Das Leid der Fische
Verfasst: 18.04.2011, 00:17
DAS LEID DER FISCHE
Ein Gesang vom vergessenen Gedächtnis
„Kra! Kra!“ rief das abstrakte Krokodil und tanzte im Ikosaeder. „Wenn es nicht bald regnet, komme ich ja nie auf den Hund.“
„Anubis bewahre.“ brummte der Hund, ein in die Jahre gekommenes Bärenjunges, und hieb mit der Tatze gegen die violette Raute vor seine Schnauze. „Dass mir jemand ein Krokodil aufbindet, hat mir gerade noch gefehlt.“
„Mir auch!“ rief die Bindung aus ihrer Höhle unter dem Strich, aus der sie nie heraus kam. Das war nicht weiter bemerkenswert, denn genau genommen kam unter dem Strich nie etwas heraus. Er selbst, ein ausgebleichter Bindfaden, hing mit seiner Jugend unangemessener Spannung unter wallenden Wurzeln. „Kra! Kra!“, rief das abstrakte Krokodil noch einmal und flog auf einen Ast. Die Bindung stöhnte und ächzte. Vergangenheiten verursachten ihr Kopfschmerzen.
„Die Grammatik ist ein edles Instrument. Man kann damit Eis gefrieren und Feuer brechen.“, dozierte derweil der Regenwurm vor einem Milliarden umfassenden Publikum begierig lauschender Moleküle. Der Bär hielt sich die Hundeohren zu, das Krokodil wollte die Schnauze voll haben und fraß den Wurm kurzerhand. Das Universum sackte enttäuscht zusammen, denn es war an der Grammatik sehr interessiert gewesen.
„Der Kosmos ist auch nicht mehr, was er mal war.“ murrten die Moleküle. „Nicht mal für eine zünftige Implosion reicht es mehr.“
„Ich verbitte mir das!“ erregte sich das All. „Ihr seid auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.“
„Kunststück. Wir sind ja auch Eiweiße.“ gaben die Moleküle zurück, worauf das Universum sich gekränkt beiseite rollte und begann, sich zu teilen.
„Sieh mal.“, sagte das abstrakte Krokodil dem Bären in eines seiner Hundeohren, „Da liegt ein schmollendes Multiversum in der Ecke. Wetten, dass ich es so hindrehen kann, dass alle sechs Seiten einfarbig sind?“ Und ehe der Bär etwas entgegnen konnte, hatte das abstrakte Krokodil sich das Multiversum auch schon geschnappt und in Windeseile gelöst.
„Pff.“ machte der Bär. „Das kann ja jeder. Pass mal auf!“ - griff sich das gelöste Multiversum und drehte es mit einer Tatze so, dass jede Seite kupfergrün leuchtete. Die Eiweiße applaudierten begeistert mit ihren linken Händen. Die Bindung blickte zu Boden. Irgendwie fühlte sie sich aufgehoben.
Der gegessene Regenwurm beleidigte sich im Magen des abstrakten Krokodils und beschloss daraufhin einstimmig, sich zu halbieren. Anschließend gingen beide Seiten ihres Weges, was das Krokodil sehr erstaunte.
An den purpurnen Lianen mit deutlichem Rotstich hinabgehangelt traf Links das fortgeworfene Multiversum und stupste es fünffarbig. Die sechste Seite beschwerte sich zwar, wurde jedoch nicht erhört da die Ohren des Regenwurms im Blinddarm die Unabhängigkeit erlangt hatten.
Rechts brach am Strich und zog ihn zwischen Bär und Krokodil.
Erst unter den wallenden Wurzeln drohte Links sein Sein bewusst zu verlieren, Rechts erging es ähnlich. Davon erholte sich die Bindung und das All lud die Moleküle zum Abendessen ein. Es gab Fisch.
von Merlisabeth Thörl
Ein Gesang vom vergessenen Gedächtnis
„Kra! Kra!“ rief das abstrakte Krokodil und tanzte im Ikosaeder. „Wenn es nicht bald regnet, komme ich ja nie auf den Hund.“
„Anubis bewahre.“ brummte der Hund, ein in die Jahre gekommenes Bärenjunges, und hieb mit der Tatze gegen die violette Raute vor seine Schnauze. „Dass mir jemand ein Krokodil aufbindet, hat mir gerade noch gefehlt.“
„Mir auch!“ rief die Bindung aus ihrer Höhle unter dem Strich, aus der sie nie heraus kam. Das war nicht weiter bemerkenswert, denn genau genommen kam unter dem Strich nie etwas heraus. Er selbst, ein ausgebleichter Bindfaden, hing mit seiner Jugend unangemessener Spannung unter wallenden Wurzeln. „Kra! Kra!“, rief das abstrakte Krokodil noch einmal und flog auf einen Ast. Die Bindung stöhnte und ächzte. Vergangenheiten verursachten ihr Kopfschmerzen.
„Die Grammatik ist ein edles Instrument. Man kann damit Eis gefrieren und Feuer brechen.“, dozierte derweil der Regenwurm vor einem Milliarden umfassenden Publikum begierig lauschender Moleküle. Der Bär hielt sich die Hundeohren zu, das Krokodil wollte die Schnauze voll haben und fraß den Wurm kurzerhand. Das Universum sackte enttäuscht zusammen, denn es war an der Grammatik sehr interessiert gewesen.
„Der Kosmos ist auch nicht mehr, was er mal war.“ murrten die Moleküle. „Nicht mal für eine zünftige Implosion reicht es mehr.“
„Ich verbitte mir das!“ erregte sich das All. „Ihr seid auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.“
„Kunststück. Wir sind ja auch Eiweiße.“ gaben die Moleküle zurück, worauf das Universum sich gekränkt beiseite rollte und begann, sich zu teilen.
„Sieh mal.“, sagte das abstrakte Krokodil dem Bären in eines seiner Hundeohren, „Da liegt ein schmollendes Multiversum in der Ecke. Wetten, dass ich es so hindrehen kann, dass alle sechs Seiten einfarbig sind?“ Und ehe der Bär etwas entgegnen konnte, hatte das abstrakte Krokodil sich das Multiversum auch schon geschnappt und in Windeseile gelöst.
„Pff.“ machte der Bär. „Das kann ja jeder. Pass mal auf!“ - griff sich das gelöste Multiversum und drehte es mit einer Tatze so, dass jede Seite kupfergrün leuchtete. Die Eiweiße applaudierten begeistert mit ihren linken Händen. Die Bindung blickte zu Boden. Irgendwie fühlte sie sich aufgehoben.
Der gegessene Regenwurm beleidigte sich im Magen des abstrakten Krokodils und beschloss daraufhin einstimmig, sich zu halbieren. Anschließend gingen beide Seiten ihres Weges, was das Krokodil sehr erstaunte.
An den purpurnen Lianen mit deutlichem Rotstich hinabgehangelt traf Links das fortgeworfene Multiversum und stupste es fünffarbig. Die sechste Seite beschwerte sich zwar, wurde jedoch nicht erhört da die Ohren des Regenwurms im Blinddarm die Unabhängigkeit erlangt hatten.
Rechts brach am Strich und zog ihn zwischen Bär und Krokodil.
Erst unter den wallenden Wurzeln drohte Links sein Sein bewusst zu verlieren, Rechts erging es ähnlich. Davon erholte sich die Bindung und das All lud die Moleküle zum Abendessen ein. Es gab Fisch.
von Merlisabeth Thörl