der mond ist ein fliehender fisch - ein kapitel fritzbuch
Verfasst: 21.06.2010, 09:59
ein paar worte vorab, in welche richtung es in diesem noch nicht fertigen romanversuch gehen soll:
Fritz hat vier Vornamen und eben so viele Schwestern. Gerade einmal 17, beschließt er, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Von seiner Familie, wie es früher war und was er so alles mit seinen beiden besten Kumpels Edo und Lalla erlebt. Seit kurzem hat Fritz auch eine Freundin: Chantal. Anlass genug, um einmal gründlich über Sex in Beziehungen nachzudenken – nicht nur während der Kiff- und Fressorgien in der Küche von Lallas Eltern. Außerdem träumt Fritz von einer Karriere als Journalist, die ihn hoffentlich irgendwann auch nach Afghanistan führen wird - seiner zweiten großen Leidenschaft neben Chantal.
So plätschert sein Alltag in der Dorfclique vor sich hin, immer wieder unterbrochen von Rückblenden in die Vergangenheit. Doch das Leben besteht nicht nur aus harmlosen Abenteuern. Erst erkrankt die beste Freundin seiner Mutter an Krebs, dann taucht plötzlich Nawa auf und zu allem Überfluss wird sein Stiefvater ausgerechnet zu einem Hilfseinsatz ins Krisen geschüttelte Afghanistan geschickt...
In dieser Nacht finde ich keinen Schlaf. Ich wälze mich nach rechts. Dann nach links. Lege mich auf den Rücken. Starre in die Dunkelheit. Vielleicht liegt dort die Lösung Mir ist heiß. Ich öffne das Fenster, atme die milde Nachtluft in der Hoffnung, die frische Brise könnte Nawa einfach aus mir herauswehen. Eine Weile stehe ich so, am offenen Fenster. Ein paar einsame Falter schwärmen im matten Schein der Straßenlaterne. Am Himmel hängt träge ein Drittel Mond. Vielleicht sollte ich noch ein wenig spazieren gehen.
Ich bin schon ein gutes Stück hinter der Feuerwache, da klingelt mein Handy. Teilnehmer unbekannt. Ich drücke grün und warte. Es ist Nawa. Meine Hände beginnen zu schwitzen, der Boden unter mir wird zu Treibsand. Aus der Ferne höre ich eine Stimme rufen. Das einzige Geräusch weit und breit. Es ist meine eigene. Jeder, der jetzt noch wach hinter einem offenen Fenster zur Straße liegt, weiß nun Bescheid. Chantal wohnt in der entgegengesetzten Richtung.
Nawa redet und redet. Von wegen wie toll es wär, dass ich noch wach sei und ob ich nicht zufällig was zu Rauchen da hätte. Sie könne in zehn Minuten da sein. Auto, klar. Feuerwache. Ja, ja. Bis gleich.
Ich gehe über den Rasen neben der Freiwillen Feuerwehr und setze mich auf die Bank beim Spritzenhaus. In meiner Hosentasche finde ich eine angerauchte Kippe von Chantal. Ich zünde sie an. Sie schmeckt furchtbar. Tapfer nehme ich ein paar Züge. Dann werfe ich sie zu Boden. Ein Dreher mit dem Fußballen löscht ihre Glut.
Von weitem ertönt Motorengeräusch. Ich springe auf. Ein Wagen kommt langsam näher. Er fährt vorbei. Ich schaue auf die Zeitangabe von meinem Handy. Gleich vier. Nicht mehr lange bis Sonnenaufgang. Ich setze mich wieder auf die Bank, lehne mich zurück und hoffe, ich sähe irgendwie cool aus.
