Starr
Sie betrachtete vom Fenster aus den Sohn ihrer Nachbarin und fragte sich, wie lange sie es noch ertragen würde. Jedes Mal, wenn sie ihn beobachtete, wie er sich, die Tasche lässig über die Schulter gehängt, auf den Weg zur Schule machte, Simons Schule, spürte sie Hass. Es war ein Gefühl, das sie früher nicht gekannt hatte. Umso heftiger fühlte sie sich jetzt davon gepeinigt. Sie versuchte, ihren Grimm, diese unbändige Wut niederzukämpfen, indem sie sich selbst versicherte, der Nachbarsjunge trage keine Schuld, er habe mit Simons Schicksal gar nichts zu tun, doch es half ihr nicht. Allein die Ungerechtigkeit, dass dieser Junge sich am Morgen von seiner Mutter verabschieden und mittags erschöpft nach Hause kommen konnte, erregte sie heftig. Manchmal wünschte sie sich sogar, es möge ihm etwas zustoßen, damit ihr Schmerz endlich ein Ende nehmen würde.
Mitunter versuchte sie, diese Qual zu umgehen, indem sie später aufstand oder sich fest vornahm, nicht zum Nachbarhaus zu schauen. Doch eine gnadenlose, selbstzerstörerische Kraft trieb sie ans Fenster, wo sie so lange wie angewurzelt stehen blieb, bis sie mit ansehen musste, wie der Junge sich auf den Weg zur Schule machte.
Einmal hatte er bemerkt, dass sie am Fenster stand und ihn anschaute. Er winkte ihr freundlich zu. Ihr war übel geworden, so sehr hatte sich der Hass in ihre Gedärme verbissen. Inzwischen winkte er nicht mehr, sondern entfernte sich meist hastig aus ihrem Blickfeld.
Starr
gut geschrieben und beschrieben. allerdings würde ich in weiterem verlauf (? gibts noch mehr?) wahrscheinlich ein hass auf die hauptdarstellerin entwickeln, da sie scheint eigenes unglück mit glück den anderen abzumessen...aber darum geht es ja auch, auch negative gefühle ziehen in eine geschichte hinein...und es ist aus schreiberssicht auch immer sehr spannend eine figur zu entwickeln die nicht sympathieträger ist 
willkommen in salon auch von mir
lg, pjesma

willkommen in salon auch von mir
lg, pjesma
Eine feine Miniatur, die viel Raum für eigene Gedanken lässt.
Besonders der letzte Satz gefüllt mir. Der Junge scheint etwas von diesem Hass gespürt zu haben.
Ein wenig überladen finde ich nur den Satz "eine selbstzerstörerische Kraft trieb sie gnadenlos ans Fenster ..." das Gnadenlos ist so ein typisches bedeutungsarmes Metawort - warum sollte eine selbstzustörerische Kraft auch Gnade besitzen? -, das würde ich einfach streichen.
Der in die Gedärme verbissene Hass ist dagegen richtig fein beobachtet.
Grüße von Zefira
Besonders der letzte Satz gefüllt mir. Der Junge scheint etwas von diesem Hass gespürt zu haben.
Ein wenig überladen finde ich nur den Satz "eine selbstzerstörerische Kraft trieb sie gnadenlos ans Fenster ..." das Gnadenlos ist so ein typisches bedeutungsarmes Metawort - warum sollte eine selbstzustörerische Kraft auch Gnade besitzen? -, das würde ich einfach streichen.
Der in die Gedärme verbissene Hass ist dagegen richtig fein beobachtet.
Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Moin Zefira,
"gnadenlos" würde ich nicht als "bedeutungsarm" bezeichnen, wohl aber als Tautologie bezüglich "selbstzerstörerisch" vielleicht. Andererseits, ist das tautologisch genug, um nicht als Verstärkung dienen zu dürfen? Analytisch betrachtet:
Doch eine gnadenlos selbstzerstörerische Kraft trieb sie ans Fenster.
Doch eine gnadenlose, selbstzerstörerische Kraft trieb sie ans Fenster.
Ahoy
P.
"gnadenlos" würde ich nicht als "bedeutungsarm" bezeichnen, wohl aber als Tautologie bezüglich "selbstzerstörerisch" vielleicht. Andererseits, ist das tautologisch genug, um nicht als Verstärkung dienen zu dürfen? Analytisch betrachtet:
Doch eine gnadenlos selbstzerstörerische Kraft trieb sie ans Fenster.
Doch eine gnadenlose, selbstzerstörerische Kraft trieb sie ans Fenster.
Ahoy
P.
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