WWWahlomat
Dass Wählen nicht einfach ist, weiß schon der Volksmund. Damit wir nicht zu sehr gequält werden, finden Wahlen nur alle vier respektive fünf Jahre statt. Allerdings kann einem bei so sporadisch stattfindenden Referenden leicht die Routine abhanden kommen. So fragte mich vor Jahren eine aufgeregte Jungwählerin: „Sag einmal, was ist noch mal ‚links’ und was ist ‚rechts’?“ Ich erklärte ihr, dass diese Bezeichnung aus der Sitzordnung im Parlament stamme, dass die Linke, die man oft auch die Roten nennt, typischerweise für flache soziale Hierarchien und Chancengleichheit sei, während die Rechte oftmals der Industrie näherstünde und konservativ, bewahrend sei – dies alles sei natürlich nur eine grobe Karikatur. „Gut“, erklärte meine erfreute Freundin. „Und Helmut Kohl, ist der links oder rechts?“
Seitdem ist die Situation nicht einfacher geworden. Die Rechte versucht die Linke links zu überholen, während linke Politiker öffentlich gegen von ihnen selbst erlassene Gesetze demonstrieren. Um Zeit zu haben, beschloss ich daher bei der diesjährigen Wahl meine Stimme per Briefwahl abzugeben.
Als ich dann den Stimmzettel in Händen hielt, war ich nicht wenig überrascht. Da ich im Fernsehen bei Wahlwerbung sofort weiterzappe – das Fernsehprogramm ist schlecht genug, wenn die Sender ausstrahlen dürfen, was sie wollen, da muss ich mir nicht auch noch antun, was sie gar nicht zu senden beabsichtigen – kannte ich mehr als die Hälfte der Parteien überhaupt nicht. Was zum Beispiel sind die Violetten, fragte ich mich. Was die Roten sind, hatte ich ja schon vor Jahren erklärt, auch weiß ich, dass sich Violett als Mischung aus Blau und Rot ergibt, allerdings waren bislang nur wenige Politiker im Bundestag richtig blau. Gut hingegen finde ich, dass die Piraten inzwischen von einer eigenen Partei vertreten werden. Mir fehlt allerdings noch eine Partei der Taschendiebe oder Bankräuber. Die Steuerhinterzieher waren ja sogar jahrzehntelang in der Regierung.
Um den Überblick nicht völlig zu verlieren, beschloss ich mir elektronische Hilfe zu holen. Bin ich auch verwirrt, der Wahlomat weiß, was ich wählen soll. Rasch beantworte ich 34 Fragen. Ich bin gegen Atomkraft, für Steuersenkungen und nein, Demokratie ist nicht die beste Staatsform: Eine von mir regierte Monarchie hätte weitaus weniger Probleme, zumindest aber weniger Parteien. Der schlaue Computer rechnet einen Augenblick und spuckt dann Ergebnis aus. Von allen etablierten Parteien soll ich genau die wählen, die ich bislang immer gewählt habe. Na prima. Aber ich bin neugierig und lasse nun auch die anderen Parteien. Und siehe da: Drei Parteien haben es geschafft sich an meiner bisherigen Lieblingspartei vorbeizumogeln, sie sollte ich eher wählen. Auf Platz drei, meine neuen Bekannten, die Violetten. Na dann Prost! Platz zwei belegen die Piraten. Doch als ich meine Augenklappe erstaunt lüfte, kommt die wirkliche Überraschung. Die Partei, die ich laut Wahlomat wählen soll, sind … die Rentner. Ich schnaufe, fühle mich spontan wacklig. Mit zitternder Hand mache ich mein Kreuz, tüte den Zettel ein und hoffe, dass es meine neue Partei vielleicht bis 2032 in den Bundestag schaffen wird. Dann würde sie dort auch meine Interessen vertreten.
PS: Versöhnt wurde ich mit den elektronischen Quizfragen übrigens noch am gleichen Abend. Facebook wollte in fünf Fragen (keine bezog sich auf mein Aussehen) wissen: Welchem Promi siehst du ähnlich? Die Antwort: Angelina Jolie. Na also, geht doch!
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Herrlich, so krieg ich doch noch so'n bisschen von den bundesdeutschen Wahlen. Ich geh sofort zum Wahlomat. Aber, was ist nochmal rechts und links ... habs schon vergessen ... Und, wenn ich Leonie richtig verstehe
dann sind die Piraten die Partei von Brad Pitt (mir schwant da aber eine Verwechlung, nicht Brad Pitt, sondern Johnny Depp, so also die Piraten sind die Partei von Johnny Depp? ...
amüsierte Grüße ... schade, ich kriege kein deutsches Fernsehen
Renée

