Fragmente (Arbeitstitel)

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 10:51

Fragmente



Wie lange dauert eine Stunde im Sumpf? Wir sollten uns nicht mit Nacktschnecken messen. Die können meterhohe Mauern überwinden.
Es scheint fast so, als wollte der Knöterich uns zum Straucheln bringen. Wir müssen die Füße sorgsam heben. Und auf unsere Fesseln achten.
Sind das dort Brotkrumen auf dem Amboss?

***

Ich sollte nun die gelbe Kugel ganz leicht mit Rechts-Effet anspielen, dann wäre die Partie doch beendet, oder?

***

Wenn du das Deodorant wegließest, wäre ich dir noch etwas näher.
Und Seltsamkeit ist nur eine Überinterpretation der Wahrnehmung, ebenso wie die Lüge.

***

In Masuren läuten deine Hochzeitsglocken, während ich die Staubfasern von unseren Kopfkissen inhaliere. Ich hätte sie vorher nur einmal kräftig ausschütteln sollen. Und die Bezüge waschen. Habs versäumt zur Hoch-Zeit.

***

Die Brombeere an der Straße ist noch zu sauer. Es bedürfte eines Sommers.

***

Wieso die Fußmatte immer nach links rutscht, weiß ich auch nicht. Sollen wir Photos von damals anschauen? Ich mag die Art, wie du schnippisch wirst.

***

In grünen Seen könnten wir – ganz nackt – die Lösung finden.

***

Das Glas mit dem Sprung sollten wir besser nicht verwahren. Und wachsam sein, wenn wir das Gyuto abtrocknen.
Ich glaube nicht, dass es Spinnennetze gibt, aus denen sich ein Mensch nicht befreien könnte.
Schau mal, auf dieser Seite bieten sie virtuelle Tiere an. Ich wünsche mir doch schon so lange einen Ziegenbock.
Nein, die alte Frau von nebenan habe ich auch lange nicht mehr gesehen.

***

Früher rochen die Sonntage nicht so sehr nach Brennspiritus.
Wir sollten es bei den Provisorien belassen. Dann fällt die Trennung nachher nicht so schwer. Oder der Tod. Was macht dich so sicher, dass es einen weiteren Sommer geben wird?

***

Die Leute in den Großstädten fühlen sich immer so überlegen ... dabei können sie von da aus (vor lauter Dunst) nicht einmal die Milchstraße sehen.
Dieser Pfirsich kommt mir irgendwie zärtlich vor. Es ist schön, unter freiem Himmel zu onanieren. Sekundenbruchteile unterscheiden sich nicht wesentlich von Ozeanen.

***

Wie heiß es in dir war.
Es ist noch was vom Pfirsich über.

***

In den Frühträumen ist es so, als überschreite man für einen Moment die Grenze, als gelange man kurz ans andere Ufer. Das Waten zurück wird aber jeden Morgen mühsamer.

***

Man hört kaum noch Amseln. Wir sollten die streunenden Hauskatzen einfangen und in der Regentonne ersäufen. Ich ertrage ihre Überlegenheit nicht.

***

Die Elstern sollten wir auch abschießen. Verfluchtes Gezänk!
Es war ein gute Idee, die Flagge von Juist hier zu hissen. Wenn du die Augen schließt und dem Wind zuhörst, ist es wie am Meer. Man kann überall am Meer sein.
Hab wieder die Photographien angeschaut von dir, und mich auf die Insel geträumt.
Die Festung von Schloss Glücksburg lässt sich mit einer Handvoll Bogenschützen einnehmen. Sie haben die Reichweite unserer Pfeile unterschätzt.

***

Von den Äpfeln, die ich manchmal kaufe, esse ich immer nur einen. Die restlichen lege ich zum Verfaulen hin.

***

Die anderen Burgen sind auch nicht viel besser. Mit ein paar Streitkolbenkämpfern in der Hinterhand kannst du sie alle aushebeln.

***

Warum ich die Aussetzer und Doppelschläge meines Herzens ignoriere und nicht damit zum Arzt gehe? Nun, es hat einen gewissen Reiz, gegen einen übermächtigen Gegner anzutreten. Stell dir mal vor, was das für ein Coup wäre, wenn es mir gelänge, das Remis bis kurz vor Schluss zu halten und dann über die rechte Außenbahn einen Touchdown durchbrächte.

