Winterschlussverkauf
Verfasst: 10.01.2012, 18:22
Winterschlussverkauf
Carolin schob auf das neugierige Rufen ihrer Freundin hin den Vorhang der Umkleide zur Seite, den ersten der vier Pullover auf dem Leib, zu denen sie sich hatte überreden lassen. Sie fand ihn zu kurz, aber ihre Freundin hüpfte sofort neben sie und lachte in den Spiegel.
„Ja, das sieht gut aus“, schrie Betty begeistert und dehnte dabei das U zu einer gerade noch glaubwürdigen Länge.
„Nicht dein Ernst“, antwortete Carolin und zog aus dem Pullisaum einen Faden zu einer langen Schlinge, bevor sie ihn zurückschnellen ließ.
„Spinnst du, du machst ihn ganz kaputt.“ Betty griff energisch nach dem Strickstoff und zog ihn in das Maximum seiner Breite, aber der Faden kräuselte sich weiterhin hartnäckig über Carolins Gürtelschnalle.
„Hast Recht, is nix. Zieh mal den blauen an.“
„Du meinst den mausgrauen.“
„Taubenblau!“ Betty fing an, irgendeine Melodie aus den Charts zu summen, aber Carolin kam nicht auf den Titel.
„Nein. Das Blau ist wie Dreck. Selbst die Farben kriegen die heute nicht mehr hin. Wer hat denn Lust so rumzulaufen.“
„Ich find’s gut.“
„Ich find’s nicht gut. Lass uns bitte, bitte gehen.“
„Wir haben doch gerade erst angefangen“, maulte Betty. Sie ließ sich auf die kurze Bank gegenüber vom Spiegel plumpsen und stemmte die Füße in die Ecke des Verschlags. Carolin ließ sich beim Umziehen Zeit. Sie bemerkte Bettys Augen auf ihrem Busen. Betty hatte an dieser Stelle nicht so viel zu bieten wie sie. Ok, sie trug den vorteilhaftesten BH, den sie besaß, und hatte bald ihre Tage. Dann war ihr Busen immer praller. Aber sie fühlte sich plötzlich sehr zufrieden. Eigentlich ist Kleidung doch nebensächlich, dachte sie. Nackt muss man nach was aussehen. Betty fand sie eindeutig zu dick.
Die unbrauchbaren Pullis landeten auf dem Boden. Sollten die Verkäuferinnen ihren Ramsch doch selbst wegräumen. Carolin wusste, dass das ungerecht war. Die Angestellten konnten nichts für die farbarmen Lappen an den Ständern, die modisch sein sollten. Sie fragte sich, ob dieses Einkaufszentrum jemals wieder einen Laden für sie aufbieten würde, der brauchbar war. Selbst in einem Secondhandladen könnte sie eher fündig werden. Aber so etwas gab es hier natürlich nicht.
„Gehen wir halt zu Nanuna-Dingsda“, sagte sie, als sie das Bekleidungsgeschäft verlassen hatten. „Irgendwas müssen wir ja kaufen. Sonst sind wir ganz umsonst hier hergefahren.“
Zwischen den Arkaden liefen sie den Familienteilstücken mit Beinen und Einkaufstüten hinterher, die meisten Tüten mit dem Aufdruck der Bekleidungskette, die sie gerade verlassen hatten. Von hinten sahen sie alle austauschbar aus. Carolin musste an Ameisen denken. Schwarze Mäntel auf einer Schaufensterspur, jeder einzelne mit einem Zuckerklumpen an den Handgelenken verklebt. Sie kramte nach ihrer Mütze in der Umhängetasche. Knallrot und selbstgestrickt war sie. In den Himmelsritzen zwischen den Überdachungen sah sie beim Zurechtziehen der Mütze den Regen fallen. Die Mütze musste möglichst weit am Hinterkopf sitzen, um lässig auszusehen.
„Na Na Nana“, sang Betty und hakte sich bei ihr ein. Sie durchquerten das ganze Zentrum, um zu ihrem neuen Ziel zu gelangen. Der Laden war gerammelt voll. Alles um sie herum war leuchtend, bunt, durchsichtig, aus Afrika, für die Küche oder eine Kerze.
Carolin kaufte sich eine Weihnachtsbaumbackform aus Silikon zum halben Preis, Betty eine Dose Himbeerschokotee und eine Postkarte. Die Karte zeigte das Foto einer fast leeren Klopapierrolle auf einem blauweißen Kachelboden wie zu Omas Zeiten. Bis auf das Blau war die Karte Schwarzweiß mit einem Antikschleier.
„Wem willst du die denn schicken?“, fragte Carolin.
„Weiß ich noch nicht“, sagte Betty. „Gefällt sie dir etwa nicht?“
„Doch“, sagte Carolin. „Ich mag Klopapier. Wenn ich keins hab, dann fehlt mir was.“ Sie grinste.
Betty grinste auch. „Fahr’n wir zu dir und trinken Tee.“
„Ich hab auch noch Äpfel, Pink Ladies“, antwortete Carolin und drückte ihrer Freundin auf dem Weg zum Ausgang einen Kuss auf die Wange.
