a reflected day of life vs the american way of life

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diecruxbeidersache

Beitragvon diecruxbeidersache » 20.05.2014, 00:10

Aus den Logbüchern

a reflected day of life vs the american way of life

In dieser Stadt glitzert die Hitze bereits morgens und bringt uns zum Schwitzen. Wir sitzen auf den Stufen vor dem flachen, hölzernen Haus zur Straße hin. Dieser vielspurige Boulevard kreuzt die Stadt geradewegs von Ost nach West, bis hin zum Meer. Eine Ampel zeigt rot, die klimatisierten Autos fädeln sich zu Ketten aus Metall. Die Luft ist staubig und wir können den Smog nahezu antasten, der sich im Valley festhängt. In den Hills müsste man hier leben! Dann könnten wir es sehen, die betonierte Unübersichtlichkeit, die Wolke aus Abgasen und june gloom. Die Ampel zeigt grün, die metallene Karawane zieht weiter. Ein Pick-Up hält am Seitenrand direkt vor der Wäscherei. Eine Frau steigt aus, geht zwei Schritte und dann hinein. Kommt heraus mit der automatisch getrockneten Wäsche und fährt davon. Ein Mexikaner treibt schwitzend mit einer Maschine die trockenen Palmwedel vor sich her. Er trägt eine Cap, auf der ist zu lesen: LA Lakers. Die gibts in Downtown aus China für nen Dollar. Hab ich selbst gesehen. Der Mexikaner bleibt stehen, zündet sich eine Zigarette an. Arbeitet rauchend und schwitzend weiter. Niemand sonst zu Fuß auf der Straße. Polizeisirenen heulen auf, weiter hinten, vielleicht zwei Blocks entfernt, sind Schüsse gefallen, vielleicht auch ein Mensch. Im Haus nebenan schreit ein Kind. Wir bleiben still und unsere Gedanken verlieren sich im Flimmern bis zum Nachmittag.

Wir warten stehend auf den Bus am Boulevard zum Meer. Die Sitzplätze an der Haltestelle sind aus Metall, sind heiß und unbesetzbar. An der Haltestelle stellt sich ein Mann wartend in den Schatten der Straßenlaterne. Die Gehwegplatten sind von unterirdischen Wurzeln versteckter Palmtrees hochgedrückt, ragen gebeugt empor. Hingegen sind die Straßen glatt asphaltiert. Am Straßenrand dreht ein Mexikaner ein Werbeschild mit seinen Händen. Handarbeit ist genau nach örtlicher Abstammung aufgeteilt. Lebende Reklame um auf den Gebrauchtwagenladen aufmerksam zu machen. Daneben ein Seven-Eleven. Schnell noch Zigaretten kaufen. Der Shop ist fast leer die Klimaanlage summt. An der Kasse steht ein Verkäufer im orange-grün gestreiften Workdress. Erinnert mich an irgendwas von früher mal. Hi. How are you today? Immer möchte man sagen: Scheiße. Das nur, um kontrastreiche Irritation in der desinteressierten und beiläufigen Small-Talk-Methalität auszulösen. Also, stank you. Kauft man gleich drei Päckchen, dann wirds günstiger. Die Masse machts, das ist hier eine goldene Regel. Im Cosco gibt es Mengenabpackungen, die so Manches erklären. Wie zum Beispiel die Größe der haushaltsüblichen Kühlschränke. Und auch den Diss Your mother's too fat for Coscos. Der Spruch ist Neunziger, das Problem gegenwärtig. Chips und Fries sind günstiger als ne Kartoffel. Vor uns im Bus sitzt eine Frau, die ist so fett, dass sie sich auf zwei Sitzplätze zwängt. Im Bus riecht es nach Abgasen, Schweiß und Fritiertem. Ein junger Mann isst ein Menü to go, trinkt aus einem Pappbecher. Bis es schlürft. Beim Halten des Busses wirft er den leeren Becher durch die geöffnete Tür auf die Straße hinaus. Trifft dabei die dicke Frau, die noch versucht auszusteigen. Beide streiten. Die Fat Bitch und der Son of a Bitch liefern sich ein lauthalses Wortgefecht bis sich die Bustür wieder schließt. Wie ein Vorhang in einem Bühnenstück. Wir setzen uns immer hinten in den Bus, denn dort haben wir einen guten Blick.