***

Ich möchte nie mehr fliegen.

***

Dieser Tag ist wie das Möbiusband, was ich heute zusammenklebte. Am Ende ist man wieder am Anfang, nur verdreht.
Ansonsten Sauerkonserven und Vollkornbrot.

***

Hab die Gedichte, die von dir handeln, weggeschickt. Sie sind aber immer noch hier. Ich sollte vielleicht die Manuskripte im Garten vergraben und die Festplatte löschen. Das wäre ein bisschen endgültiger. Macht es einen Unterschied, ob ich diesen Schnaps noch trinke oder nicht?

***

Zeit, den Schmerz ins Haus zu bitten. Er hockt schon so lange reglos unter dem Rhododendron.

***

Nachtschweiß mindert das Wohlbehagen nicht. Erst, wenn er kalt geworden ist. Und uns der Mutterleib wieder ausspuckt, in die fröstelnde Dämmerung.

***

20 am Tag * 30 Jahre = 219.000. Wieviele sind genug?

***

Entschuldige, dass ich dich nur benutze.

***

Die Tage werden kürzer. Die Nächte auch. Das dazwischen wird länger.

***

Wir sitzen wieder wie vor 25 Jahren auf dem Balkon auf der Brückenstraße, im vierten Stock, hinten raus, zum Parkplatz von Schätzlein, und sehen den Autos beim Rangieren zu, und den Einkaufswagen beim Klimpern, während Lutz hinten in der Wohnung in die Dusche kotzt. Weil er es wieder mal nicht bis zum Klo geschafft hat.

***

Es gibt uns aber nicht mehr.

***

Beim Brennholzspalten entstehen manchmal kleine Spielzeugfische, mit Augen und Flossen. Diese beiden hier könnten ein Forellenpaar sein, findest du nicht? Nein? Lass uns die Kinder fragen.

***

Ich gelange nur über diese Treppe zu dir.

***

An guten Tagen können wir den Tisch mit zwei Aufnahmen abräumen. Heute müssen wir mal die Pomeranzen mit Schulkreide schmieren. Dieser Einbänder war genial.

***

In einem Kreis gibt es keine Verstecke.

***

Wir füllen Pokale mit Brackwasser und setzen Goldfische rein.

***

Heute hatte ich zum ersten Mal eine dieser dicken Hausspinnen auf der Hand. Anstatt sie mit der Duschbrause in den Abfluss zu spülen, habe ich sie einfach hochgenommen und angeschaut. Sie hat ängstlich ausgesehen, und saß ganz still. Unvermittelt lief sie dann meinen Arm hoch, und da habe ich die andere Hand genommen, um sie davon abzuhalten. Das ging einige Male so, rechts und links, bis ich sie einfach auf dem Hof vom Arm schüttelte und die Tür hinter mir schloss.
Es ist etwas anderes als Ekel.

***

Jetzt verschieben sie wieder die unterirdischen Aparaturen. Du kannst es hören, wenn du dein Ohr ganz fest an den Kanaldeckel (die Erde) drückst.

***

Blut. Überall ist Blut.

***

Muss ein Scheißgefühl für dich gewesen sein, als ich bewusstlos auf deinem Schoß lag und mein Blut über deine Hose lief. Entschuldige. Normalerweiser passiert mir sowas nicht.

***

Du liebst nicht.
Du weißt nichtmal, was das ist.

***

Ich habe mir eine Bürste mit einem langen Stiel gekauft, für den Rücken. Damit ich deine Hände nicht mehr vermisse.
Das Wasser war heute so heiß, dass meine Haut ganz gerötet ist. Ich konnte aber nicht damit aufhören, mir die Brause in den Nacken zu halten und sie ganz langsam in ihrer Neigung zu verändern, so dass sich das Wasser immer neue Bahnen über den Rücken suchte. Es war, als liefe flüssiges Wachs an mir herunter.

***

Sperma trocknet langsamer als Blut.

