Die Kette
Verfasst: 02.07.2012, 11:40
Neue Version vom 15.7.12:
Die Kette
Manchmal findet man etwas in seinen Kramkisten, was Erinnerungen weckt. So ging es Franka an diesem Morgen und deshalb steht sie jetzt mit gesenktem Kopf, die Hände im Nacken, vorm Badezimmerspiegel. Sie tastet sich die Perlen entlang, um den Verschluss zu finden, aber diese lösen sich urplötzlich aus ihrer Ordnung, prasseln auf die Fliesen und springen in alle Ecken und Ritzen, unmöglich, nur eine von ihnen mit den Augen zu verfolgen. Sie weiß nicht, was sie zuerst fühlt, den Schrecken oder die Enttäuschung darüber, dass das, was sie schon befürchtet hatte, als sie über das Alter der Kette nachdachte, jetzt tatsächlich passiert ist. Dann ist es still und sie weiß, dass jeder Rettungsgedanke zwecklos ist. Niemals könnte sie sich im Detail erinnern. Noch weniger hätte sie heute die Geduld zu solch einer Handarbeit. Dieses Schmuckstück würde für immer verloren bleiben.
Sie überlegt. Wie lange war es her, dass sie diese Kette angefertigt hatte? Fünf Jahre? Sieben Jahre? Sie erinnert die Zweifel bezüglich ihrer Haltbarkeit, die sie nach dem Erwerb des Spezialfadens hatte. Gar nicht billig war der gewesen. Hauchdünn, aber elastisch, so dass sie ein eng am Hals liegendes Kunstwerk aus winzigen Perlen und Plättchen, so wie es modern war, hatte auffädeln können. Oft hatte sie die Kette nicht getragen. Schnell war sie in den Schubladen verschwunden.
Trotzdem trifft sie der Verlust. Schade, die Kette war ein Unikat gewesen. Wäre sie damals eine andere gewesen, eine aus Kronberg vielleicht, dann hätte sie die Kette in Serie herstellen können und für teures Geld in einer Galerie feilbieten. Dann wäre ihr der Gegenwert erhalten geblieben. Aber sie hatte die Perlen nur für sich aufgefädelt.
Sternchenzwirn wäre das richtige Material gewesen.
Sie weiß, dass sie Sternchenzwirn hat. Sternchenzwirn hatte sie schon immer gehabt. Sternchenzwirn geht in ihrer Küche nicht aus.
Stattdessen holt sie von dort Schaufel und Handfeger und lässt wenig später das mühsam Zusammengekehrte in den Müllbeutel unter der Spüle rieseln. Dann schließt sie die Tür und geht wieder zurück ins Bad.
Keine Kette. Also wie gestern oder vorgestern. Lippenstift, ein Tuch vielleicht, Jacke.
Das Badezimmerlicht brennt noch. In ihren Pupillen reflektiert sich das Licht der Halogenstrahler. Eigentlich ist es längst hell genug, denkt sie, und dreht sich um zum Schalter.
Erste Version:
Die Kette
Sie tastet sich an den Perlen entlang, um den Verschluss zu öffnen, und sie geben nach, prasseln auf die Fliesen und springen in die Vertiefungen der Fugen, unmöglich, eine von ihnen mit den Augen zu verfolgen. Ein Aufschrei, dann ist es still, denn sie weiß, dass jeder Rettungsgedanke zwecklos ist. Das Schmuckstück bleibt verloren.
Sie überlegt. Wie lange ist es her, dass sie diese Kette angefertigt hatte? Fünf Jahre? Sieben Jahre? Sie erinnert ihre Zweifel bezüglich der Haltbarkeit. Wie dünn das Nylonfädchen doch gewirkt hatte! Und trotzdem hatte es sich dehnen lassen! Oft hatte sie die Kette nicht getragen, so schnell war sie in den Schubladen verschwunden.
Trotzdem trifft sie der Verlust. Schade. Ein echtes Unikat! Wäre sie eine von diesen neureichen Ehefrauen gewesen, eine aus Kronberg vielleicht, dann hätte sie die Kette in Serie herstellen können und für teures Geld in der Vorzeigegalerie der Altstadt feilbieten. Dann bliebe ihr heute noch die Erinnerung an den Gewinn. Aber sie hatte die Perlen nur für sich aufgefädelt.
Sternchenzwirn wäre das richtige Material gewesen.
Sie weiß, dass sie Sternchenzwirn hat. Sternchenzwirn hatte sie schon immer. Sternchenzwirn geht bei ihr nicht aus. Aber braucht sie diese Kette noch?
Sie holt Schaufel und Handfeger und lässt die Perlen aus Perlmutt in den Müllbeutel unter der Spüle rieseln. Dann schließt sie die Tür und geht zurück zum Spiegel. Ihre Pupillen reflektieren das Licht des Halogenstrahlers in ihrem Rücken. Eigentlich wäre es inzwischen hell genug, denkt sie, und dreht sich um zum Lichtschalter.