Eine kalte Hand legt sich von hinten auf meine Augen. Eine zweite presst sich auf meinen Mund. Doch niemand fragt „Nun rate mal, wer ich bin“. So hätte ich auch nicht antworten können. Mein Kopf wird zurechtgebogen und statt der Hand legt sich jetzt ein Mund auf meinen. Ein Moped knattert vorbei. Ich atme fremden Atem. Nawa hat sich auf meinen Schoß gesetzt Ihre Lippen immer noch an meinem. Eine Weile verharren wir in dieser Position. Dann springt sie auf und rennt die Böschung hoch zum alten Bahndamm. Ich weiß nicht, ob ich ihr folgen soll. An meinem Mund hängt immer noch ihr Atem. Er schmeckt nach Raffles bittersüßem Billion-Dollar-Cocktail.
Im nächsten Moment stehe ich neben ihr auf dem Damm. Im Schein der Straßenlaterne kreist immer noch das Moped. Darauf sitzt ein Paar. Verliebte Nachtschwärmer. Die Sozia hält ihren Benzinritter eng umschlungen. Ich greife nach Nawa. Das Moped wird leiser.
Nawa öffnet ihr Zigarettenetui. Ich nehme eine heraus, zünde ein Streichholz an und lasse die Flamme über das Papier gleiten. Ich reiche Nawa ein Päckchen Rizlas. Sie klebt drei davon aneinander. Ich perle den Tabak hinein, schön langsam. Aus der Hemdtasche ziehe ich ein Plastiktütchen mit Gras. Gemeinsam mischen wir die grünen Krümel unter den Tabak. Unser Finger berühren sich.
Da biegt ein Bullenauto um die Ecke. Wir stehen auf. Ganz langsam lasse ich den Joint in Nawas offene Handtasche gleiten. Dabei küssen wir uns heftig. Warten darauf, dass die Dorfsherrifs uns anquatschen. Doch alles, was ich höre, ist schon wieder das Moped. Haben die denn kein zu Hause?
„Magst du noch ein bisschen mit zu mir kommen?“
Und da ist es wieder, dieses Gefühl, das mir sagt, dass ich verloren bin – rettungslos. Willenlos lasse ich mich von ihr fortziehen, den Bahndamm hinunter hinter das Spritzenhaus, am Dorfplatz vorbei bis hoch zum Parkplatz vor der Kirche. Und da sehe ich es! Von der Kirchentür schreit er mir entgegen, klagt mich an, der schwer zu entfernende Beweis einer unendlichen Liebe. Zwei ineinander verschlungene Initialen in einem Kreis, Schwarz und Chrom, F&C, aufgesprüht mit klopfendem Herzen, heimlich, weil strafbar. Kann denn Liebe Sünde sein?
Schon sitze ich in Nawas Wagen.
Die Fahrt über schweigen wir. Ich schaue aus dem Fenster, sehe Straßenlaternen wie flüchtige Sternschnuppen vorüberfliegen, eine fahle Mondsichel halbherzig versteckt hinter einem Wolkenvorhang. Gleichmäßiges Motorbrummen begleitet die mitternächtliche Szenerie. Ich sollte aufgeregt sein, doch die Müdigkeit ist stärker. Vielleicht ist es auch nur das schlechte Gewissen. Chantal.
Der Wagen hält. Mühsam drehe ich den Kopf und schaue in Nawas Augen. Nein, ich werde ihr nicht widerstehen. Außerdem hat Chantal den Edo ja auch...
„Hey Fritz, aufwachen. Wir sind da!“
Nawa ist längst ausgestiegen, in der Hand klappert ein Schlüsselbund. Ich rappel mich auf, werfe die Autotür zu und trotte brav hinter ihr her die Treppe hoch bis in ihre Wohnung.
Im Korridor dreht sie sich um und wirft mir ein kehliges Lachen mitten ins Gesicht. Ich schüttel mich leise und weiß, ich will das alles nicht mehr.