***

Die Tage, an denen es nicht hell werden will, sollte man nutzen, um die Lebensarchive fortzuführen. Damit diejenigen, die hinter uns aufräumen müssen, es einfacher haben.

***

Immer noch eitern Glassplitter aus meiner Haut. Ich spüre keinen Schmerz. Nur das Bedürfnis, etwas abstoßen zu müssen. Diesen Schorf muss ich auch nochmal abziehen. Es ist noch etwas darunter.

***

Man kann nicht noch einmal von vorne beginnen.

***

Heute Nacht konnte ich die Ratten in meinen Abwasserleitungen nagen hören (ich hatte immer vermutet, dass die Gefahr von innen kommt). Ich wurde wach davon.
Aber es bedarf erst des Nebels, um die wirklich leisen Geräusche wahrzunehmen.

***

Das Jahr weiß nicht, dass es ein neues ist.

***

Es kommen tatsächlich frische Triebe aus dem Erdreich. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet.

***

Es spielt keine Rolle, was in der Mitte ist. Auf die Ränder müssen wir achtgeben.

***

Nein, Schatz, ich kann dir kein aktuelles Photo schicken. Es gibt keines. Jedes Bild zeigt einen Moment nach seiner Belichtung bereits die Vergangenheit.

***

Das entscheidende Buch steht wahrscheinlich noch ungelesen im Regal. Kann jetzt nur noch Fjodor oder Franz sein. Oder das mit den verschiedenen Knoten.

***

Nein, ich werde die alten Sachen noch einmal nähen lassen.

***

Das Erwachen ist sechzehntausend blassgelbe Quadrate.

***

Das Hartholz klingt wie eine tiefe Glocke, wenn sie es ins Wattenmeer rammen. Sie machen aber später keinen Glauben daran fest.

***

Auf den Kneipenklos hängen sie immer getönte Spiegel auf. Dann ist die Illusion perfekt, dass man sich gut fühlt.

***

Unter den Straßenlaternen werfen wir immer zwei Schatten: Einen langen blassen, der uns weit vorauseilt, und einen kräftigen kurzen, der uns von hinten einholt und dann neben uns herläuft.

***

Wieder kein Obst gekauft. Nur geraucht und auf den Stillstand gehofft.

***

Aber nichts hält inne.

***

Ich weiß nicht, warum ich den Koffer immer noch nicht ganz ausgepackt habe. Ich glaube diesen Wänden nicht mehr. Schau, da ist noch Sand unter dem Buch über Ebbe und Flut.

***

Ich schlage nicht mehr nach den Fliegen. Jedes Mal, wenn du sie nicht triffst, wirst du dir mehr deiner Ohnmacht bewusst.

***

Ich will das Wiesenheu wieder riechen.

***

Sie sollten jeden Tag Bomben in der Nachbarschaft entschärfen. Es ist so wunderbar still.

***

Wann eigentlich haben die Bewegungen aufgehört? Seit ich unter diesem Bett bin, herrscht Tag- und Nachtgleiche. Hinter der Fußleiste fand gerade eine Scharade statt, aber ich kam nicht auf die Lösung. Eine der Assseln trug ein silbernes Hochzeitskleid, dessen Schleppe sich mit den Teppichfasern verwoben hatte. Eine andere sang Kantaten dazu, und die dritte bot Schaltjahre feil.

***

Man kann die Sägespäne in der Raufaser zählen. Das bringt wieder ein paar Minuten.
Die glücklichen Tage hatten wir morgens immer mit Kaffeeweißer angemalt.

***

Hinter den Vorhängen weiß ich die Zeitspinnen. Sie scheiden jetzt unverdauliche Momente aus. Ob ich ihnen etwas Kupfergeld geben sollte für ihre Dienste?

***

Ich würde so gerne noch einmal unter deiner Brust sterben.

***

Weißt du noch, wie ich nachts mitten im See aus dem Schlauchboot steigen musste und dich zur Insel schieben, weil wir ein Leck hatten?
Als das Gewitter kam, haben wir uns unter die Malerfolie gelegt, und dein Unterleib hat uns beide gewärmt.

***

Der Pfad ist zugewachsen. Man müsste durch Dornen.

