Falsch, Fiktion, Form

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 20.09.2009, 14:53

:smile: :smile:
Zuletzt geändert von Renée Lomris am 28.07.2011, 03:17, insgesamt 1-mal geändert.

Sam

Beitragvon Sam » 24.09.2009, 16:44

Hallo Renée,

das habe ich wirklich gerne und mit großem Interesse gelesen. Auch wenn ich immer noch Schwierigkeiten habe, diesen Versuch auf einen Punkt hin festzunageln oder dessen eigentliches Ziel auszumachen.

Das lastige Ich (wunderbare Formulierung): Es taucht unwillkürlich die Frage auf, was denn das Ich so belastet. Ich denke, es ist der Autor mit seinen Intentionen, der dem erzählenden Ich die Last seiner "Sicht der Dinge" aufbürdet. Diese kann nur einseitig, ja einäugig sein, und somit wenigstens halbblind. Dem "Falschen" (auch dieser Begriff bedarf einer genauen Definition) wird somit die Tür zumindest einen Spalt geöffnet.

Du stellst die Frage:
Wie kann ich aber das schreibende Ich im Text verstecken, ohne mich zu verraten? Oder, wie gut kann ich mich verraten, ohne mein Versteck aufzudecken?

und am Ende:
wo ist falsche, wo das wahre Versteck ...


Hat der Autor im Text nur ein Versteck, so ist es das falsche.
Versteckt er sich aber überall, in jeder Person und in jeder Handlung, so ist es nicht nur ein gutes Versteck, sondern auch ein wichtiger Schritt dahingehend, jene Authentizität zu erlangen, die er sich erwünscht.


Liebe Grüße

Sam

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 24.09.2009, 17:13

Lieber Sam,

Mir ist hinterher klar geworden, dass ich "das Falsche" nicht ausreichend ausgelotet und definiert habe. Ein Bestandteil ist das wirklich sprachlich oder inhaltlich Falsche, wenn Einzelheiten einfach schludrig und ohne Nachprüfung verwendet werden. Das passiert mir immer wieder (Antimaterie, Froschkinder, wurden von Max und Fenestra jeweils zu Recht moniert. Bei der Definition von Trivialliteratur spielen solche Fehler eine Rolle, weil den Autoren, die am Fließband arbeit(et)en (auch das mag von den Verlagen inzwischen so organisiert werden, dass kaum solche Fehler vorkommen), die Zeit zur Verifizierung fehlt. Das heißt, dass eine wissenschaftliche Grundhaltung (auch) zur authentischen Fiktion gehört.
Andererseits gehört zum Entwicklung einer Fiktion eine echte Verarbeitung des "Ich" (das "Ich" selbst ist bereits Fiktion) - und du hast Recht, dass eine Verteilung sicher zur "richtigen" oder "unfalschen" Verarbeitung führt - zur Entstehung von Fiktion gehört.
Wenn das "Ich" predigt, (nur) unterhält, sich dem Leser mit Lektionen oder Wissens-Seifenblasen aufdrängt, dann sind das Texte, die mich jedenfalls nicht (auf Dauer) interessieren. Ganz stimmt das nicht, vor allem bei Lyrik entdecke ich zur Zeit sehr viel, was mir einfach aufgrund langen Aufenthalts im Ausland nicht bekannt war.
Was mir trotzdem immer wieder fehlt, ist der Versuch zur Fiktion, der über Befindlichkeit oder Amüsement, oder auch Exotik diverser Art hinausgeht.

Das lastige Ich - Sartre schreibt über Flaubert, dass er "unter der Kontingenz eines Seins schlechter Qualität.“ ‚IF, 1, 180) leide. Viele Autoren, die wir alle sehr schätzen, entsprechen dieser Formulierung.



Danke dafür, dass du den Text ernst genommen hast.
Liebe Grüße

Renée


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