„Na komm.“ Nawas Stimme meißelt sich in meine Ohren. „Ich mach uns einen Kaffee. Du siehst so aus, als könntest du einen gebrauchen.“ Sie gibt nicht auf. Wirft mit einem Schwung und noch einem ihre Schuhe in eine Ecke des Korridors. Auf nackten Sohlen verschwindet sie im ersten Raum. Es ist die Küche. Ich hab nicht vor, irgend etwas von mir auszuziehen. Bestimmt nicht.
Der Wasserkessel pfeift und Nawa stimmt mit ein in seine Melodie. Ihr Körper wiegt sich wie eine Kobra vor ihrem Opfer, ihre langen schwarzen Haare schmiegen sich um ihre bloßen Arme, während sie nach der Kanne und dem Filter greift. Mit einem Schwung geht es runter zum Unterschrank, heraus kommen Filtertüten und Kaffeepulver.
Ihr Kaffe schmeckt bitter. Da helfen weder Zucker noch Milch. Nawa reckt sich quer über die schmale Bar, die die Küchenzeile vom Rest des Raumes trennt. Dunkle Brüste schieben sich aus ihrem Trägerkleid.
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist's möglich, ist das Weib so schön?
Muß ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden?
„Zigarette?“ Ihr Mund lächelt, doch es wirkt wie eine Drohung. Ich schüttele den Kopf, stehe auf und gehe zum Fenster. Draußen hängt noch immer der Mond, fast halb und bleich. Ein Wind muss aufgekommen sein, Wolkenfetzen rasen vorbei. Der Mond sieht aus, als ob er schwimme, ein fliehender Fisch, gejagt von einem Heer aus Sturmwolken.
Ich aber komme nicht davon. Nawas Hände halten meinen Schritt gefangen und auf meinem Rücken spüre ich jetzt ihre festen, dunkle Brüste. Sie dreht mich um, ich weiche ihrem Blick aus. Falsche Richtung. Was für Titten, denke ich noch und dann denke ich nichts mehr. Füge mich in das Unausweichliche. Tauche ein in das Lila hinter meinen geschlossenen Lidern. Schon sind ihre Lippen wieder auf meinen. Diesmal schmeckt es nicht bitter. Ich will mehr. Meine Hände suchen ihren Busen. Nawas Hände wissen Bescheid, Ihr ganzer Körper weiß Bescheid.
Jetzt sehe ich schwarze Löcher, in denen es gelbrot lodert. Nawa ist Schuld. Hände, überall Hände. Ihr Körper auf meinem, ich in ihrem, teilweise. „Scheiße“, denke ich, „doch wie bei Bukowsky. Nee, stimmt nicht, besser, absolut.“ Und „Oh Gott, ich bin ein Mann, tatsächlich, ich bin ein Mann und kann es einer Frau besorgen.“ Dann denke ich nichts mehr. Fühle nur noch. Fühle oben. In der Mitte. Unten. Ja...
Minuten später spüre ich Nawas Blicke auf meinem Körper. Ich wage nicht, sie anzusehen. Ich schäme mich. Ich weiß nicht, ob ich es ihr wirklich besorgt habe. Und der Ring an meiner linken Hand verwandelt sich in glühendes Eisen. Chantal, verdammt, was hab ich getan. Ach was, woher soll sie....
„Nawa? Nawa, du musst mir was schwören! Was heute hier zwischen uns gelaufen ist, geht keinen was an. Hörst du?! Kein Arsch darf was davon spitz kriegen, sonst bin ich absolut geloost. Es ist wegen Chantal.“
Nawa sagt nichts, lächelt in sich hinein, zuckt mit den Schultern. „Ich bin Muslima, bei uns ist so was erlaubt.“
„Wie?“
„Vielehe. Ein Mann darf viele Frauen haben.“
„Und was ist mit den Frauen? Werden die nicht verheiratet? Die müssen sich benehmen!“
„Mein Vater ist ein moderner Mann und außerdem seit langem Engländer.“
„Dann hat er nur eine Frau?“
„Du bist bescheuert.“ Mit einem heftigen Kuss hindert sie mich am Weiterreden.