***

Ich habe mir immer gewünscht,
dass du mir mein Herz zurückgibst.
Inzwischen möchte ich, dass du es behälst.

***

Ich benutze immer noch die Reisezahnbürste. Als ob es bald weiterginge.

***

28/08/2008




Wenn du dir morgens aus den Kippen im Aschenbecher eine Zigarette drehst schmeckt es, also ob du die Gedanken von gestern noch einmal rauchen würdest.

***

40 Sorten Grau. Such dir eine aus.

***

Die Geräusche ändern sich. Der Klang bleibt gleich.

***

Wir sollten bald die Beete anlegen. Die Erde ausbringen. Bevor der Herbst kommt. Nein, ich werde nichts anpflanzen. Du musst nur warten.

***

Was ist schon dabei, mit einem Regenschirm auf dem Fahrrad nach Hause zu fahren? Lass die Leute doch lachen. Hör mal, das Feuerwerk. Sie feiern wieder ihre eigene Sinnlosigkeit. Ist es nicht schön, wie der Regen jetzt auf unser Zelt prasselt?

***

Immer wenn ich diese Sanddorn-Marmelade esse, kann ich wieder die wettergegerbten Holzplanken unter unseren nackten Füßen spüren. Damals hast du die Beere ausgespuckt, die ich dir zwischen die Lippen gelegt hatte, weil sie dir zu sauer war. Möchtest du jetzt einen Löffel davon? Die hat unser Pensionswirt selbst eingekocht, und sie ist ganz süß. Und ein bisschen bitter.

***

Den letzten Rest lasse ich im Glas, als Andenken, und stelle ihn in den Kühlschrank zurück. Zum Verschimmeln.

***

Es gibt gar keine Farben, Liebling. Nur eingesperrtes Licht.

***

Diese Wohnung ist ein Museum.
Spürst du auch, wie es kühler wird?

***

Die Tage fühlen sich jetzt an, als vertrockneten sie unter mir. Ich sollte in den Regen hinausgehen.

***

Ich habe diese Türe schon so lange nicht mehr geöffnet.

***

Überall stehen die Männer in den Hauseingängen. Sie rauchen Löcher in die Zeit.

***

Wir haben die Butter vergessen.

***

12/09/2008



***

Man muss die Jalousien langsam öffnen. Sonst bricht der Tag so schnell über uns herein.
Der Küchenschrank ist zu voll geworden. Welche von den Tassen würdest du zuerst wegwerfen?

***

Hinter den Bergen spielen sie wieder Schöpfung. Vielleicht haben wir Glück, und es misslingt dieses Mal.
Du brauchst dich nicht zu fürchten. Nach dem Tod wird es so sein wie vor der Geburt.

***

Ich habe jetzt mit dem Einmauern begonnen. Zuerst die Fenster. Die Türe lasse ich offen bis zum Schluss. Du musst dich beeilen, wenn du noch hinein möchtest.
Die Leitungen werde ich bald trennen.

***

18/09/2008



Die Nachrichten, die noch hereinkommen, sind nicht für mich.

***

Die Meisen sind wieder da. Ich habe sie den ganzen Sommer nicht gesehen.

***

Diese Gartenmauer hatte ich einst errichtet, damit die anderen dahinterbleiben. Nun ist es so, als sei ich dahinter. Sie sieht ein bisschen aus wie ein sinkendes Schiff, findest du nicht?
Ich werde sie wahrscheinlich nicht zu Ende bauen. Noch kann man hinüberschauen.

***

Man muss den ersten Kampf gewinnen. Den letzten verliert man immer.

***

Du siehst schlecht aus. Versoffen, und aufgedunsen. Ich auch, nur nicht so schlimm. Die Jahre haben nicht auf uns gewartet. Auf dich nicht und auf mich nicht. Ich komm jetzt in dir, ja?

***

Gerade in der Kneipe kam eine Frau herein, die mir eine Tüte voll Lebensmittel für 4 Euro verkaufen wollte. Brote und Käse in Plastik, schlechte Kartoffeln, Massentierwurst. Und De Moriaan-Tabak von Aldi. Der käme 3 Euro extra. Ich sagte ihr, ich esse und rauche solche Sachen nicht. Sie soll was Anständiges klauen.

