Die Gitarre
Verfasst: 09.12.2009, 00:55
Er hat ihr eine Gitarre versprochen.
Während sie darauf wartet, sieht sie ihn manchmal im Fernsehen. Er ist kein schöner Mann. Ein wenig zu dick, breit in den Schultern, aber die massige Brust bringt den Smoking, die Brokatweste gut zur Geltung. Was man auf dem Fernsehschirm nicht sieht, sind die schwarzen Härchen unter der weißen Hemdbrust und der faunische Haarwald zwischen den Schulterblättern. Nur das Kopfhaar gibt sich preis, so kraus und schwarz wie eine Pferdemähne. Wenn er Gitarre spielt, bindet er es zu einem dicken Büschel zurück.
Er setzt sich auf einen bequemen Stuhl, hebt den linken, elegant beschuhten Fuß auf ein Bänkchen und nimmt sich die Gitarre zur Brust. Der runde Unterleib der Gitarre ruht zwischen seinen Schenkeln. Der schwarze Stoff spannt über den Muskeln. Alles fügt sich selbstverständlich ineinander.
Er neigt sich über den glänzenden Korpus und spitzt den Mund. Seine Finger setzen sich in Bewegung, fünf am Hals, vier am Rumpf. All das kennt sie in- und auswendig, den festen Griff am Genick, das bewegliche Trillern auf den Nervenenden. Die dicke, drahtige Pferdemähne in ihrer Hand. Das störrische Brusthaar. Die empfindlichen Stoppeln über den Nackenknochen, abgescheuert von vielen, vielen weiß gestärkten Konzerthemdkragen. Der weiche Haarwirbel mitten über dem Rückgrat.
Davon weiß die Gitarre nichts, denkt sie.
Wenn er mit Spielen fertig ist, steht er auf, hält die Gitarre quer vor sich hin und verneigt sich. Das Publikum applaudiert. Sein Gesicht zerfällt zu einem Lachen. Diesen Augenblick hasst sie. Wenn sie schnell genug ist, gelingt es ihr, vorher auszuschalten.
Meistens aber hat sie ihr Strickzeug in der Hand und kann sich nicht rechtzeitig aus den Fäden befreien.
Wien, Salzburg, Mailand, New York, Carnegie Hall. Es gibt CDs und Videos, von ihm allein, mit Orchester oder mit Geigenbegleitung. Einmal sieht sie ihn auf einem Platz in Neapel; der Stadt, wo er geboren wurde. Hinter seinem Rücken brausen Autos vorbei. Er lacht über den Verkehrslärm und erzählt von Paganini. Sie hört zu und strickt Maschen ab. Braune Wolle läuft über ihre Finger.
Bei ihr im Zimmer ist es still.
Wenn er zu Ende erzählt hat, steht er auf und hält die Gitarre quer vor sich hin. Verneigt sich.
Das Publikum applaudiert. Sie zieht die Nadeln aus ihrem Gestrick und drückt es an ihre Wange. Er hat ihr eine Gitarre versprochen. Bald spielt es keine Rolle mehr, ob sie ankommt. Die Wolle ist weicher.
Ursprüngliche Fassung
Er hat ihr eine Gitarre versprochen. Glaubt sie.
Während sie auf die Gitarre wartet, sieht sie ihn manchmal im Fernsehen. Er ist kein schöner Mann. Ein wenig zu dick, breit in den Schultern, aber die massige Brust bringt den Smoking, die Brokatweste gut zur Geltung. Was man auf dem Fernsehschirm nicht sieht, sind die schwarzen Härchen unter der weißen Hemdbrust und der faunische Haarwald zwischen den Schulterblättern. Nur das Kopfhaar gibt sich preis, so kraus und schwarz wie eine Pferdemähne. Wenn er Gitarre spielt, bindet er es zu einem dicken Büschel zurück.
Er setzt sich auf einen bequemen Stuhl, hebt den linken, elegant beschuhten Fuß auf ein Bänkchen und nimmt sich die Gitarre zur Brust. Der runde Unterleib der Gitarre ruht zwischen seinen Schenkeln. Der schwarze Stoff spannt über den Muskeln. Alles fügt sich selbstverständlich ineinander.