Ecke Venice/Pacific steigen wir aus. Die Tür schließt sich hinter uns, vor uns liegt das Leben. Hier in Venice ist das Leben fresh and fancy. Auf dem Boardwalk flanieren sie in Bikini und Shorts gegen das christlich-prüde Amerika. Ausziehen ist verboten, am Muscle Beach zelebrieren sie den Körperkult. Sehen und gesehen werden. Er posiert, zeigt seine Muskeln, ich lache ihm zu. Er positioniert seinen Bizeps, his work is black and beauty, ich lache ihm zu. Dazu rollen die Boards im Takt der Wellen dahin, in einer Halfpipe. Dahinter auf den Surfboards, warten sie auf die große Welle. Die ans Land gespült, verrät von den entlegensten Orten. Der Pacific ist kälter als uns erwünscht. Wir liegen in Bikini am Strand, lassen unsere blassen straffen Körper mit Sand umwehen, cremen uns ein, bis der Sand auf unseren Körpern klebt. Lifeguards bewachen uns aus weißen Hütten, aus roten Jeeps. Wie wir daliegen, in der Tsunamie Hazard Zone. Betreten auf eigene Gefahr. Schauen sich um. Wir schauen durch Hater-blockers in die Welt, um nicht geblendet zu werden. Weiter drüben sitzt ein Affe auf der Schulter. Weiter drüben sitzt ein Obdachloser in seinem Elend. Neben einem Einkaufswagen, den er liebevoll sein Mobile home nennt. In South-East ganze Zeltstädte unter den zehn Spuren der Highwaybrücken. Zwischen Kirchen, liquor stores und nail-design stores. Hier gibt es keinen Starbucks, keine Mall, keine Bank of America. Weiter draußen in der Wüste gibt es ausgebrannte und verlassene Häuser, Wohnwagen, und Couches unter freiem Himmel. In Mekka kotzt eine Frau am Sonntagmorgen gegen die Wand der einzigen Tankstelle der Stadt, ein Hund liegt in der Sonne. In Salton Sea Beach verraten angezapfte Stromleitungen von einem ehemaligen Leben. Was bleibt, sind die zerfressenen Wände. Hier steht, wie auf Grabsteinen geschrieben: Everything must end und Believe in God. Daneben ein Grafitti von einem Mann der einem Schwein in den Arsch kriecht: Piggy Stick. Gibts für unterwegs. Im Reiseführer sind diese Orte für den Weg nicht empfohlen.

Auf dem Rückweg Dreharbeiten am Abbot Kinney. Die Straße ist gesperrt. Ein Policeofficer regelt den Verkehr. Wagen für künstliches Licht, für Vertonung, für ausgiebige Gaderobe. Künstlich geschminkte Gesichter ohne Schweißperlen huschen umher. Und Action. Ein künstlich szeniertes Reallife, immer wieder in dieser Stadt. Auch Du hast das Geschehen gesehen in 21,5 Zoll. Hollywood Entertainment District ist ein weltweiter Exportschlager. Der Walk of fame nur ein billiger Abklatsch der Milliardenverträge, die hier verhandelt werden. No Business like Showbusiness. Illusionen erzeugen, aufrechterhalten vom amerikanischen Traum. Füttert sie mit Spielen! Gepanzerte Limousinen mit verschleierten Vorhängen pendeln raus nach Malibu oder St Barbara. Während wir auf den Bus warten und für nen Quarter Zigaretten verkaufen. Dann ziehe ich mir meine Cali-Cap tiefer ins Gesicht und sage:
I lost my head but not my hat. I lost my hat but not my head.

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RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 20.05.2014, 21:07

Hallo Crux,
das schwankt so ein bißchen: beim Lesen ist's mal eine lakonische Beschreibung, - diese Teile empfand ich als gelungener - mal ein bisschen Abrechnung, beides geht ja als Sprechhaltung, aber die Wechsel wirkten auf mich willkürlich, aus einer Erinnerung geboren, nicht 'literarisch', dh. für eine Gestaltung des Textes gesetzt, letzteres würde ich spannender finden. So wirkt es, vor allem gegen Ende wie eine Notizensammlung, stellenweise unglücklich angereichert ("Der Walk of fame ist nur ein billiger Abklatsch ..." - wer spricht hier? Ein kitschiger Reporter?). Ich würde vermutlich versuchen, entweder die urteilende Seite ganz raus zu nehmen - oder den kritisierenden Stier mit Konsequenz zu reiten, aber dann wäre ein erzählender, eintauchender Ton eventuell leichter. So ist es ein kleiner Steinbruch; noch dazu mit sehr viel Name Dropping (ist Palmtrees wirklich besser als Palmen?) belastet, als wäre es eine Gefahr für den Text, wenn ein Leser die Authentizität anzweifeln würde. Ich lese so Sachen trotzdem gerne, hoffentlich raubt die Kritik nicht die Lust, weiter daran rumzubosseln - oder auch mit dem sledgehammer einen neuen Anfang machen, whatever,
Schöne Grüße
RäuberKneißl

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 21.05.2014, 14:32

RäuberKneißl hat meine Eindrücke beim Lesen des Textes treffend verbalisiert.

Das Gegenteil von einer idylischen Welt: Eine harte, undurchdringliche Oberfläche.


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