***

Allein.

***

Morgen. Alles morgen.

***

Der Schärfebereich ist jetzt hinter der Oberfläche, in den Kristallen. Trotzdem kann ich die Figuren steuern. Es genügt, zu wissen.

***

Heute ist der Tag, um sinnlose Dinge aus dem Haus zu tragen und hinter den Heizkörpern nach dem Verlorenen zu suchen.

***

Weißt du, ich kann mir die Dinge so gut vorstellen, dass ich keinen Sinn mehr darin sehe, sie auszuführen. Es gibt einen Indianerstamm, der deswegen nie Krieg geführt hat.

***








Fragmente ab Okt/2014


Ich erschlage die Wespen jetzt. Es werden zuviele im Haus. Sie kommen durch ein Loch in der Decke. Das habe ich jetzt mit nassem Papier ausgestopft.

***

Sie haben ein neues Loch gefunden. Ich muss auf den Winter warten.

***

Das Glück ist jetzt nur noch als Prämie zu erhalten. Du musst erst Schmerzpunkte sammeln, um es zu bekommen.

***

Heute habe ich das schöne Knoblauchtöpfchen aus gebrannter Erde umgeworfen. Ich stehe vor Scherben.

***

Vielleicht kann man alles noch einmal kleben.

***

Ich ficke nicht mehr. Ich schreibe keine Texte mehr. Spiele keine Gitarre.
Ich dusche noch seltener, wasche mich stattdessen jeden Tag. Ich rieche nicht unangenehm.
Aber ich gehe nicht mehr durch den Wald, am Rhein entlang, dahin, wo Menschen sind.
Ich male nicht, ich zeichne nicht, ich photographiere nicht. Entwickle nichts.
Mal sehen, ob ich den Hof gefegt bekomme.

***

Kiffen hilft.

***

Und aufräumen.

***

Die Schorchelausrüstung brauche ich wohl auch nicht mehr.
Ich kam mal 7 Meter tief, damals, in Instrien. Ich war mitten in den Fischschwärmen.
Wir waren von den Klippen gesprungen.
Keinen Fisch habe ich berührt. Und doch alle.
Und die Muräne lachte aus ihrem Loch.

***

Brian Conolly. Teeniestar meiner Jugend.Tot.
Marc Bolan. Teeniestar meiner Jugend. Tot.
Kurt Cobain. Feingeist, zerbrechlicher. Tot.
Fran Zappa. Politiker. Bester Komponist des 20. Jh. Tot.
Ronnie James Dio. Geschichtenerzähler. Tot.
Hab gerade noch ein Konzert gesehen, mit Sabbath, 2010, als ob nichts wäre.

Loriot. Tot.

Udo Schepers. Zweiradmechnaiker, Mitte 50. Tot aufgefunden, in seiner Wohnung, ziemlich verwest.
Wir kannten uns.

Zwei Wochen vorher haben wir noch
seine Scheiße
weggemacht
als er in der Kneipe
kollabierte.

Dass er sterben würde
hatten wir nicht geahnt.

***

Nach dem Kleben muss man es beischleifen, mit 400er Körnung. Die Narben bleiben, aber die Kanten sind nicht mehr so scharf.

***

Zu viele Wasserschäden. Alles schimmelt.

***

Wenn das Ende auf uns kommt, möchte ich noch einmal nackt sein.

***

Um eine wirklich gute Idee zu haben, muss man glücklich sein. Oder in Not.

***

Da ist noch Blut an der Türklinke.

***

Heute habe ich trockenes Laub in meinem Badezimmer verteilt. Ich muss spüren, dass Herbst ist.

***

Hinter allen Mächten steht etwas Einfältiges. Es ist so einfach, sie zu durchschauen.

***

Das Laub kann ich wohl jetzt wieder wegräumen. An den Bäumen ist auch keines mehr.

***

Winter.

***

Wie mag es wohl sein, aus einem Fenster zu springen?

