Niemandsland

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Lydie

Beitragvon Lydie » 04.10.2009, 18:19

[align=justify]Ist es Sommer? Ist es Winter? Sind es die Jahreszeiten oder bin ich es? Verwirrt spüre ich die Sonne auf meiner Haut. Unter meinen Gedanken färben sich die Bäume an den Hängen weiss. Wie Asche. Oder Schnee. Unwirklich der Gang der Zeiten und der Menschen. Ein Mann arbeitet im Garten. Fremd bin ich mir auf meinem Weg durch das Dorf. Fremd bin ich den Menschen, die meinen Gruss zögernd erwiedern. Ich habe ein fühlloses Niemandsland zwischen mich und die Welt gelegt. Geröll unendlich. Lichtjahre. Oder einfach den Weg von meiner Haut zu meinem Herzen, fühllos. In meinem Gehirn arbeitet das Sekretariat wie eh und je. Das Leben hat viele Sektoren, die Liebe ist einer davon. Nur an Tagen wie heute, da hat jemand mein Herz abgestellt. Meine Augen brennen. Das muss die Welt sein, die weiter in sie hineinstürzt, als Meteorit wohl. An Tagen wie heute müsste sich jemand finden, mich zu finden. Falls es mich noch gibt.[/align]
Zuletzt geändert von Lydie am 08.10.2009, 10:48, insgesamt 3-mal geändert.

Benutzeravatar
Mnemosyne
Beiträge: 1333
Registriert: 01.08.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mnemosyne » 06.10.2009, 15:30

Hallo Lydie,
hier hast du in meinen Augen ein mir wohlbekanntes Stimmungsbild gekonnt eingefangen.
Die Funktion der Umbrüche ist mir aber nicht einsichtig. Da du den Text als Prosa eingestellt hast, soll er wohl den Lesefluss auf gewisse Weise lenken, ich sehe allerdings nicht, was der Wirkung damit hinzugefügt wird.
Einige Kleinigkeiten:

"zuordnen" klingt merkwürdig. Vielleicht besser "erkennen"? Oder was wolltest du sagen?

"Sektoren" ist mir in diesem Kontext zu technisch, ich muss an eine Festplatte denken oder ein besetztes Land.

erwiedern->erwidern


"An Tagen wie heute müsste sich
jemand finden, mich zu finden.
Falls es mich noch gibt."

Das ist meine Lieblingsstelle. Hier ist die Stimmung, an die ich denken muss, feinfühlig ausgelegt. Stark!

Viele Grüße
Merlin

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 06.10.2009, 23:41

Liebe Lydie,

ein sehr wehmütiger Text, der vom Gefühl des Sich-Verloren-Fühlens erzählt. Du hast es in stimmige Worte gefasst.
Zusätzlich zu den Anmerkungen von Merlin, würde ich noch überlegen, ob du das "weil sie mich nicht zuordnen" nicht streichen solltest, da der ganze Text ja aus der Perspektive des LI geschrieben und gedacht ist und es somit nicht wissen, nur vermuten könnte, dass sie das LI nicht zuordnen können. "Fremd bin ich den Menschen, die meinen Gruss zögernd erwidern" spricht für sich selbst.

Saludos
Mucki

Nachtrag:
Zu deiner Titelfrage: Hier würde "Niemandsland" sehr gut passen, finde ich (auch wenn du gerade ein Gedicht mit dem Titel Nimmerland" geschrieben hast).

Lydie

Beitragvon Lydie » 08.10.2009, 10:52

Hallo Merlin, hallo Gabriella!

Ganz herzlichen Dank für eure Kommentare. Ja, Merlin, eigentlich ist der Text eher als Lyrik entstanden, daher die Zeilenumbrüche. Aber formal ist er so etwas in einem Niemandsland, auch. Ich habe es jetzt mal richtig als Prosatext gesetzt.

Sektoren habe ich gelassen, weil es genauso gemeint ist, Merlin, wie du es gelesen ist. Als etwas, das technisch zugeordnet und vom Hirnsekretariat verwaltet wird...

Gabriella, der Titelvorschlag gefällt mir bestens, vielen Dank!

Seid herzlich und herbstlich gegrüßt,

Lydie

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 08.10.2009, 12:49

Ja, diese Setzung finde ich auch besser, Lydie.

Saludos
Mucki


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 27 Gäste