Hallo Renée,
deine Anmerkungen verstehe ich vielleicht nicht ganz - wenn du mir sagen willst, dass diese Tagebuchnotiz etwas Unliterarisches hat
Nein, nein! Die Frage nach der Literarizität interessiert mich nicht, sie ist meistens eine akademische, die am Text (und am Leser) vorbeigeht, für eine Antwort wäre ich im Übrigen gar nicht kompetent.
Das Leiden, das du dargestellt siehst, kann ich nicht entfernen.
Das solltest du auch auf keinen Fall tun! Weit entfernt davon.
Es ist einfach so, dass dem Text, wenn ich ihn NICHT als TAgebucheintrag läse, für meine Auffassung etwas fehlte - oder er hätte etwas zu viel. Er nähme mich nicht genug "an der Hand" - und zugleich wäre ich zu sehr beim Schreiber, weil ja eine Identität zwischen Schreiberin und Text-Ich nahegelegt wird. Der Text, als Nicht-Tagebuch-Eintrag, wäre mir zu wenig stringent im Hinblick auf den Fokus (Kunst!), die Personen zu wenig ausgearbeitet (ich möchte sie kennenlernen! möchte wissen, wie sie aussehen, warum sie so merkwürdig reden), die Dialoge zum Teil so kryptisch, dass es nicht mehr interessant, sondern überheblich wirkt. Weil man das dann einfach nicht verstehen kann, wenn man nicht, wie der Tagebuchschreiber, sich in genau derselben Situation wie dieser befunden hätte, die Gerüche dazu, die Farben, das Wetter, die Blicke hätte... Verstehst du? Es ist eine Introspektion, die sich nährt an der äußeren Wahrnehmung, so gesehen ein Startpunkt, von dem man LOSGEHEN könnte, um eine - nichttagebuchartige - Geschichte zu schreiben. Aber für eine solche Geschichte bräuchte ich mehr als subjektiv punktuell beschriebenes Erleben bzw Grübeln.
Vielleicht ist es auch ein Brief, das geht auch :)
Natürlich stellt sich die Frage des Sich-Zur-Schau-Stellens. Wenn ich dich richtig verstehe, siehst du bei Frida Kahlo eine künstlerische Verarbeitung dieser Aspekte - (Verarbeitung, die du bei mir vermisst?) und stellst sie mir als Modell vor ...
Ich persönlich empfinde hier nicht zu viel Zurschaustellung, das ist ja immer auch Geschmackssache, oft auch ein eFrage der Unterstellung. Was ich bei Frida Kahlo sehe (die übrigens auch Tagebuch schriebe - und Tagebuch malte), weiß ich noch nicht, ich kenne sie noch kaum, finde aber gerade diesen Aspekt - Person verschmilzt mit Werk, zugleich spielt das Leid mit der Extrovertierung, setzt auf Außenwirkung... - ziemlich spannend, beunruhigend und zum Teil befremdlich. (Vielleicht ist das eine weibliche Art der Kunst, des Kunstschaffens?) Der Schutz scheint zu fehlen - doch das scheint wohl nur so, oder ist für die Bilder am Ende gar nicht relevant, und etwas Anderes als die Bilder gehen mich ja nichts an, auch wenn jedes Bild "ich", "aua", "lieb mich" etc. schreit. So laut, dass man erstaunt ist, dass es ein Bild ist. Frida Kahlo erzählt, so wirkt es, mit ihren Bildern Geschichten, oder auch nur eine Geschichte, die entschlüsselt werden will - oder auch nicht. Sie hat ihr Leben lang körperlich und seelisch gelitten, so wird überliefert, so legen ihre Bilder nahe, und auch bei ihr ist Gesundheit - oder besser Krankheit - ein zentrales Thema. Sie malte ihre Ärzte, ihre Krankheiten, ihre Verletzungen, ihre Ängste. Und auch sie hatte Probleme, ihre Krankheiten zu finanzieren, war in gewisser Weise auch finanziell abhängig von Diego Rivera, ein kompliziertes Abkommen, bei dem er ihre Arztrechnungen bezahlte, ohne dass sie ihre Würde verlor, vermutlich. Las ich. Ich habe die Malerin hier nicht ins Spiel gebracht, weil ich sie dir als Modell vorstellen wollte (so etwas läge mir fern), sondern weil deine Art zu schreiben bei diesem Text mich daran erinnert hat. Es ist ein (ergebnis) offenes Kommentieren, was ich versuche, inspiriert von deinem - offenen - Schreiben. Es war eher anerkennend gemeint: die Fähigkeit eines Textes, eines Bildes zu berühren und zu beunruhigen.
Der Text streift all die Themen - Gesundheit, Geld, Emigration, Sprachenhüpfen, Freundschaft, Gesellschaft, Kunst. Wie ein Fächer, den man gegen die heiße Luft benutzt. Man sieht die Einzelteile aber eben nich tgenau, weil es fächelt, und weil es so viel ist. Zu viel wahrscheinlich - wenn es eben kein Tagebucheintrag wäre :)
Es war mir wichtig, darzustellen, wie es aus der "Asthetik des Widerstands" heraus zu einem echten Gespräch kommen konnte, aber erst nach Formulierung jenes Widerstands, und, dieser Zusammenhang geht mir erst jetzt auf, nach Erfragung einer Biographie, die meiner zuvor erwähnten diametral entgegengesetzt ist.
Hier verstehe ich leider gar nicht, was du sagen willst - und würde es gern verstehen. Muss ich dafür Peter Weiss gelesen haben?
Herzlich
klara