***
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 31.01.2016, 03:44, insgesamt 51-mal geändert.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.09.2008, 13:57

Hi Tom,
Bei diesem Satz fällt mir gerade auf, dass es reiner Zufall ist, dass dem 'eingesperrten Licht' ein Satz, in dem 'Kühlschrank' vorkommt, vorausgeht. Das Licht meine ich natürlich nicht ... :o)

Hab ich auch nicht mit dem Kühlschrank-Satz davor zusammengelesen, sondern getrennt (durch die Sternchen dazwischen)
da kommt ein neuer Gedanke, zurück zum Rechner, diesmal lehmverschmiert, und so geht das neuerdings ständig ...

Kenn ich nur zu gut. Da hilft nur eines: immer ein Notizbüchlein samt Stift in der Tasche dabei haben ,-)
Saludos
Mucki

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 13.09.2008, 14:10

Naj, sooo weit hab ichs ja nicht von der Arbeit zum Rechner ... genau das ist ja das Problem ... :o)
Wenn ich allerdings vom Hof gehe, habe ich immer das Heftchen in der Tasche ... wenns weiter weggeht (also ab Kneipe), auch meinen kleinen akkubetriebenen Tippelbruder ...

Tom
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.09.2008, 20:52

Hallo Tom,

deine Weiterführung ist wie das Gedicht, das sich daraus oder darum entwickelt hat ganz besonders. Als ginge wirklich ein Pochen durch die Zeilen, das einen gleich einfängt, weil man es plötzlich in sich selbst spürt und man das Gefühl hat, teilhaben zu dürfen, an etwas echtem, unverfälschtem, das sich nicht für den Leser verbiegt und nicht eitel ist.

liebe Grüße smile

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 14.09.2008, 20:15

Hallo smile,

das ist sehr liebenswürdig.

Es ist merkwürdig mit dieser Art des Schreibens. Ich habe es begonnen, ohne ein Ziel vor Augen zu haben, ein 'Produkt' im Sinn. Bestenfalls könnte man noch 'Literarisches Tagebuch' dazu sagen. Ich hatte auch ursprünglich nicht daran gedacht, es zu veröffentlichen.
Aber es entwickelt sich eigenständig, ergreift Besitz, und ich schreibe immer noch so, als hielte ich ganz private Notizen fest. Im Moment der Niederschrift denke ich an nichts anderes, z.B., ob jemand Fremdes dem nun folgen kann oder nicht.

So scheint es, dass, je egoistischer man die Dinge beschreibt, je mehr einem die Anwesenheit eines Beobachters gleichgültig ist, desto näher bindet man ebenjenen. Lässt ihn in die Seele gucken. Zum Glück nur denjeneigen, der das auch wirklich möchte. Viel tiefer kriegt man die Hosen nicht runter.

Die Fragmente scheinen nach anfänglichem Stocken in Fluss zu geraten, durch Einzelnes ein Ganzes zu bilden. Je mehr Teile es werden, desto mehr schließt sich ein Puzzle, desto erkennbarer wird das Gesamtmotiv. Wie auch immer das aussehen wird.
Ich bemühe mich, das so fortzuführen. Ohne Verbiegen. Uneitel wirds dann von selbst.

Vielen Dank,
Tom.
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Beitragvon Thomas Milser » 18.09.2008, 22:48

aktualisiert 18/09/2008

Dezente weiße Striche mit Datumsangabe für neue Kapitel eingefügt.
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Albert

Beitragvon Albert » 18.09.2008, 23:11

Lieber Tom,

ganz kurz nur: Zu diesen Fragmente kann man dir nur gratulieren! Ich empfehle dringend ein oder zwei Zusammenstellungen, um sie auf möglichst kurzem Raum zur Entfaltung zu bringen (die vom 12.09. funktionieren z.B. sehr schön zusammen).

Aber: Die letzten vier, die du eben eingestellt hast, sagen mir überhaupt nicht zu! Phrasen ("Halbe Wahrheit schlimmer als Lüge"; "nach dem Tod ist es wie vor der Geburt"), bekannte Bilder (das Einmauern, Tageslicht als "Einbruch" des Tages) und schließlich noch - für mein Empfinden - stilistische Fehltritte (z.B. nach der schönen Küchenschrank-Idee den nächsten Satz so idiosynkratisch lauten zu lassen ("würdest") - oder fehlt dir da ein Pronomen?) lassen mich in den schönen Rhythmus von Anheben und Abklingen der Gedanken nicht eintauchen.

