass es deshalb quälend sein kann: Er will gern können... Und muss sich behelfen mit der Lust der Frau, die er mit anderen Mitteln zu befriedigen sucht. So stelle ich mir das vor. Ganz daneben?
Ich weiß auch gar nicht, ob es das überhaupt gibt, Impotenz totale, ist ja auch immer Tagesform-abhängig, eine, ähm, gleitende Angelegenheit. Nicht totales Entweder-oder. Oder?Oje, ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Hoffe, aber, dass es für die GEschichte nicht wichtig ist. Bin aber interessiert an Hinweisen dazu! Ist ja ein Tabu-Thema, redet Mann nicht so gerne oder überhaupt nicht drüber?
Der Tiger, stelle ich mir vor, nimmt Viagra (das tun viele!), geht damit auch ganz offen um, aber auch mit Viagra klappt es meistens nicht.
Deine Korinthen habe ich hoffentlich berücksichtigt, nur die eine nicht verstanden:
bestaunen oder die königlichen Familienbildnisse schauen
Was ist daran falsch? An-Schauen?
herzlich
klara
muss ich noch weiter auswendig lernen. Ich versuche, immer mal ein paar Verse oder Sätze auswendig zu lernen, dann können die so richtig schön klingen im Kopf und in den Synapsen heimisch werden wie ein gutes, gutes Lied...
o, das ist schön.
Thema Impotenz: Ich weiß nicht, bin ja kein Mann und hab noch mit keinem drüber gesprochen, stelle mir aber vor, dass die Lust bleibt, das Begehren bleibt, im Kopf ist es ja, und dass es deshalb quälend sein kann: Er will gern können... Und muss sich behelfen mit der Lust der Frau, die er mit anderen Mitteln zu befriedigen sucht. So stelle ich mir das vor. Ganz daneben?
hm, will nicht ausschließen, dass es auch solche gibt, würde sie dann aber eher in ihrer festen langjährigen VERTRAUTEN Beziehung so handeln sehen? Und haben sie "wirklich" Lust? Und selbst wenn, schon ein bisschen dreist, oder wusste die Protagonistin vorher davon?
Der Tiger, stelle ich mir vor, nimmt Viagra (das tun viele!), geht damit auch ganz offen um, aber auch mit Viagra klappt es meistens nicht.
Echt? Ich dachte immer die blauen Pillen helfen garantiert zum Erfolg.
Ja, anschauen, sonst Mundart?
Werde den Text noch mal in Ruhe lesen.
Grüße
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
ja, schon ein großartiger Text! Die Ehe nervt mich immer noch (und sie spielt für mich bei den Figuren und der Handlung auch keine Rolle). Das mit der Potenz ist okay, schön diese doppelte Impotenz aus verschiedenen Richtungen der Beiden.
aber die Stäbe sind ja nicht hohl, ich weiß was du meinst, aber es ist genuschelt.
Stein
Ab hier:
Perspektivendreher, unnötig für meine Begriffe oder deutlicher machen, dass es ihre "feststehende Vermutung" ist
Gruß
aber die Stäbe werden dicht halten.
aber die Stäbe sind ja nicht hohl, ich weiß was du meinst, aber es ist genuschelt.
Nimm den schwärzesten Schein und lies, was du wiedererkennst“
Stein
Ab hier:
Der Tiger putzt sich die Nase. Sie ist ihm zu viel, ehrlich gesagt.
Perspektivendreher, unnötig für meine Begriffe oder deutlicher machen, dass es ihre "feststehende Vermutung" ist
Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Hi Nifl,
danke fürs nochmalige Lesen.
(Ich liebe Leute, die ihre Versprechen halten ;))!
Danke auch für den HInweis auf die hohlen Stäbe - ganz richtig. Das "dicht" ist überflüssig.
Das Kolbezitat indessen stimmt, es ist nicht der schwärzeste Stein, sondern der schwärzeste Schein (hätte einer von uns das hier geschrieben, oder gar ich selbst, hätte eine von uns oder gar ich selbst sicherlich gerügt, dass man schwarz nicht steigern kann ;).
Beim PErspektivwechsel habe ich kürzlich, als ich eine der mittlerweile 8 Überarbeitungen dieses aufwändigen Textes vorlas, die gegenteiligle Rückmeldung bekommen - der Text, so sagte mir eine Autorin, vertrüge mehr davon...
Nun weiß icn nicht -
herzlich
klara
danke fürs nochmalige Lesen.
(Ich liebe Leute, die ihre Versprechen halten ;))!
Danke auch für den HInweis auf die hohlen Stäbe - ganz richtig. Das "dicht" ist überflüssig.
Das Kolbezitat indessen stimmt, es ist nicht der schwärzeste Stein, sondern der schwärzeste Schein (hätte einer von uns das hier geschrieben, oder gar ich selbst, hätte eine von uns oder gar ich selbst sicherlich gerügt, dass man schwarz nicht steigern kann ;).
Beim PErspektivwechsel habe ich kürzlich, als ich eine der mittlerweile 8 Überarbeitungen dieses aufwändigen Textes vorlas, die gegenteiligle Rückmeldung bekommen - der Text, so sagte mir eine Autorin, vertrüge mehr davon...
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