Im Glaskasten des ICE
Verfasst: 08.03.2010, 19:05
Wer im Glaskasten sitzt ...
Was ich seltsam finde, bei all meinen Beobachtungen, ist die Tatsache, dass er mir nicht unsympathisch war.
Seine Frau habe sich sofort ganz besonders für diese Methode interessiert und die nahezu schmerzfreie Geburt seiner Tochter sei besonders gut für Mutter und Tochter verlaufen.
Dennoch wird der Aufenthalt in einer "Menge" eher als Alleinesein gesehen, als mit vier oder sechs Leuten in einem Abteil zu sitzen. Ich denke, das macht der geschlossene Raum, der automatisch eine gewisse "Intimsphäre" erzeugt, die zumindest in uns Nordeuropäern Unbehagen erzeugt, müssen wir sie mit fremden Menschen teilen.
was das Banale angeht, kenne ich immer nur schonungslos einseitige Beschreibungen, Banalität ist unverzeihlich
Ja, ich gebe zu, ich übertreibe ein wenig.
Hier würde ich eventuell "verbarg sich" vorziehen, weil das nicht ganz so absichtlich-verspielt klingt wie verstecken, sondern etwas geheimnisvoller, hineingeheimnissender sozusagen.versteckte sich möglicherweise eine Art Sensibilität.
Das ist eine eher ungeschickte ajektivische Kombination, finde ich, und übertreibt es auch leicht mit dem Bezweifeln der eigenen WAhrnehmung. (Das ist es auch, was zum Glossenhaften mir fehlt: Das Behauptende...) Vielleicht besser: "das gewollt urbane Gesicht"? Wobei mir da immer noch nicht ganz klar ist, was gemeint wäre - aber das macht (mir), glaub ich, hier nichts.Das runde, urban wirken wollende Gesicht
Etwas abmildern könnte man das Gefühl vielleicht, in dem man diesen Absatz vom Rest des Textes etwas absetzt.Das runde, urban wirken wollende Gesicht; der genüsslich Worte, Fremdworte, französische und englische Wortbrocken einwerfende Mund; die Fähigkeit Hansdampf in allen Gassen zu sein, diese Leichtigkeit des Seins, die Anpassungsfähigkeit, das Fehlen jeglichen Bruches, jeglicher Ungewissheit, der nicht vorhandene Zweifel bewirkten in mir eine fast erotische Anziehung: wäre ich nicht gerne im Bannkreis eines solchen Menschen, der nur Gewissheiten ausstrahlt: darüber, was in London besichtigt werden muss, was über das Centre Pompidou gesagt werden muss, darüber was Brüssel von Paris unterscheidet, darüber, wann genau der ICE jene Strecke erreicht, die von den Stewards als riskant empfunden wird, wenn gleichzeitig mit Weichenwechsel und Ruckeln der Bahn ein Merlot ausgeschenkt werden muss.
Vierzehn Tage, eine Woche, zwei Tage? Wie lange würde das Glück solcher Gewissheiten dauern? Nicht lange, mit Sicherheit. Aber ... immerhin.
da ist jemand, der zweifelt nicht, der könnte mich, in einem anderen Leben, einer anderen Zeit, einem anderen Körper und Geist als dem meinen - festhalten. Gerade die Leichtigkeit des anderen könnte ein Gegengewicht sein zum sich selbst unzuverlässigen schwersinnigen Hin-und Herfliegenmüssen-wie-eine-Feder.