Liebe Grüße,
Albert

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Beitragvon Thomas Milser » 19.09.2008, 09:41

Hallo Albert.

Freut mich sehr, dass du zu dieser Sammlung so wohlwollend Stellung beziehst.

Zuerst: Bei 'würdest' fehlt das Pronomen 'du', natürlich. Glatt übersehen. Danke für den Hinweis:
Und das hier ...
Die halbe Wahrheit ist die schlimmste Lüge. Möchtest du mir noch etwas sagen?
... gefällt mir auch nicht, haste Recht, das ist Erklärbär, das nehme ich raus.
Das 'Einmauern' muss aber bleiben. Bloß, weil es ein Bild schon mal irgendwo gibt, muss es nicht unpassend sein. Ich hatte genau diese Gefühlslage, und dann benutze ich das auch. Zumal ich auch wirklich mauern kann. :o)

Du meinst, ich sollte einzelne 'Abschnitte' aus den Fragmente herausnehmen und die als 'eigenständige' Texte auskoppeln?

Das ist eigentlich genau das, was ich nicht möchte. Ich verstehe das als fortlaufenden Prozess, in dem Stimmungen wechseln, sich ergänzen, bedingen, das Einzelne für das Ganze steht, und umgekehrt.

Deswegen wollte ich auch ursprünglich keinerlei Ordnungssystem wie Datumsangabe oder graphische Trennungen einbauen. Die Kennzeichnung hier im Forum soll nur neu eingestellte Fragmente kenntlich machen.

Vielleicht erläuterst du deinen Gedanken des 'auf möglichst kurzem Raum zur Entfaltung bringen' noch einmal?

Vielen Dank einstweilen,
Tom.
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Albert

Beitragvon Albert » 19.09.2008, 23:24

Lieber Tom,

achso - na, wenn du lieber bei der freien Aneinanderreihung bleibst, ich weiß nicht, als "Tagebuch" sozusagen? Steinbruch? oder das für dich einfach stimmiger ist, dann bleib dabei!

Ich empfinde diese Fragmente in dieser Aufeinanderfolge als noch ein wenig (!) zu unmotiviert zusammengestellt, zu assoziativ-frei, das Spiel mit dem Beliebigen knapp verlierend, wenn du weißt, was ich meine. Ich kann mir schon vorstellen, dass das nochmal seinen eigenen Reiz hat; ich fände aber gerade ein komprimiertes Zusammenspiel von Anfängen und Enden, die sich hier ja alle auf den Füßen stehen, interessanter, näher am Eigentlichen des Schreibens, der Poesie. Indem die unüberschaubaren Zusammenhänge auf überschaubarem Feld niedergelegt werden, können sie sich - für mich - erst richtig verdichten, entfaltet jedes Fragment für sich und in Bezug auf jedes andere seine Kraft...
Während ich bei einer bloßen losen Aneinanderkettung die Gefahr sehe, schon aufgrund der Länge der Kette den Blick fürs Einzelglied zu verlieren, was bei dieser Form dann besonders tragisch ausfällt, da ein Fragment ja sowieso schon die schwere Last hat, seinen eigenen Kontext kreieren zu müssen - wird dies dann immer wieder verlangt, ohne dass sie ein Konzept dahinter (das natürlich selbst wieder fragmentarisch sein kann) offenbart, wird es glaube ich schwer, mehr als das einfache Nebeneinander darin zu sehen. So mein Eindruck.

Aber ich glaube, für dich ist das ganze hier sowieso erstmal ein Ausprobieren (und der von mir angesprochene Teil von vor einer Woche ist ja sogar aus einem einzigen Kontext hervorgegangen). Im Sinne des Experimentellen: lass es krachen!

Liebe Grüße,
Albert

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 21.09.2008, 13:29

Die halbe Wahrheit ist die schlimmste Lüge. Möchtest du mir noch etwas sagen?


