R. 14

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 10.10.2014, 09:48

Gestern, Donnerstag, um 18 Uhr ging ich zum Bluhm. Die Kneipe war nicht voll, aber alle Tische waren besetzt. Manche starrten mich kurz an, Mancher drehte sich kurz halb um.
Ich setzte mich neben einem Zeitungslesenden Unbekannten, bestellte mir bei Tante Herta ein Jever. "Mit Glas, ohne Glas?" fragte sie.
Am Nebentisch, links, saß Paul, der Maler, damit beschäftigt, eine "Currywurst" mit viel Ketchup zu verzehren. Ihm gegenüber saß ein Schullehrer, der mich an Marx erinnert, auch Currywurst essend. Als er aufgegessen hatte, fing er an, ein Gedicht über ein armes Mädchen aus Nicaragua zu schreiben.
Auch "Wodka" war da. Lustlos trinke ich aus meiner Flasche, neben dem stummen Zeitungsleser.
Tom ist vor einer Woche, nach einem gescheiterten Versuch, Vater geworden. Ein anderer Vater sitzt neben ihm.
Neben der seit vielen Jahren kaputten Musikbox saßen Helmut und der unheimliche Taxifahrer. Helmut lernt Japanisch, wahrscheinlich weil niemand mit ihm Deutsch reden will. Beide sitzen stumm nebeneinander, der eine mit "Der Spiegel", der andere mit einem esoterischen Buch.
Am runden Tisch sehe ich Peter und Lucy. Diese hat einen Stapel von mindestens 100 Fotos vor sich, die sie herumgehen lässt.
Günter kam herein. "Endlich ein Freund!" denke ich. Er kommt zu meinem Tisch, zieht seinen "Columbo" Mantel nicht aus, seine Krawatte hat er gelockert. Er wollte eigentlich ein Bier im Stehen trinken, denn er musste den ganzen Tag sitzen. Seit 26 Jahren kommt er in diese Kneipe, am Anfang in Begleitung seines älteren Bruders. Mit ihm kann ich über Wörter reden. Ich erzähle ihm, dass ich beschlossen habe, in der Zukunft nur noch Wörterbücher zu lesen. Er guckt mich an, als ob ich verrückt geworden wäre.
Der Zeitungsleser hat sich etwas zum Essen bestellt, Lotti bringt ihm einen Riesenteller: "Rippchen mit Gemüse", einen Berg von Gemüse unter dem das Rippchen begraben liegt.
Hubert tritt ein, wie jeden Abend seit 30 Jahren. Unter seiner Jacke hat er einen T-Shirt mit dem Spruch: I`ve got a drinking problem: 2 hands but only one mouth... Seine Hände bewegen sich wie die eines Dirigenten, der seinen Stock verloren hätte.
Günter wollte wissen, ob das Museum am Allerheiligen geöffnet hat.
Der stumme Zeitungsleser aß bis zur letzten Erbse sein Essen auf und legte Messer und Gabel nebeneinander auf den Teller, neben dem sauber polierten Knochen und der gebrauchten Papierserviette, bezahlte und ging .
"Was heißt PORRO?" fragte mich auf einmal Peter von seinem Tisch aus. Jedes Mal, wenn er von seinem Urlaub auf Mallorca zurückkommt, fragt er mich nach der Bedeutung von irgendeinem Wort.

DonKju

Beitragvon DonKju » 10.10.2014, 17:23

Voererst nur einmal ein paar höchstlich amüsierte Grüße - aber hey, was ist mit dem Grauhaarigen, der immer hinten in der Ecke sitzt, aus Gedichtblättern Origami-Figuren faltet und sie anschließend an die Gäste verschenkt? - Den hat du glatt vergessen ...

... denkt sich der DonKju Hannes


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