amüsierte Grüße ... schade, ich kriege kein deutsches Fernsehen
Renée
Haha,
das ist wirklich spitze! Sehr nachvollziehbar, ging mir auch so - ich hab den Wahlomat-Test zweimal gemacht und jedes Mal kamen völlig unterschiedliche Ergebnisse raus
. Schöne Idee, das zu satirisieren
. Aber wenn Johnny Depp tatsächlich die Piraten anführt, dann wäre ich wohl mehr an Politik interessiert, ähäm.
Gerade eben war ich wählen und was mir mehr Sorgen machte als die Verwirrung, von zu wählenden Parteien zwei Stück auszu_wählen, war: Wo muss ich hin?! Es gibt drei Eingänge für verschiedene Wahlbezirke und dann noch mal jeweils drei Gänge mit viertausen Ziffern und egal, wie oft ich auf mein Kärtchen geguckt habe, irgendwie habe ich mich dann doch immer wieder verirrt. Zum Glück war meine 70jährige Nachbarin zufällig auch gerade unter den drei Mllionen Wählern und hat mir gezeigt, wo ich hin muss, allerdings waren in dem Gang nochmal 10 Türen, an denen in völlig beliebiger Reihenfolge wieder neue Ziffern auftauchten. An mir rannte ein kleines Mädchen mit Wahleinladung vorbei "Mama, hier müssen wir rein, die dreiiii!" ah okay, da muss ich auch rein. Man, ich kam mir echt bescheuert vor. Da war ich so fixiert auf die Parteien, dass ich fast den Wahlraum nicht gefunden habe. Zum Glück stand nur eine Urne auf dem Tisch, so dass ich dann wenigstens meinen Zettel ohne weitere Verwirrungen und Verirrungen endlich loswerden konnte...
Also - das Internet hilft einorm bei der Auswahl der zu wählenden Parteien, aber der Wahlgang selber, uff....

Grüße
die Trix
das ist wirklich spitze! Sehr nachvollziehbar, ging mir auch so - ich hab den Wahlomat-Test zweimal gemacht und jedes Mal kamen völlig unterschiedliche Ergebnisse raus


Gerade eben war ich wählen und was mir mehr Sorgen machte als die Verwirrung, von zu wählenden Parteien zwei Stück auszu_wählen, war: Wo muss ich hin?! Es gibt drei Eingänge für verschiedene Wahlbezirke und dann noch mal jeweils drei Gänge mit viertausen Ziffern und egal, wie oft ich auf mein Kärtchen geguckt habe, irgendwie habe ich mich dann doch immer wieder verirrt. Zum Glück war meine 70jährige Nachbarin zufällig auch gerade unter den drei Mllionen Wählern und hat mir gezeigt, wo ich hin muss, allerdings waren in dem Gang nochmal 10 Türen, an denen in völlig beliebiger Reihenfolge wieder neue Ziffern auftauchten. An mir rannte ein kleines Mädchen mit Wahleinladung vorbei "Mama, hier müssen wir rein, die dreiiii!" ah okay, da muss ich auch rein. Man, ich kam mir echt bescheuert vor. Da war ich so fixiert auf die Parteien, dass ich fast den Wahlraum nicht gefunden habe. Zum Glück stand nur eine Urne auf dem Tisch, so dass ich dann wenigstens meinen Zettel ohne weitere Verwirrungen und Verirrungen endlich loswerden konnte...
Also - das Internet hilft einorm bei der Auswahl der zu wählenden Parteien, aber der Wahlgang selber, uff....

Grüße
die Trix
Im Spinnforum schrieb eine Bekannte:
"Meinem Kollegen Hussein hat das Ding gesagt, er soll NPD wählen ..."
Ich lach jetzt noch.
Die Partei, die ich übrigens nach Meinung des Wahlomat wählen soll, stand gar nicht auf unserem Wahlzettel.
Köstlich, Max, besonders gefiel mir, dass die Rechte gerade versucht, die Linke links zu überholen ...
Schönen Gruß von Zefira, die jetzt gleich 'nen Wahlordner im Café aufmacht.
"Meinem Kollegen Hussein hat das Ding gesagt, er soll NPD wählen ..."
Ich lach jetzt noch.
Die Partei, die ich übrigens nach Meinung des Wahlomat wählen soll, stand gar nicht auf unserem Wahlzettel.
Köstlich, Max, besonders gefiel mir, dass die Rechte gerade versucht, die Linke links zu überholen ...