Er neigt sich über den glänzenden Korpus und spitzt den Mund. Seine Finger setzen sich in Bewegung, fünf am Hals, vier am Unterleib. All das kennt sie in- und auswendig, den festen Griff am Genick, das bewegliche Trillern auf den Nervenenden. Die dicke, drahtige Pferdemähne in ihrer Hand. Das störrische Brusthaar. Die empfindlichen Stoppeln über den Nackenknochen, abgescheuert von vielen, vielen weiß gestärkten Konzerthemdkragen. Der weiche Haarwirbel mitten über dem Rückgrat.
Davon weiß die Gitarre nichts, denkt sie.
Wenn er mit Spielen fertig ist, steht er auf, hält die Gitarre quer vor sich hin und verneigt sich. Das Publikum applaudiert. Sein Gesicht zerfällt zu einem Lachen. Diesen Augenblick hasst sie. Wenn sie schnell genug ist, gelingt es ihr, vorher auszuschalten.
Meistens aber hat sie ihr Strickzeug in der Hand und kann sich nicht rechtzeitig aus den Fäden befreien.
Wien, Salzburg, Mailand, New York, Carnegie Hall. Es gibt CDs und Videos, von ihm allein, mit Orchester oder mit Geigenbegleitung. Einmal sieht sie ihn auf einem Platz in Neapel; der Stadt, wo er geboren wurde. Hinter seinem Rücken brausen Autos vorbei. Er lacht über den Verkehrslärm und erzählt von Paganini. Sie hört zu und strickt Maschen ab. Weiche braune Fäden laufen über ihre Finger.
Bei ihr im Zimmer ist es still.
Wenn er zu Ende erzählt hat, steht er auf und hält die Gitarre quer vor sich hin. Verneigt sich. Das Publikum applaudiert. Sie zieht die Nadeln aus ihrem Gestrick und drückt es an ihre Wange. Er hat ihr eine Gitarre versprochen. Bald spielt es keine Rolle mehr, ob sie ankommt. Das Gestrick ist weicher.
Während sie darauf wartet, sieht sie ihn manchmal im Fernsehen. Er ist kein schöner Mann. Ein wenig zu dick, breit in den Schultern, aber die massige Brust bringt den Smoking, die Brokatweste gut zur Geltung. Was man auf dem Fernsehschirm nicht sieht, sind die schwarzen Härchen unter der weißen Hemdbrust und der faunische Haarwald zwischen den Schulterblättern. Nur das Kopfhaar gibt sich preis, so kraus und schwarz wie eine Pferdemähne. Wenn er Gitarre spielt, bindet er es zu einem dicken Büschel zurück.
Er setzt sich auf einen bequemen Stuhl, hebt den linken, elegant beschuhten Fuß auf ein Bänkchen und nimmt sich die Gitarre zur Brust. Der runde Unterleib der Gitarre ruht zwischen seinen Schenkeln. Der schwarze Stoff spannt über den Muskeln. Alles fügt sich selbstverständlich ineinander.
Er neigt sich über den glänzenden Korpus und spitzt den Mund. Seine Finger setzen sich in Bewegung, fünf am Hals, vier am Rumpf. All das kennt sie in- und auswendig, den festen Griff am Genick, das bewegliche Trillern auf den Nervenenden. Die dicke, drahtige Pferdemähne in ihrer Hand. Das störrische Brusthaar. Die empfindlichen Stoppeln über den Nackenknochen, abgescheuert von vielen, vielen weiß gestärkten Konzerthemdkragen. Der weiche Haarwirbel mitten über dem Rückgrat.
Davon weiß die Gitarre nichts, denkt sie.
Wenn er mit Spielen fertig ist, steht er auf, hält die Gitarre quer vor sich hin und verneigt sich. Das Publikum applaudiert. Sein Gesicht zerfällt zu einem Lachen. Diesen Augenblick hasst sie. Wenn sie schnell genug ist, gelingt es ihr, vorher auszuschalten.