„Du spinnst“, sagte Betty. „Ich brauch doch Kuchen.“
Carolin schob auf das neugierige Rufen ihrer Freundin hin den Vorhang der Umkleide zur Seite, den ersten der vier Pullover auf dem Leib, zu denen sie sich hatte überreden lassen. Sie fand ihn zu kurz, aber ihre Freundin hüpfte sofort neben sie und lachte in den Spiegel.
„Ja, das sieht gut aus“, schrie Betty begeistert und dehnte dabei das U zu einer gerade noch glaubwürdigen Länge.
„Nicht dein Ernst“, antwortete Carolin und zog aus dem Pullisaum einen Faden zu einer langen Schlinge, bevor sie ihn zurückschnellen ließ.
„Spinnst du, du machst ihn ganz kaputt.“ Betty griff energisch nach dem Strickstoff und zog ihn in das Maximum seiner Breite, aber der Faden kräuselte sich weiterhin hartnäckig über Carolins Gürtelschnalle.
„Hast Recht, is nix. Zieh mal den blauen an.“
„Du meinst den mausgrauen.“
„Taubenblau!“ Betty fing an, irgendeine Melodie aus den Charts zu summen, aber Carolin kam nicht auf den Titel.
„Nein. Das Blau ist wie Dreck. Selbst die Farben kriegen die heute nicht mehr hin. Wer hat denn Lust so rumzulaufen.“
„Ich find’s gut.“
„Ich find’s nicht gut. Lass uns bitte, bitte gehen.“
„Wir haben doch gerade erst angefangen“, maulte Betty. Sie ließ sich auf die kurze Bank gegenüber vom Spiegel plumpsen und stemmte die Füße in die Ecke des Verschlags. Carolin ließ sich beim Umziehen Zeit. Sie bemerkte Bettys Augen auf ihrem Busen. Betty hatte an dieser Stelle nicht so viel zu bieten wie sie. Ok, sie trug den vorteilhaftesten BH, den sie besaß, und hatte bald ihre Tage. Dann war ihr Busen immer praller. Aber sie fühlte sich plötzlich sehr zufrieden. Eigentlich ist Kleidung doch nebensächlich, dachte sie. Nackt muss man nach was aussehen. Betty fand sie eindeutig zu dick.
Die unbrauchbaren Pullis landeten auf dem Boden. Sollten die Verkäuferinnen ihren Ramsch doch selbst wegräumen. Carolin wusste, dass das ungerecht war. Die Angestellten konnten nichts für die farbarmen Lappen an den Ständern, die modisch sein sollten. Sie fragte sich, ob dieses Einkaufszentrum jemals wieder einen Laden für sie aufbieten würde, der brauchbar war. Selbst in einem Secondhandladen könnte sie eher fündig werden. Aber so etwas gab es hier natürlich nicht.
„Gehen wir halt zu Nanuna-Dingsda“, sagte sie, als sie das Bekleidungsgeschäft verlassen hatten. „Irgendwas müssen wir ja kaufen. Sonst sind wir ganz umsonst hier hergefahren.“
Zwischen den Arkaden liefen sie den Familienteilstücken mit Beinen und Einkaufstüten hinterher, die meisten Tüten mit dem Aufdruck der Bekleidungskette, die sie gerade verlassen hatten. Von hinten sahen sie alle austauschbar aus. Carolin musste an Ameisen denken. Schwarze Mäntel auf einer Schaufensterspur, jeder einzelne mit einem Zuckerklumpen an den Handgelenken verklebt. Sie kramte nach ihrer Mütze in der Umhängetasche. Knallrot und selbstgestrickt war sie. In den Himmelsritzen zwischen den Überdachungen sah sie beim Zurechtziehen der Mütze den Regen fallen. Die Mütze musste möglichst weit am Hinterkopf sitzen, um lässig auszusehen.
„Na Na Nana“, sang Betty und hakte sich bei ihr ein. Sie durchquerten das ganze Zentrum, um zu ihrem neuen Ziel zu gelangen. Der Laden war gerammelt voll. Alles um sie herum war leuchtend, bunt, durchsichtig, aus Afrika, für die Küche oder eine Kerze.
Carolin kaufte sich eine Weihnachtsbaumbackform aus Silikon zum halben Preis, Betty eine Dose Himbeerschokotee und eine Postkarte. Die Karte zeigte das Foto einer fast leeren Klopapierrolle auf einem blauweißen Kachelboden wie zu Omas Zeiten. Bis auf das Blau war die Karte Schwarzweiß mit einem Antikschleier.
„Wem willst du die denn schicken?“, fragte Carolin.
„Weiß ich noch nicht“, sagte Betty. „Gefällt sie dir etwa nicht?“
„Doch“, sagte Carolin. „Ich mag Klopapier. Wenn ich keins hab, dann fehlt mir was.“ Sie grinste.
Betty grinste auch. „Fahr’n wir zu dir und trinken Tee.“
„Ich hab auch noch Äpfel, Pink Ladies“, antwortete Carolin und drückte ihrer Freundin auf dem Weg zum Ausgang einen Kuss auf die Wange.
„Du spinnst“, sagte Betty. „Ich brauch doch Kuchen.“