Schönen Gruß von Zefira, die jetzt gleich 'nen Wahlordner im Café aufmacht.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Hallo Max,
ein huebscher Text, der eine ziemlich fragwuerdige Institution gekonnt auf die Schippe nimmt. Annahme hinter dem Wahlomaten scheint es zu sein, dass eine Partei sich mit einem Buendel einzelner konkreter Forderungen identifizieren laesst - dabei geraet die politische Grundhaltung, aus der heraus diese Forderungen kommen, voellig in den Hintergrund und so kann dann auch schon mal einem Mathematikprofessor eine Partei "fuer spirituelle Politik" empfohlen werden...
"eine aufgeregte Jungwähler"
Da stimmt was nicht.
Liebe Gruesse
Merlin
ein huebscher Text, der eine ziemlich fragwuerdige Institution gekonnt auf die Schippe nimmt. Annahme hinter dem Wahlomaten scheint es zu sein, dass eine Partei sich mit einem Buendel einzelner konkreter Forderungen identifizieren laesst - dabei geraet die politische Grundhaltung, aus der heraus diese Forderungen kommen, voellig in den Hintergrund und so kann dann auch schon mal einem Mathematikprofessor eine Partei "fuer spirituelle Politik" empfohlen werden...
"eine aufgeregte Jungwähler"
Da stimmt was nicht.
Liebe Gruesse
Merlin
Lieber Max,
herrlich und trefflich geschrieben - und ich wünschte an den heutigen Wahlergebnissen wäre der Wahlomat Schuld.
Trix, das könnte doch fast ein Test gewesen sein, der schon eine Wählervorauswahl trifft..
Ich kenne das von meiner Magisterprüfung - da fand die Philosophieklausur in einem so seltsamen und verbautem Gebäude statt, dass ich Angst bekam, nicht rechtzeitig anzukommen. Und der Hörsaal befand sich im 7. Stock, auch noch nicht erlebt.
liebe Grüße,
Lisa
herrlich und trefflich geschrieben - und ich wünschte an den heutigen Wahlergebnissen wäre der Wahlomat Schuld.
Trix, das könnte doch fast ein Test gewesen sein, der schon eine Wählervorauswahl trifft..

Ich kenne das von meiner Magisterprüfung - da fand die Philosophieklausur in einem so seltsamen und verbautem Gebäude statt, dass ich Angst bekam, nicht rechtzeitig anzukommen. Und der Hörsaal befand sich im 7. Stock, auch noch nicht erlebt.
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Liebe Leser,
danke für diese schönen und erfreulichen Kommentare. Die Idee zu dem Text gab es schon länger, heute war sozusagen der letztmögliche Termin, ihn einzustellen.
Leonie, wenn Du Bratt Pitt bist, müssen wir dann heiraten?
Trixie zu den Wahlkabinne könnte ich auch eine Glosse schreiben .. das bei den Europawahlen ist das besonders lustig, wenn man seinen Klorollen-langen Wahlzettel ausrollt.
Zefi, vielleicht hattest Du die blaue Mauritius unter den Wahlzetteln
Merlin, ein Fehler ist auf jeden Fall, dass man zwar die Fragen gewichten kann, aber meine Gewichte von den Antworten abhingen - das geht aber nicht. Danke für den Hinweis auf den Fehler.
Danke alles fürs Kommentieren!
Max
danke für diese schönen und erfreulichen Kommentare. Die Idee zu dem Text gab es schon länger, heute war sozusagen der letztmögliche Termin, ihn einzustellen.
Leonie, wenn Du Bratt Pitt bist, müssen wir dann heiraten?
Trixie zu den Wahlkabinne könnte ich auch eine Glosse schreiben .. das bei den Europawahlen ist das besonders lustig, wenn man seinen Klorollen-langen Wahlzettel ausrollt.
Zefi, vielleicht hattest Du die blaue Mauritius unter den Wahlzetteln

Merlin, ein Fehler ist auf jeden Fall, dass man zwar die Fragen gewichten kann, aber meine Gewichte von den Antworten abhingen - das geht aber nicht. Danke für den Hinweis auf den Fehler.
Danke alles fürs Kommentieren!
Max
OT : Ich habe mir gerade "Der seltsame Fall des Benjamin Button" angesehen. Die Hauptrolle hat Brad Pitt gespielt: einen Mann, der alt geboren wurde und nicht alterte, sondern jüngerte.
Seine Frau (gespielt von Cate Blanchett) verließ er, nachdem die gemeinsame Tochter geboren war. Mit der Begründung, er könne ihr nicht zumuten, zwei Kinder großzuziehen.
Aber ihn hätte sie doch gar nicht großziehen müssen - eher kleindrücken ...
Gruß von Zefira, die sich jetzt "Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli" aus em Regal holt - hat nix mit unserem Max zu tun, hoffentlich (aber ist diese Häufung an Synchronizitäten nicht komisch??)
Seine Frau (gespielt von Cate Blanchett) verließ er, nachdem die gemeinsame Tochter geboren war. Mit der Begründung, er könne ihr nicht zumuten, zwei Kinder großzuziehen.
Aber ihn hätte sie doch gar nicht großziehen müssen - eher kleindrücken ...
Gruß von Zefira, die sich jetzt "Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli" aus em Regal holt - hat nix mit unserem Max zu tun, hoffentlich (aber ist diese Häufung an Synchronizitäten nicht komisch??)
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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