Meistens aber hat sie ihr Strickzeug in der Hand und kann sich nicht rechtzeitig aus den Fäden befreien.
Wien, Salzburg, Mailand, New York, Carnegie Hall. Es gibt CDs und Videos, von ihm allein, mit Orchester oder mit Geigenbegleitung. Einmal sieht sie ihn auf einem Platz in Neapel; der Stadt, wo er geboren wurde. Hinter seinem Rücken brausen Autos vorbei. Er lacht über den Verkehrslärm und erzählt von Paganini. Sie hört zu und strickt Maschen ab. Braune Wolle läuft über ihre Finger.
Bei ihr im Zimmer ist es still.
Wenn er zu Ende erzählt hat, steht er auf und hält die Gitarre quer vor sich hin. Verneigt sich.
Das Publikum applaudiert. Sie zieht die Nadeln aus ihrem Gestrick und drückt es an ihre Wange. Er hat ihr eine Gitarre versprochen. Bald spielt es keine Rolle mehr, ob sie ankommt. Die Wolle ist weicher.
Ursprüngliche Fassung
Er hat ihr eine Gitarre versprochen. Glaubt sie.
Während sie auf die Gitarre wartet, sieht sie ihn manchmal im Fernsehen. Er ist kein schöner Mann. Ein wenig zu dick, breit in den Schultern, aber die massige Brust bringt den Smoking, die Brokatweste gut zur Geltung. Was man auf dem Fernsehschirm nicht sieht, sind die schwarzen Härchen unter der weißen Hemdbrust und der faunische Haarwald zwischen den Schulterblättern. Nur das Kopfhaar gibt sich preis, so kraus und schwarz wie eine Pferdemähne. Wenn er Gitarre spielt, bindet er es zu einem dicken Büschel zurück.
Er setzt sich auf einen bequemen Stuhl, hebt den linken, elegant beschuhten Fuß auf ein Bänkchen und nimmt sich die Gitarre zur Brust. Der runde Unterleib der Gitarre ruht zwischen seinen Schenkeln. Der schwarze Stoff spannt über den Muskeln. Alles fügt sich selbstverständlich ineinander.
Er neigt sich über den glänzenden Korpus und spitzt den Mund. Seine Finger setzen sich in Bewegung, fünf am Hals, vier am Unterleib. All das kennt sie in- und auswendig, den festen Griff am Genick, das bewegliche Trillern auf den Nervenenden. Die dicke, drahtige Pferdemähne in ihrer Hand. Das störrische Brusthaar. Die empfindlichen Stoppeln über den Nackenknochen, abgescheuert von vielen, vielen weiß gestärkten Konzerthemdkragen. Der weiche Haarwirbel mitten über dem Rückgrat.
Davon weiß die Gitarre nichts, denkt sie.
Wenn er mit Spielen fertig ist, steht er auf, hält die Gitarre quer vor sich hin und verneigt sich. Das Publikum applaudiert. Sein Gesicht zerfällt zu einem Lachen. Diesen Augenblick hasst sie. Wenn sie schnell genug ist, gelingt es ihr, vorher auszuschalten.
Meistens aber hat sie ihr Strickzeug in der Hand und kann sich nicht rechtzeitig aus den Fäden befreien.
Wien, Salzburg, Mailand, New York, Carnegie Hall. Es gibt CDs und Videos, von ihm allein, mit Orchester oder mit Geigenbegleitung. Einmal sieht sie ihn auf einem Platz in Neapel; der Stadt, wo er geboren wurde. Hinter seinem Rücken brausen Autos vorbei. Er lacht über den Verkehrslärm und erzählt von Paganini. Sie hört zu und strickt Maschen ab. Weiche braune Fäden laufen über ihre Finger.
Bei ihr im Zimmer ist es still.
Wenn er zu Ende erzählt hat, steht er auf und hält die Gitarre quer vor sich hin. Verneigt sich. Das Publikum applaudiert. Sie zieht die Nadeln aus ihrem Gestrick und drückt es an ihre Wange. Er hat ihr eine Gitarre versprochen. Bald spielt es keine Rolle mehr, ob sie ankommt. Das Gestrick ist weicher.