Kurz vor halb zehn verließ ich die Wohnung, lief die Neutorstrassse hoch, überlegte, was ich mir bei der Bäckerei kaufen sollte, entschied mich für ein "Voilá" mit Camenbert. An der Kreuzung Jakobsbergstrasse und Graben sah ich einen unverbrauchten Tampon liegen. Früher hätte so ein Anblick erotische Gedanken bei mir ausgelöst, jetzt eher philosophische.
Als ich vor der Theke stand, betrachtete ich die dort ausgelegten Sandwiches, die meisten davon sehen nur schön aus, schmecken nicht besonders, fast alle werden auch mit Remouladensauce verunstaltet. Es ist schwierig, wirklich gut schmeckende belegte Brötchen zu finden. Davon hängt ab, ein Wonnegefühl oder eine Enttäuschung in der Mittagspause zu erleben. Bei Camenbert macht man nicht Falsches, es schmeckt einfach nach Nichts, aber sie sind nicht auf die Idee gekommen, Remouladensauce dazu zu geben.
"Bitte?" -sagte zu mir die Verkäuferin, als ich etwas zu lange zögerte. Ich zeigte auf das Baguettchen mit Camenbert und gleichzeitig suchte ich mein Portemonnaie ... Ich spürte eine Leere in der Hosentasche.
"Ich habe mein Portemonnaie vergessen", sagte ich zu der Verkäuferin, die mich erbarmungslos anschaute. Seit vielen Jahren kaufe ich dort fast täglich mein Brötchen, ich habe aber nicht von ihr erwartet, dass sie etwa "bezahlen Sie einfach morgen oder später" gesagt hätte. Ich kenne sie lange genug, und die Tatsache, dass ich oft Trinkgeld da gelassen habe ändert nichts daran. Sie ist eine fleißige, praktische Verkäuferin, sie kann auch lachen und lustig sein, aber nur als ein Echo, sie sagt nie etwas von sich aus. Hundert Jahre könnte ich täglich dort erscheinen und ich würde dort nur Brot gegen Geld bekommen. Alles andere, auch das Trinkgeld, überflüssig.
Ich kehrte also zurück, wenn ich mich beeilte würde noch rechtzeitig bei der Arbeit sein. Da sah ich auf der Straße den Tampon wieder, und ich stellte fest, dass ich ihn schon vollkommen aus meiner Erinnerung gelöscht hatte, aber diese zweite, unverhoffte Begegnung führte ihn tiefer in mein Bewusstsein ein, in meine verletzte, leicht blutende Seele.
Ein Tampon
Was sich in empfänglichen Köpfen so alles verbinden kann; und was alles Männer erotisch so anmacht - frau kommt ein Leben lang aus dem Staunen nicht heraus.
Ein Tampon, of all things!
Was mich darauf bringt, daß Leonard Cohen in einem Gedicht sich darüber ausgelassen hat, wie sehr ihn Körperhaare bei Frauen anmachen; und wir dämlichen Weiber sozusagen kein gutes Haar an uns zu lassen pflegen, sondern nichts anderes zu tun haben, als unter endlosem Zeit-, Geld- und Schmerzensaufwand den totalen Krieg gegen jedes einzelne führen.
Ich bin fasziniert, Carlos. Du wirst es mir daher vielleicht nachsehen, daß ich diesmal kaum auf weitere wichtige Aspekte deiner Betrachtung eingehen kann. Möge der Tampon deiner blutenden Seele behilflich sein, wie er es unserer blutenden Gebärmutter ist. Amen.
(Dies ist nur teilweise ironisch gemeint, ich bin wirklich beeindruckt und lobe mir deine Kühnheit)
Mit lieben Grüßen
Eva
Ein Tampon, of all things!
Was mich darauf bringt, daß Leonard Cohen in einem Gedicht sich darüber ausgelassen hat, wie sehr ihn Körperhaare bei Frauen anmachen; und wir dämlichen Weiber sozusagen kein gutes Haar an uns zu lassen pflegen, sondern nichts anderes zu tun haben, als unter endlosem Zeit-, Geld- und Schmerzensaufwand den totalen Krieg gegen jedes einzelne führen.
Ich bin fasziniert, Carlos. Du wirst es mir daher vielleicht nachsehen, daß ich diesmal kaum auf weitere wichtige Aspekte deiner Betrachtung eingehen kann. Möge der Tampon deiner blutenden Seele behilflich sein, wie er es unserer blutenden Gebärmutter ist. Amen.
(Dies ist nur teilweise ironisch gemeint, ich bin wirklich beeindruckt und lobe mir deine Kühnheit)
Mit lieben Grüßen
Eva
Es wird doch immer wieder betont, dass Erzähl-Ich und Autoren-Ich nicht eins sein müssen.
So verwundert es mich, dass ECP nun meint, „was Männer so anmachen kann“. Wenn aber nun die Sache vom Autor konstruiert wurde?
Also, ich stehe nicht auf Tampons, besonders in einer Liebesprosa stößt es mich ab. Man könnte aber eine satirische Geschichte draus machen. Ist hier aber nicht klar erkennbar, und damit habe ich ein Problem, darüber lachen zu können.
LG Kurt
So verwundert es mich, dass ECP nun meint, „was Männer so anmachen kann“. Wenn aber nun die Sache vom Autor konstruiert wurde?
Also, ich stehe nicht auf Tampons, besonders in einer Liebesprosa stößt es mich ab. Man könnte aber eine satirische Geschichte draus machen. Ist hier aber nicht klar erkennbar, und damit habe ich ein Problem, darüber lachen zu können.
LG Kurt
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
Hallo Eva, Pjotr, Gabriella, Kurt!
Vielen Dank für eure Rückmeldungen.
Ich bin froh und dankbar darüber, etwas aus dem Alltag gerettet zu haben.
Ich war einfach traurig und fühlte mich gehetzt, da ist mir dieser Gedanke eingefallen.
Im Grunde, wie meistens bei mir, habe ich das gerade Erlebte festgehalten.
Ich danke euch
Carlos
Vielen Dank für eure Rückmeldungen.
Ich bin froh und dankbar darüber, etwas aus dem Alltag gerettet zu haben.
Ich war einfach traurig und fühlte mich gehetzt, da ist mir dieser Gedanke eingefallen.
Im Grunde, wie meistens bei mir, habe ich das gerade Erlebte festgehalten.
Ich danke euch
Carlos
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