Hallo Tom,

Einspruch! Natürlich ist das Teil einer Phrase, auch ein Klischee. Aber es bleibt ja nicht darin stecken, du stellst es ja nicht in einen leeren Raum. Da ist das, was dahin und etwas das weiterführt. Außerdem wäre ja auch noch die Frage, ob alles, was zur Phrase wurde deshalb auch wirklich sinnentleert ist, oder wir nicht nur vergessen haben trotzdem hinzuhören.
"Möchtest du mir noch was sagen?"
Ja, ;-) ich finde das sollte wieder zurück, weil es ein wichtiger Aspekt ist, der sonst fehlen würde. Und ich finde ihn, genauso, wie er da steht in seiner Ambiguität (ist das nicht ein schönes Wort :o)), anklagend, unterstellend oder verzeihend, verzweifelnd, aber immer treffend und persönlich.
Auch wenn du selbst diese zwei Sätze im Nachhinein vielleicht als weniger kreativ oder gelungen ansiehst, waren sie dir doch im Augenblick innerhalb des Gedankengefüges wichtig. Nimmst du solche Stellen später (beeinflusst durch Kommentare) raus, gerät das ins Wanken, was sich durch die Worte zieht. Und ich zumindest empfinde es so, dass gerade durch die Tagebuchähnliche Struktur immer mehr zwischen den Zeilen sichtbar wird. Eine Verdichtung hätte sicherlich auch ihren Reiz, (wie auch Auskopplungen in Gedichtform) aber es wäre auch ein Verlust eben dieser Ebene zugunsten eines künstlerischen Anliegens.

liebe Grüße smile

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 21.09.2008, 13:40

Hi smile,

also die Amgubi ... Ambugiu ... Mehrdeutigkeit wird durch dieses 'Zur-Phrase-geworden-Sein' schon etwas geschmälert. Man hört das einfach eindimensional, da es für die meisten Leser schon längs katalogisiert ist.
Mist! Ich bin jetzt unsicher. Es stimmt nämlich trotzdem ... Obwohl es stilistisch aus dem Rahmen fällt. Ich muss selbst nochmal drüber nachdenken, ob ich mich darum scheren sollte oder nicht ...

Aber keine Sorge: Eine andere Form wird das nicht annehmen. Ich behalte mir vor, aus den Gedanken gelegentlich ein Gedicht zu destillieren, wenn es mich anficht. Innerhalb der Fragmente wird gar nichts (mehr) verdichtet. Dichter geht für mich sowieso nicht.

Danke fürs positive Verwirren. Du lässt mich da mit einer schönen Ambilavenz zurück :o)

Tom
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 07.10.2008, 22:50

aktualisiert 07/10/2008

Alles Liebe zum Geburtstag, Liebes ...
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.10.2008, 23:39

Tom hat geschrieben:Heute ist der Tag, um sinnlose Dinge aus dem Haus zu tragen und hinter den Heizkörpern nach dem Verlorenen zu suchen.

***

Weißt du, ich kann mir die Dinge so gut vorstellen, dass ich keinen Sinn mehr darin sehe, sie auzuführen. Es gibt einen Indianerstamm, der deswegen nie Krieg geführt hat.


Sehr sehr schön und tief ...

Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.10.2008, 09:37

Da sind wieder wunderbare Stellen, Gedanken dabei, Tom.

auzuführen

Da fehlt ein "s"?

liebe Grüße smile

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Beitragvon Thomas Milser » 08.10.2008, 10:56

Dankeschön, Ihr Lieben.

Die Fragmente entwickeln sich zum Notbrot. Wenn die Gedanken nicht für ein ganzes Gedicht reichen, dann kommen sie eben hier rein :o)

Danke auch für das 's', smile. Wenn ich dir beizeiten mal mit einem 'p' oder 'f' aushelfen kann, lass es mich wissen :o)

Einer meiner Freunde ist Optikermeister, und der scharrt schon seit 10 Jahren mit den Hufen, wie es denn mal langsam mit meiner Alterssehunschärfe stünde. Bislang musste ich ihn immer enttäuschen, weil ich fast alles auf der Tafel lesen konnte, und es hat nur zu einer gänzlich dioptrienlosen Sonnenbrille gelangt. Vielleicht sollte ich ihn nochmal besuchen?

Tom
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