Die Kette
Manchmal findet man etwas in seinen Kramkisten, was Erinnerungen weckt. So ging es Franka an diesem Morgen und deshalb steht sie jetzt mit gesenktem Kopf, die Hände im Nacken, vorm Badezimmerspiegel. Sie tastet sich die Perlen entlang, um den Verschluss zu finden, aber diese lösen sich urplötzlich aus ihrer Ordnung, prasseln auf die Fliesen und springen in alle Ecken und Ritzen, unmöglich, nur eine von ihnen mit den Augen zu verfolgen. Sie weiß nicht, was sie zuerst fühlt, den Schrecken oder die Enttäuschung darüber, dass das, was sie schon befürchtet hatte, als sie über das Alter der Kette nachdachte, jetzt tatsächlich passiert ist. Dann ist es still und sie weiß, dass jeder Rettungsgedanke zwecklos ist. Niemals könnte sie sich im Detail erinnern. Noch weniger hätte sie heute die Geduld zu solch einer Handarbeit. Dieses Schmuckstück würde für immer verloren bleiben.
Sie überlegt. Wie lange war es her, dass sie diese Kette angefertigt hatte? Fünf Jahre? Sieben Jahre? Sie erinnert die Zweifel bezüglich ihrer Haltbarkeit, die sie nach dem Erwerb des Spezialfadens hatte. Gar nicht billig war der gewesen. Hauchdünn, aber elastisch, so dass sie ein eng am Hals liegendes Kunstwerk aus winzigen Perlen und Plättchen, so wie es modern war, hatte auffädeln können. Oft hatte sie die Kette nicht getragen. Schnell war sie in den Schubladen verschwunden.
Trotzdem trifft sie der Verlust. Schade, die Kette war ein Unikat gewesen. Wäre sie damals eine andere gewesen, eine aus Kronberg vielleicht, dann hätte sie die Kette in Serie herstellen können und für teures Geld in einer Galerie feilbieten. Dann wäre ihr der Gegenwert erhalten geblieben. Aber sie hatte die Perlen nur für sich aufgefädelt.
Sternchenzwirn wäre das richtige Material gewesen.
Sie weiß, dass sie Sternchenzwirn hat. Sternchenzwirn hatte sie schon immer gehabt. Sternchenzwirn geht in ihrer Küche nicht aus.
Stattdessen holt sie von dort Schaufel und Handfeger und lässt wenig später das mühsam Zusammengekehrte in den Müllbeutel unter der Spüle rieseln. Dann schließt sie die Tür und geht wieder zurück ins Bad.
Keine Kette. Also wie gestern oder vorgestern. Lippenstift, ein Tuch vielleicht, Jacke.
Das Badezimmerlicht brennt noch. In ihren Pupillen reflektiert sich das Licht der Halogenstrahler. Eigentlich ist es längst hell genug, denkt sie, und dreht sich um zum Schalter.
Erste Version:
Die Kette
Sie tastet sich an den Perlen entlang, um den Verschluss zu öffnen, und sie geben nach, prasseln auf die Fliesen und springen in die Vertiefungen der Fugen, unmöglich, eine von ihnen mit den Augen zu verfolgen. Ein Aufschrei, dann ist es still, denn sie weiß, dass jeder Rettungsgedanke zwecklos ist. Das Schmuckstück bleibt verloren.
Sie überlegt. Wie lange ist es her, dass sie diese Kette angefertigt hatte? Fünf Jahre? Sieben Jahre? Sie erinnert ihre Zweifel bezüglich der Haltbarkeit. Wie dünn das Nylonfädchen doch gewirkt hatte! Und trotzdem hatte es sich dehnen lassen! Oft hatte sie die Kette nicht getragen, so schnell war sie in den Schubladen verschwunden.
Trotzdem trifft sie der Verlust. Schade. Ein echtes Unikat! Wäre sie eine von diesen neureichen Ehefrauen gewesen, eine aus Kronberg vielleicht, dann hätte sie die Kette in Serie herstellen können und für teures Geld in der Vorzeigegalerie der Altstadt feilbieten. Dann bliebe ihr heute noch die Erinnerung an den Gewinn. Aber sie hatte die Perlen nur für sich aufgefädelt.
Sternchenzwirn wäre das richtige Material gewesen.
Sie weiß, dass sie Sternchenzwirn hat. Sternchenzwirn hatte sie schon immer. Sternchenzwirn geht bei ihr nicht aus. Aber braucht sie diese Kette noch?
Sie holt Schaufel und Handfeger und lässt die Perlen aus Perlmutt in den Müllbeutel unter der Spüle rieseln. Dann schließt sie die Tür und geht zurück zum Spiegel. Ihre Pupillen reflektieren das Licht des Halogenstrahlers in ihrem Rücken. Eigentlich wäre es inzwischen hell genug, denkt sie, und dreht sich um zum Lichtschalter.