Draußen geben die Vögel ihr Bestes, den neuen Morgen zu beschreien.
Fritz hat vier Vornamen und eben so viele Schwestern. Gerade einmal 17, beschließt er, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Von seiner Familie, wie es früher war und was er so alles mit seinen beiden besten Kumpels Edo und Lalla erlebt. Seit kurzem hat Fritz auch eine Freundin: Chantal. Anlass genug, um einmal gründlich über Sex in Beziehungen nachzudenken – nicht nur während der Kiff- und Fressorgien in der Küche von Lallas Eltern. Außerdem träumt Fritz von einer Karriere als Journalist, die ihn hoffentlich irgendwann auch nach Afghanistan führen wird - seiner zweiten großen Leidenschaft neben Chantal.
So plätschert sein Alltag in der Dorfclique vor sich hin, immer wieder unterbrochen von Rückblenden in die Vergangenheit. Doch das Leben besteht nicht nur aus harmlosen Abenteuern. Erst erkrankt die beste Freundin seiner Mutter an Krebs, dann taucht plötzlich Nawa auf und zu allem Überfluss wird sein Stiefvater ausgerechnet zu einem Hilfseinsatz ins Krisen geschüttelte Afghanistan geschickt...
In dieser Nacht finde ich keinen Schlaf. Ich wälze mich nach rechts. Dann nach links. Lege mich auf den Rücken. Starre in die Dunkelheit. Vielleicht liegt dort die Lösung Mir ist heiß. Ich öffne das Fenster, atme die milde Nachtluft in der Hoffnung, die frische Brise könnte Nawa einfach aus mir herauswehen. Eine Weile stehe ich so, am offenen Fenster. Ein paar einsame Falter schwärmen im matten Schein der Straßenlaterne. Am Himmel hängt träge ein Drittel Mond. Vielleicht sollte ich noch ein wenig spazieren gehen.
Ich bin schon ein gutes Stück hinter der Feuerwache, da klingelt mein Handy. Teilnehmer unbekannt. Ich drücke grün und warte. Es ist Nawa. Meine Hände beginnen zu schwitzen, der Boden unter mir wird zu Treibsand. Aus der Ferne höre ich eine Stimme rufen. Das einzige Geräusch weit und breit. Es ist meine eigene. Jeder, der jetzt noch wach hinter einem offenen Fenster zur Straße liegt, weiß nun Bescheid. Chantal wohnt in der entgegengesetzten Richtung.
Nawa redet und redet. Von wegen wie toll es wär, dass ich noch wach sei und ob ich nicht zufällig was zu Rauchen da hätte. Sie könne in zehn Minuten da sein. Auto, klar. Feuerwache. Ja, ja. Bis gleich.
Ich gehe über den Rasen neben der Freiwillen Feuerwehr und setze mich auf die Bank beim Spritzenhaus. In meiner Hosentasche finde ich eine angerauchte Kippe von Chantal. Ich zünde sie an. Sie schmeckt furchtbar. Tapfer nehme ich ein paar Züge. Dann werfe ich sie zu Boden. Ein Dreher mit dem Fußballen löscht ihre Glut.
Von weitem ertönt Motorengeräusch. Ich springe auf. Ein Wagen kommt langsam näher. Er fährt vorbei. Ich schaue auf die Zeitangabe von meinem Handy. Gleich vier. Nicht mehr lange bis Sonnenaufgang. Ich setze mich wieder auf die Bank, lehne mich zurück und hoffe, ich sähe irgendwie cool aus.
