Valencia Platz (für Aram)

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 29.04.2014, 10:28

Herr Vater erzählte mir, er sei als junger Mann total verknallt in eine junge Spanierin gewesen. Nur einmal sah er sie. Er wollte sie in seinem Auto, einem alten Käfer, mitnehmen, aber (es war Winter) er konnte das Eis an der Windschutzscheibe nicht abkratzen. Er versuchte es mit Wasser, aber das Wasser, das er aus einem Eimer schüttete, gefror sofort. Er versuchte es mit heißem Wasser, und das heiße Wasser wurde noch schneller zu Eis. Sein Käfer war ein Eisblock geworden. So wurde die Flamme, die jene schöne Spanierin in diesem heute alten Germanen entzündete, bis heute konserviert ... Das ist 36 Jahre her. Die Frau war aus Valencia. Jedes Mal, wenn er mit dem Bus am Valencia Platz vorbeifährt, denkt er an sie.

MunaGermann

Beitragvon MunaGermann » 12.06.2014, 09:15

Die Geschichte könnte spannender sein, wenn sie ausführlicher erzählt wird: Schritt für Schritt das Bemühen, die Windschutzscheibe frei zu bekommen. Mir fallen aber zwei Unstimmigkeiten auf. Für die Versuche des Auftauens brauchte es doch ewig. Stand die Frau die ganze Zeit daneben und wartete? Oder wie war die Situation genau?
Und dann hat er damals ein Auto und nun fährt er Bus. Das mag ja so sein, aber in einem literarischen Text fragt man sich, ob dahinter eine tiefere Bedeutung steckt.
Muna

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 12.06.2014, 11:01

lieber klimperer,

ich stimme muna (willkommen im salon!) in ihren fragen und einschätzungen zu.

erzählerische elemente dieser geschichte wirken, was du womöglich gar nicht beabsichtigt hast, surreal - durch das zusammenspiel surrealer bilder mit inhaltlichen leerstellen fragte ich mich beim lesen, ob das alles zusammen metaphorisch zu verstehen, oder bloß unaufmerksam/ ungenau verfasst ist.

Klimperer hat geschrieben:Herr Vater
ein ziemlich spezieller name; aus deinen texten bereits bekannt

Klimperer hat geschrieben:erzählte mir, er sei als junger Mann total verknallt in eine junge Spanierin gewesen. Nur einmal sah er sie. Er wollte sie in seinem Auto, einem alten Käfer, mitnehmen,
hm - zuerst wird vermittelt, dass er in die spanierin verknallt war, daraufhin, dass er sie nur ein einziges mal sah, schließlich, dass er sie 'in seinem auto mitnehmen' wollte - soll durch diese reihung unter aufteilung auf getrennte hauptsätze angedeutet werden, dass er schon verknallt in sie war, bevor er sie gesehen hatte? oder verknallte er sich das eine mal total, als er sie sah - und wollte sie daraufhin gleich mitnehmen? - so à la "ich verknalle mich in etwas, also nehme ich es mit"? oder begann es vielleicht doch mit der angedachten mitfahrgelegenheit, und da verknallte er sich? (...) (- wenn etwas so knapp geschildert wird, müssen details passen, um zu überzeugen)

die frau wird an dieser stelle ebenso beschrieben wie das auto - alter käfer, junge spanierin - beide werden gleich weit ausdifferenziert.

darüber hinaus wird befremdlicherweise in weiterer folge nur noch mit dem auto (der vereisten scheibe) interagiert -
das könnte höchstens funktionieren, wenn die geschichte hrn vater selbst sprechen ließe, also deutlicher seine schilderung erzählt würde; so funktioniert es nicht. (bei "schlendrian" ist diese balance hingegen perfekt!)

Klimperer hat geschrieben:aber (es war Winter) er konnte das Eis an der Windschutzscheibe nicht abkratzen.
unklar bleibt, woran das scheiterte. allein am winter kann es nicht gelegen haben.

- ich fragte mich an dieser stelle, ob sie die parallele "auto - frau" weiterführen soll.

Klimperer hat geschrieben:Er versuchte es mit Wasser, aber das Wasser, das er aus einem Eimer schüttete, gefror sofort.
wo hat er eimer und wasser her?

Klimperer hat geschrieben:Er versuchte es mit heißem Wasser, und das heiße Wasser wurde noch schneller zu Eis.
das heiße wasser (woher hat er das wieder?) gefriert schneller als das kalte - eine erstaunliche physikalische anomalie. die geschehnisse werden zusehens surreal -

Klimperer hat geschrieben:Sein Käfer war ein Eisblock geworden.
- und darin weiter gesteigert! das auto (oder, moment - wofür steht 'sein käfer' vllt noch?) ist nun als ganzes ein eisblock, nachdem bloß - die windschutzscheibe vom eis befreit werden sollte.

(und was ist mit der so nachhaltig wirkenden frau? futsch, weg, aufgelöst, oder vielleicht - das nächste bild deutet darauf hin - im eis konserviert? hatte sie bereits im käfer platz genommen, als er während der enteisungsaktion unversehens zum block gefror? - jedenfalls wird sie überhaupt nicht mehr erwähnt.)

Klimperer hat geschrieben:So wurde die Flamme (...) bis heute konserviert ...
eisblock konserviert flamme - das gibt zu denken: magischer, unauftaubarer eisblock? mikrige oder kalte flamme? - bis heute? der leser zweifelt - das auto ist nie mehr aufgetaut? oder nein, der innerliche eisblock ist gemeint, denn im mann wurde die flamme ja entzündet. oder die flamme ist gar nicht im eis konserviert -- und kommt leicht verwirrt zu dem schluss: vermutlich irritiert/schwächelt hier einfach die metaphorik.~)

(wenn man lakonisch schreiben möchte, sollte man übertreibungen wie 'eisblock', die damit automatisch zur metapher werden, m.e. besser vermeiden, oder aber auch metaphorisch zu ende denken; und 'knapp/lakonisch' bedeutet auch nicht ungenau.)

Klimperer hat geschrieben:, die jene schöne Spanierin in diesem heute alten Germanen entzündete,
jene frau war schön, erfährt man jetzt noch - ein bisschen spät, und ein bisschen unspezifisch, finde ich. und der mann ist jetzt ein "alter germane" - wow...womöglich ist er durch das eisblock-flamme-erlebnis zu einer art archetyp oder so geworden? - alter schwede!

Klimperer hat geschrieben:Das ist 36 Jahre her.
Klimperer hat geschrieben:Die Frau war aus Valencia.
aha

Klimperer hat geschrieben:Jedes Mal, wenn er mit dem Bus am Valencia Platz vorbeifährt, denkt er an sie.
wenn das z.b. in mainz ist, wäre es der "Valenciaplatz" - an dem kann man tatsächlich mit dem bus vorbeifahren, was bei plätzen nicht häufig der fall ist. (abschließende metaphorik? sein auto ist vor 36 jahren zum eisblock geworden, so muss der mann nun den bus nehmen?)

schön finde ich: selbst die erinnerung an die nicht-mitgenommene 'flamme aus valencia' geschieht in mainz nicht auf dem gleichnamigen platz, sondern nur daran vorbei.

lieber carlos, wie du siehst - ich habe die geschichte gelesen; trotzdem hat sie mich nicht ganz erreicht (obwohl ich sie über mein kommentieren nun ziemlich verinnerlicht habe!); trotzdem dankeschön für die widmung! .-)

liebe grüße!


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste