Dieser Traum ist ihm der liebste:
Er befindet sich in einem von brennenden Fackeln beleuchteten Gewölbegang. Sein Weg führt ihn zu einem Verlies, in dessen Mitte ein aus Stein gehauener Tisch steht. Darauf liegt ein Mädchen, bekleidet nur mit einer Rose. Sie sieht ihn an und ihr Blick erzählt eine Geschichte, die er schon kennt, auch wenn er sie nicht geträumt hat, weil Träumende nicht nur die Gegenwart eines Traumes erleben, sondern auch von dessen unendlich verschlungener Vergangenheit wissen. Vor dem Tisch steht ein Mann, eine Riese in Pluderhose, einem Tuch um die Hüften und einer Lederweste auf dem bloßen Oberkörper. Er hält einen mächtigen Krummsäbel in den Händen, den er anhebt, um das Mädchen in zwei Hälften zu teilen. Drei Mal lässt er die Klinge niedersausen. Nach dem letzten Hieb, der den Körper des Mädchens endgültig durchtrennt, wirft sie die Rose von sich.
Natürlich hat er andere Träume, die er liebt oder fürchtet. Den mit der Mutter, die am Küchentisch sitzt und ihn ruft, während er verzweifelt versucht die Tür zu öffnen (er weiß, dass sie am Küchentisch sitzt, obwohl er vor der verschlossen Tür steht); von dem Fahrrad, dessen Speichen Schlangen sind; der lange Gang innerhalb eines Hauses, der an einem Ende hell erleuchtet, am anderen aber finster ist und er unwillkürlich in diese Finsternis hingezogen wird; das Flugzeug, aus dem er hinausgestoßen wird und hinabstürzt, um mit einem Gefühl unbeschreiblicher Freude im Schnee aufzuschlagen; sein brennendes Zimmer, in dem ihm friert während die Zungen der Flammen etwas zu suchen scheinen; das Klassenzimmer, das ihm fremd ist, mit Schülern, die er nicht kennt und einem Lehrer, der aussieht wie sein Vater, der Fragen stellt und ihm, während er darauf bedacht ist zu antworten, mit einem Male bewusst wird, dass er nackt ist und das Problem der Nacktheit plötzlich alles überschattet; eine Reise, die er begeistert antritt, die sich in unzähligen Farben und Formen verliert und an einem Ort endet, an dem Reisen außerhalb eines Traumes niemals enden würden. In machen Träumen ist er Gott, in anderen der Teufel oder ein Dämon, oder er weiß, dass etwas wunderbares passieren wird, auf das er nur noch einen kleinen Moment warten muss, diesen Moment aber plötzlich viele Personen bevölkern, eine Ablenkung auf die andere folgt, wodurch jene freudige Erwartung schließlich selbst zu etwas wird, das nur geträumt zu sein scheint.
All diese Träume sind ihm Freund und Feind und er widmet ihnen am Tage wenige oder gar keine Gedanken, kehrt er aus all diesen zwar manchmal etwas beunruhigt, aber doch immer unverändert zurück. Nur bei dem Traum von dem Mädchen, das zerteilt wird, das ihn flehentlich ansieht und das er – obwohl er meint es zu wollen oder es zu versuchen – nicht retten kann, findet er nach dem Erwachen eine Rose in seiner Hand.
Dieser Traum ist ihm der liebste
Hallo Sam,
Minuten, nachdem du deinen neuen Text eingestellt hattest, habe ich ihn das erste Mal gelesen.
Sein Rhythmus hat mich gepackt und in irrem Tempo entlang der Worte gezogen, bis zum Schluss, wo ER nach dem Erwachen eine Rose in seiner Hand hält.
Seitdem habe ich die Erzählung mehrmals gelesen, kann sie eigentlich schon auswendig, ist ja nicht so lang.
Verstörend das Bild des nackten Mädchens, zerschlagen von einem orientalisch gekleideten Mann. Verstörend besonders wegen der Überschrift: Sein liebster Traum. So etwas liest frau nicht gern von einem Mann, denn es mach Angst.
Recherche im Internet: Die Rose ist nicht nur ein Symbol für Liebe, Freude und Jungendfrische, sondern auch für Schmerz, Vergänglichkeit und Tod. Allmählich beruhigt sich mein Herz. Scheinbar geht es um den Kreislauf des Lebens? Eine Herbstgeschichte. Das ist sein liebster Traum, die Unsterblichkeit. Wer? ER.
Nicht SIE
. Oder UNSER liebster Traum
. Ach ja, des Menschen ...
Doch Sam, ich nehme dich ernst. Ehrlich. Frage mich nur, ob es in diesen Zeiten so geschickt ist, für den Tod einen säbelschwingenden Orientalen zu wählen?
Dein Stil ist ganz toll. Wie du die Träume aufzählst. Als wenn der Leser in einen reißenden Fluss gefallen wäre. Wie mitten ins Leben gestoßen. Die Idee, einfach sagenhaft.
Ich werde den Text noch öfter lesen, wer weiß, was er mir noch zu bieten hat.
Viele Grüße
Dede
Minuten, nachdem du deinen neuen Text eingestellt hattest, habe ich ihn das erste Mal gelesen.
Sein Rhythmus hat mich gepackt und in irrem Tempo entlang der Worte gezogen, bis zum Schluss, wo ER nach dem Erwachen eine Rose in seiner Hand hält.
Seitdem habe ich die Erzählung mehrmals gelesen, kann sie eigentlich schon auswendig, ist ja nicht so lang.
Verstörend das Bild des nackten Mädchens, zerschlagen von einem orientalisch gekleideten Mann. Verstörend besonders wegen der Überschrift: Sein liebster Traum. So etwas liest frau nicht gern von einem Mann, denn es mach Angst.
Recherche im Internet: Die Rose ist nicht nur ein Symbol für Liebe, Freude und Jungendfrische, sondern auch für Schmerz, Vergänglichkeit und Tod. Allmählich beruhigt sich mein Herz. Scheinbar geht es um den Kreislauf des Lebens? Eine Herbstgeschichte. Das ist sein liebster Traum, die Unsterblichkeit. Wer? ER.



Doch Sam, ich nehme dich ernst. Ehrlich. Frage mich nur, ob es in diesen Zeiten so geschickt ist, für den Tod einen säbelschwingenden Orientalen zu wählen?
Dein Stil ist ganz toll. Wie du die Träume aufzählst. Als wenn der Leser in einen reißenden Fluss gefallen wäre. Wie mitten ins Leben gestoßen. Die Idee, einfach sagenhaft.
Ich werde den Text noch öfter lesen, wer weiß, was er mir noch zu bieten hat.
Viele Grüße
Dede
Hallo Dede,
herzlichen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit dem Text!
Angst machen soll der Titel natürlich nicht, aber die Frage, inwieweit man einen solchen Traum als seinen liebsten bezeichnen kann aufwerfen, das schon.
Die Doppeldeutigkeit der Rose spielt da natürlich in die Karten, so bleibt das ganze ein wenig ambivalent. Ein Leser kann in die Richtung gehen, die du eingeschlagen hast - der Traum der Unsterblichkeit bzw. den, vom Überwinden des Todes. Andere Lesarten aber sind ebenso möglich, sieht man die Rose z.B. als reines Liebessymbol.
Diese Frage hier ist ebenfalls interessant:
Du meinst, weil in Teilen des Orients momentan testosteronübersättigte und zumeist ungebildetete Männer, angestachelt von opportunistischen und machtgeilen Glaubensfunktionären, ihrer religiösen Feinfühligkeit in gewalttätigen Protesten und Lynchmorden Ausdruck zu verleihen suchen? Oder generell eine gewisse kulturelle Dünnhäutigkeit zu beobachten ist, im Orient wie im Okzident?
Nun, Literatur sollte meines Erachtens niemals auf der Zeitgeisterbahn fahren. Wenn ich in einem Traumtext von einem Orientalen schreibe, dann denke ich weder an einen sich möglicherweise ereifernden Religionspöbel, noch an als political correctness getarnte Meinungsfeigheit. Ich denke da an die Märchen aus 1001 Nacht.
Ich danke dir nochmals für deine Gedanken zu diesem Text.
Gruß
Sam
herzlichen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit dem Text!
Angst machen soll der Titel natürlich nicht, aber die Frage, inwieweit man einen solchen Traum als seinen liebsten bezeichnen kann aufwerfen, das schon.
Die Doppeldeutigkeit der Rose spielt da natürlich in die Karten, so bleibt das ganze ein wenig ambivalent. Ein Leser kann in die Richtung gehen, die du eingeschlagen hast - der Traum der Unsterblichkeit bzw. den, vom Überwinden des Todes. Andere Lesarten aber sind ebenso möglich, sieht man die Rose z.B. als reines Liebessymbol.
Diese Frage hier ist ebenfalls interessant:
Frage mich nur, ob es in diesen Zeiten so geschickt ist, für den Tod einen säbelschwingenden Orientalen zu wählen?
Du meinst, weil in Teilen des Orients momentan testosteronübersättigte und zumeist ungebildetete Männer, angestachelt von opportunistischen und machtgeilen Glaubensfunktionären, ihrer religiösen Feinfühligkeit in gewalttätigen Protesten und Lynchmorden Ausdruck zu verleihen suchen? Oder generell eine gewisse kulturelle Dünnhäutigkeit zu beobachten ist, im Orient wie im Okzident?
Nun, Literatur sollte meines Erachtens niemals auf der Zeitgeisterbahn fahren. Wenn ich in einem Traumtext von einem Orientalen schreibe, dann denke ich weder an einen sich möglicherweise ereifernden Religionspöbel, noch an als political correctness getarnte Meinungsfeigheit. Ich denke da an die Märchen aus 1001 Nacht.
Ich danke dir nochmals für deine Gedanken zu diesem Text.
Gruß
Sam
Hallo Sam,
ich fände die Beziehung zwischen Titel und Traum spannend, mag auch die den Träumen eigene Logik und die Gedanken, die darum kreisen. Auch im zweiten Abschnitt könnte man viele Anknüpfungspunkte finden, aber mit der Auflösung am Ende "findet er nach dem Erwachen eine Rose in seiner Hand." verliert mich die Geschichte leider vollständig.
Liebe Grüße
Flora
ich fände die Beziehung zwischen Titel und Traum spannend, mag auch die den Träumen eigene Logik und die Gedanken, die darum kreisen. Auch im zweiten Abschnitt könnte man viele Anknüpfungspunkte finden, aber mit der Auflösung am Ende "findet er nach dem Erwachen eine Rose in seiner Hand." verliert mich die Geschichte leider vollständig.
Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)
Hallo Sam,
dann habe ich dich also falsch interpretiert. Sorry. Es geht also nicht um den Herbst oder Winter. Ich bin immer so harmoniesüchtig!
Denn, und ich glaube, deshalb habe ich auch einen weiteren Kommentar so lange hinausgezögert, anders als Flora stoße ich mich nicht so sehr am letzten Absatz. (Du schreibst die Rose sei ein Symbol für die Liebe, aber wie du vielleicht weißt, stehen längliche Gegenstände oft auch für etwas anderes.).
Nein, mich schreckt wie gesagt der erste Absatz in Verbindung mit dem Titel. Ich weiß nicht wessen Traum es ist. Aber eine nackte Frau auf einem Stein, die zerteilt wird, assoziiere ich nie mit derLiebe. Auch nicht, wenn sie mit dem Liebessymbol der Rose bekleidet ist.
Oder ist das Mädchen gestorben? Und der Träumer ist der trauernde Geliebte, der ihren Tod und damit seinen schmerzhaften Verlust im Traum zwar wiedererlebt, aber sich dennoch seiner verlorenen Geliebten nahe fühlt? Deshalb ist ihm dieser Traum am liebsten?
Die Frage, ob ein säbelschwingender orientalisch gekleideter Mann derzeit als Symbol für den Tod geeignet ist, habe ich ein wenig ironisch gemeint. Ich bin einer Meinung mit dir, dass übertriebene Rücksicht auf die pseudoreligiösen Gefühle einiger aufgeregter Männer der Literatur nicht zuträglich ist. Andererseits gibt es immer soziokulturelle Differenzen, die man/frau als AutorIn schnell mal übersieht, ohne dass man alle Konsequenzen im Blick hatte.
Viele liebe Grüße
Dede
dann habe ich dich also falsch interpretiert. Sorry. Es geht also nicht um den Herbst oder Winter. Ich bin immer so harmoniesüchtig!
Denn, und ich glaube, deshalb habe ich auch einen weiteren Kommentar so lange hinausgezögert, anders als Flora stoße ich mich nicht so sehr am letzten Absatz. (Du schreibst die Rose sei ein Symbol für die Liebe, aber wie du vielleicht weißt, stehen längliche Gegenstände oft auch für etwas anderes.).
Nein, mich schreckt wie gesagt der erste Absatz in Verbindung mit dem Titel. Ich weiß nicht wessen Traum es ist. Aber eine nackte Frau auf einem Stein, die zerteilt wird, assoziiere ich nie mit derLiebe. Auch nicht, wenn sie mit dem Liebessymbol der Rose bekleidet ist.
Oder ist das Mädchen gestorben? Und der Träumer ist der trauernde Geliebte, der ihren Tod und damit seinen schmerzhaften Verlust im Traum zwar wiedererlebt, aber sich dennoch seiner verlorenen Geliebten nahe fühlt? Deshalb ist ihm dieser Traum am liebsten?
Die Frage, ob ein säbelschwingender orientalisch gekleideter Mann derzeit als Symbol für den Tod geeignet ist, habe ich ein wenig ironisch gemeint. Ich bin einer Meinung mit dir, dass übertriebene Rücksicht auf die pseudoreligiösen Gefühle einiger aufgeregter Männer der Literatur nicht zuträglich ist. Andererseits gibt es immer soziokulturelle Differenzen, die man/frau als AutorIn schnell mal übersieht, ohne dass man alle Konsequenzen im Blick hatte.
Viele liebe Grüße
Dede
Hallo Sam,
Liebe Grüße
Flora
Sehe ich nicht so. Die Enttäuschung, oder der Ärger ist nur größer.Es freut mich, dass dir einiges an dem Text zusagt, auch wenn dir der Schluss nicht gefällt.
Aber besser, dich verliert die Geschichte erst am Ende, als wenn dies gleich am Anfang der Fall gewesen wäre
.gif)
Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)
Hallo Hetti,
dieser Hinweis...
...führt bestimmt zur einer der möglichen Deutungen der Rose.
Eros & Thanatos - literarisch schon sehr abgelutscht, aber Träume scheren sich nicht um Literaturgeschichte.gif)
Du schreibst:
An welche Art von Konsequenzen denkst du?
Gruß
Sam
dieser Hinweis...
Du schreibst die Rose sei ein Symbol für die Liebe, aber wie du vielleicht weißt, stehen längliche Gegenstände oft auch für etwas anderes.
...führt bestimmt zur einer der möglichen Deutungen der Rose.
Eros & Thanatos - literarisch schon sehr abgelutscht, aber Träume scheren sich nicht um Literaturgeschichte
.gif)
Du schreibst:
Andererseits gibt es immer soziokulturelle Differenzen, die man/frau als AutorIn schnell mal übersieht, ohne dass man alle Konsequenzen im Blick hatte.
An welche Art von Konsequenzen denkst du?
Gruß
Sam
Hallo Sam,
bei Konsequenzen aus soziokulturellen Differenzen denke ich an die Gefahr der Stereotypenbildung. Also das eine soziale Gruppe Überzeugungen teilt über eine andere Gruppe, hinsichtlich deren Attribute, Eigenschaften, Verhaltensweisen u.s.w.
Und daraus resultierend denke ich an die Befindlichkeit von Menschen einer bestimmten Region, hier des heutigen Iraks, die sich sorgen um eine stereotype Wahrnehmung ihrer Kultur oder ihrer sozialen Gefüge im sogenannten Westen.
Oben in deinem Kommentar steht, wenn du „Orientalen“ in deinem Traumtext schreibst, denkst du an die Märchen aus 1001 Nacht.
Das geht wahrscheinlich vielen Europäern so. Mir auch. Die Geschichten aus 1001 stehen, je nachdem welchen Schwerpunkt man so ganz allgemein hat, entweder für Kindermärchen oder Erotik. Ich kann mir vorstellen, dass es jemanden verstört, der im Irak/Orient wohnt, wenn seine Kultur und Historie, für die auch ein bestimmter Kleidungsstil charakteristisch ist, nämlich Turban und Pluderhose, in einer anderen Kultur (ich sag jetzt mal reduzierend der europäische Kulturraum) so wahrgenommen wird wie in deiner Traumerzählung: In enger Verbindung zum grausigen Tod eines schutzlosen Mädchens.
Ich habe mich eben ein bisschen schlau gemacht: Für Muslime stehe der Kalif Harun ar-Raschid, einer zentralen Figur aus 1001 Nacht, tatsächlich für Brutalität und gemeinen Lebenswandel. Das müssen dann noch nicht einmal die „testosteronübersättigte und zumeist ungebildeteten Männer“ sein, wie du es schreibst, die „ angestachelt von opportunistischen und machtgeilen Glaubensfunktionären, ihrer religiösen Feinfühligkeit in gewalttätigen Protesten und Lynchmorden Ausdruck zu verleihen suchen“, welche sich gekränkt fühlen.
Womöglich leiden gerade jene aus anderen sozialen Schichten stammenden, aber im gleichen Kulturraum lebenden Personen darunter, dass „wir“ als soziale Gruppe die gleiche Überzeugung teilen: Mann in Pluderhose und Turban steht für Orientale, steht für Märchen aus 1001 Nacht, steht für Harun ar-Raschid, steht für Brutalität.
Lieber Sam, solche Konsequenzen der soziokulturellen Differenzen zwischen Orientalen und Okzident hat ein Autor womöglich nicht immer Blick, wenn er eine Erzählung schreibt. Erst recht nicht wenn es sich um eine Traumerzählung handelt.
Ist auch nicht so schlimm, in deinem Text gibt noch zig andere diskussionswürdige Facetten.
Liebe Grüße
Dede
bei Konsequenzen aus soziokulturellen Differenzen denke ich an die Gefahr der Stereotypenbildung. Also das eine soziale Gruppe Überzeugungen teilt über eine andere Gruppe, hinsichtlich deren Attribute, Eigenschaften, Verhaltensweisen u.s.w.
Und daraus resultierend denke ich an die Befindlichkeit von Menschen einer bestimmten Region, hier des heutigen Iraks, die sich sorgen um eine stereotype Wahrnehmung ihrer Kultur oder ihrer sozialen Gefüge im sogenannten Westen.
Oben in deinem Kommentar steht, wenn du „Orientalen“ in deinem Traumtext schreibst, denkst du an die Märchen aus 1001 Nacht.
Das geht wahrscheinlich vielen Europäern so. Mir auch. Die Geschichten aus 1001 stehen, je nachdem welchen Schwerpunkt man so ganz allgemein hat, entweder für Kindermärchen oder Erotik. Ich kann mir vorstellen, dass es jemanden verstört, der im Irak/Orient wohnt, wenn seine Kultur und Historie, für die auch ein bestimmter Kleidungsstil charakteristisch ist, nämlich Turban und Pluderhose, in einer anderen Kultur (ich sag jetzt mal reduzierend der europäische Kulturraum) so wahrgenommen wird wie in deiner Traumerzählung: In enger Verbindung zum grausigen Tod eines schutzlosen Mädchens.
Ich habe mich eben ein bisschen schlau gemacht: Für Muslime stehe der Kalif Harun ar-Raschid, einer zentralen Figur aus 1001 Nacht, tatsächlich für Brutalität und gemeinen Lebenswandel. Das müssen dann noch nicht einmal die „testosteronübersättigte und zumeist ungebildeteten Männer“ sein, wie du es schreibst, die „ angestachelt von opportunistischen und machtgeilen Glaubensfunktionären, ihrer religiösen Feinfühligkeit in gewalttätigen Protesten und Lynchmorden Ausdruck zu verleihen suchen“, welche sich gekränkt fühlen.
Womöglich leiden gerade jene aus anderen sozialen Schichten stammenden, aber im gleichen Kulturraum lebenden Personen darunter, dass „wir“ als soziale Gruppe die gleiche Überzeugung teilen: Mann in Pluderhose und Turban steht für Orientale, steht für Märchen aus 1001 Nacht, steht für Harun ar-Raschid, steht für Brutalität.
Lieber Sam, solche Konsequenzen der soziokulturellen Differenzen zwischen Orientalen und Okzident hat ein Autor womöglich nicht immer Blick, wenn er eine Erzählung schreibt. Erst recht nicht wenn es sich um eine Traumerzählung handelt.
Ist auch nicht so schlimm, in deinem Text gibt noch zig andere diskussionswürdige Facetten.
Liebe Grüße
Dede
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