Eine kalte Hand legt sich von hinten auf meine Augen. Eine zweite presst sich auf meinen Mund. Doch niemand fragt „Nun rate mal, wer ich bin“. So hätte ich auch nicht antworten können. Mein Kopf wird zurechtgebogen und statt der Hand legt sich jetzt ein Mund auf meinen. Ein Moped knattert vorbei. Ich atme fremden Atem. Nawa hat sich auf meinen Schoß gesetzt Ihre Lippen immer noch an meinem. Eine Weile verharren wir in dieser Position. Dann springt sie auf und rennt die Böschung hoch zum alten Bahndamm. Ich weiß nicht, ob ich ihr folgen soll. An meinem Mund hängt immer noch ihr Atem. Er schmeckt nach Raffles bittersüßem Billion-Dollar-Cocktail.
Im nächsten Moment stehe ich neben ihr auf dem Damm. Im Schein der Straßenlaterne kreist immer noch das Moped. Darauf sitzt ein Paar. Verliebte Nachtschwärmer. Die Sozia hält ihren Benzinritter eng umschlungen. Ich greife nach Nawa. Das Moped wird leiser.
Nawa öffnet ihr Zigarettenetui. Ich nehme eine heraus, zünde ein Streichholz an und lasse die Flamme über das Papier gleiten. Ich reiche Nawa ein Päckchen Rizlas. Sie klebt drei davon aneinander. Ich perle den Tabak hinein, schön langsam. Aus der Hemdtasche ziehe ich ein Plastiktütchen mit Gras. Gemeinsam mischen wir die grünen Krümel unter den Tabak. Unser Finger berühren sich.
Da biegt ein Bullenauto um die Ecke. Wir stehen auf. Ganz langsam lasse ich den Joint in Nawas offene Handtasche gleiten. Dabei küssen wir uns heftig. Warten darauf, dass die Dorfsherrifs uns anquatschen. Doch alles, was ich höre, ist schon wieder das Moped. Haben die denn kein zu Hause?
„Magst du noch ein bisschen mit zu mir kommen?“
Und da ist es wieder, dieses Gefühl, das mir sagt, dass ich verloren bin – rettungslos. Willenlos lasse ich mich von ihr fortziehen, den Bahndamm hinunter hinter das Spritzenhaus, am Dorfplatz vorbei bis hoch zum Parkplatz vor der Kirche. Und da sehe ich es! Von der Kirchentür schreit er mir entgegen, klagt mich an, der schwer zu entfernende Beweis einer unendlichen Liebe. Zwei ineinander verschlungene Initialen in einem Kreis, Schwarz und Chrom, F&C, aufgesprüht mit klopfendem Herzen, heimlich, weil strafbar. Kann denn Liebe Sünde sein?
Schon sitze ich in Nawas Wagen.
Die Fahrt über schweigen wir. Ich schaue aus dem Fenster, sehe Straßenlaternen wie flüchtige Sternschnuppen vorüberfliegen, eine fahle Mondsichel halbherzig versteckt hinter einem Wolkenvorhang. Gleichmäßiges Motorbrummen begleitet die mitternächtliche Szenerie. Ich sollte aufgeregt sein, doch die Müdigkeit ist stärker. Vielleicht ist es auch nur das schlechte Gewissen. Chantal.
Der Wagen hält. Mühsam drehe ich den Kopf und schaue in Nawas Augen. Nein, ich werde ihr nicht widerstehen. Außerdem hat Chantal den Edo ja auch...
„Hey Fritz, aufwachen. Wir sind da!“
Nawa ist längst ausgestiegen, in der Hand klappert ein Schlüsselbund. Ich rappel mich auf, werfe die Autotür zu und trotte brav hinter ihr her die Treppe hoch bis in ihre Wohnung.
Im Korridor dreht sie sich um und wirft mir ein kehliges Lachen mitten ins Gesicht. Ich schüttel mich leise und weiß, ich will das alles nicht mehr.
„Na komm.“ Nawas Stimme meißelt sich in meine Ohren. „Ich mach uns einen Kaffee. Du siehst so aus, als könntest du einen gebrauchen.“ Sie gibt nicht auf. Wirft mit einem Schwung und noch einem ihre Schuhe in eine Ecke des Korridors. Auf nackten Sohlen verschwindet sie im ersten Raum. Es ist die Küche. Ich hab nicht vor, irgend etwas von mir auszuziehen. Bestimmt nicht.
Der Wasserkessel pfeift und Nawa stimmt mit ein in seine Melodie. Ihr Körper wiegt sich wie eine Kobra vor ihrem Opfer, ihre langen schwarzen Haare schmiegen sich um ihre bloßen Arme, während sie nach der Kanne und dem Filter greift. Mit einem Schwung geht es runter zum Unterschrank, heraus kommen Filtertüten und Kaffeepulver.
Ihr Kaffe schmeckt bitter. Da helfen weder Zucker noch Milch. Nawa reckt sich quer über die schmale Bar, die die Küchenzeile vom Rest des Raumes trennt. Dunkle Brüste schieben sich aus ihrem Trägerkleid.
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist's möglich, ist das Weib so schön?
Muß ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden?
„Zigarette?“ Ihr Mund lächelt, doch es wirkt wie eine Drohung. Ich schüttele den Kopf, stehe auf und gehe zum Fenster. Draußen hängt noch immer der Mond, fast halb und bleich. Ein Wind muss aufgekommen sein, Wolkenfetzen rasen vorbei. Der Mond sieht aus, als ob er schwimme, ein fliehender Fisch, gejagt von einem Heer aus Sturmwolken.
Ich aber komme nicht davon. Nawas Hände halten meinen Schritt gefangen und auf meinem Rücken spüre ich jetzt ihre festen, dunkle Brüste. Sie dreht mich um, ich weiche ihrem Blick aus. Falsche Richtung. Was für Titten, denke ich noch und dann denke ich nichts mehr. Füge mich in das Unausweichliche. Tauche ein in das Lila hinter meinen geschlossenen Lidern. Schon sind ihre Lippen wieder auf meinen. Diesmal schmeckt es nicht bitter. Ich will mehr. Meine Hände suchen ihren Busen. Nawas Hände wissen Bescheid, Ihr ganzer Körper weiß Bescheid.
Jetzt sehe ich schwarze Löcher, in denen es gelbrot lodert. Nawa ist Schuld. Hände, überall Hände. Ihr Körper auf meinem, ich in ihrem, teilweise. „Scheiße“, denke ich, „doch wie bei Bukowsky. Nee, stimmt nicht, besser, absolut.“ Und „Oh Gott, ich bin ein Mann, tatsächlich, ich bin ein Mann und kann es einer Frau besorgen.“ Dann denke ich nichts mehr. Fühle nur noch. Fühle oben. In der Mitte. Unten. Ja...
Minuten später spüre ich Nawas Blicke auf meinem Körper. Ich wage nicht, sie anzusehen. Ich schäme mich. Ich weiß nicht, ob ich es ihr wirklich besorgt habe. Und der Ring an meiner linken Hand verwandelt sich in glühendes Eisen. Chantal, verdammt, was hab ich getan. Ach was, woher soll sie....
„Nawa? Nawa, du musst mir was schwören! Was heute hier zwischen uns gelaufen ist, geht keinen was an. Hörst du?! Kein Arsch darf was davon spitz kriegen, sonst bin ich absolut geloost. Es ist wegen Chantal.“
Nawa sagt nichts, lächelt in sich hinein, zuckt mit den Schultern. „Ich bin Muslima, bei uns ist so was erlaubt.“
„Wie?“
„Vielehe. Ein Mann darf viele Frauen haben.“
„Und was ist mit den Frauen? Werden die nicht verheiratet? Die müssen sich benehmen!“
„Mein Vater ist ein moderner Mann und außerdem seit langem Engländer.“
„Dann hat er nur eine Frau?“
„Du bist bescheuert.“ Mit einem heftigen Kuss hindert sie mich am Weiterreden.
Draußen geben die Vögel ihr Bestes, den neuen Morgen zu beschreien.