Die Weberin

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 30.05.2008, 17:43

.
Endfassung

Die Weberin

Jede Nacht spann sie ihr Netz. Seit Wochen. Jeden Morgen ging ich auf den Balkon und zerstörte die Fäden mit einem langen Holzstück. Von ihr keine Spur, als ob sie ahnte, dass ich sie erschlagen hätte. Warum wob sie es ausgerechnet an der linken oberen Ecke der Tür? Und so groß, dass ich in die Knie gehen musste, um nach draußen zu gelangen? Allein die Vorstellung, ihr Netz könnte sich in meinem schwarzen Haar verheddern, ihre langen, dunklen Beine darin herumkrabbeln ...

Gestern Nacht war es zu heiß zum Schlafen. Ich ging ins dunkle Wohnzimmer, stellte mich vor den Balkon und rauchte eine Zigarette, als ich im Mondschein sah, wie sich etwas direkt vor mir bewegte. Zum ersten Mal beobachtete ich sie. Ich hätte sie endlich töten können, stattdessen stand ich einfach nur da und verfolgte ihre akkuraten Bewegungen. Wie filigran sie vorging. Unermüdlich zog sie die Fäden immer diagonal, arbeitete sich von außen nach innen. Ich weiß nicht, wie lange ich ihr zusah. Es begann, hell zu werden. Das fertige Netz zitterte im Wind. Ich hörte erstes Vogelgezwitscher und mich leise sagen:
"Du hast einen Namen verdient!"

Heute morgen ging ich auf den Balkon, schlüpfte unter Alas Netz hindurch und lachte.


3. Fassung

Die Weberin

Jede Nacht spann sie ihr Netz. Seit Wochen. Jeden Morgen ging ich auf den Balkon und zerstörte die Fäden wütend mit einem langen Holzstück. Von ihr keine Spur, als ob sie ahnte, dass ich sie erschlagen hätte. Warum wob dieses Viech es ausgerechnet an der linken oberen Ecke der Tür? Und so groß, dass ich in die Knie gehen musste, um nach draußen zu gelangen? Allein die Vorstellung, ihr Netz und sie selbst könnten sich in meinem Haar verheddern, gruselte mich derart, dass ich eine Gänsehaut bekam. Sie gab einfach nicht auf, da konnte ich ihre Arbeit noch so oft zerfetzen.

Gestern Nacht war es zu heiß zum Schlafen. Ich ging ins dunkle Wohnzimmer, stellte mich vor den Balkon und rauchte eine Zigarette, als ich im Mondschein sah, wie sich etwas direkt vor mir bewegte. Zum ersten Mal beobachtete ich sie beim Spinnen. Ich hätte sie endlich töten können, stattdessen stand ich einfach nur da und verfolgte ihre akkuraten Bewegungen, wie filigran sie vorging. Unermüdlich zog sie die Fäden immer diagonal, arbeitete sich von außen nach innen. Ich weiß nicht, wie lange ich ihr zusah. Schließlich war sie fertig. Es begann, hell zu werden. Das Netz zitterte in einem Windhauch. Ich hörte erstes Vogelgezwitscher und mich leise sagen: "Nie wieder werde ich dein Werk vernichten, Ala!"

Heute morgen ging ich auf den Balkon, bückte mich unter Alas Netz hindurch und lachte.


2. Fassung

Die Weberin

Jede Nacht sponn sie ihr Netz. Jeden Morgen ging ich auf den Balkon und zerstörte es wütend mit einem langen Holzstück. Von ihr keine Spur, als ob sie ahnte, dass ich sie erschlagen hätte. Ich ekelte mich entsetzlich vor Spinnen. Warum wob sie es ausgerechnet an der linken oberen Ecke der Tür? Und so groß, dass ich mich bücken musste, um auf den Balkon zu gelangen? Allein die Vorstellung, ihr Netz und sie selbst könnten sich in meinen Haaren verheddern, gruselte mich derart, dass ich eine Gänsehaut bekam. Jeden Morgen das Gleiche. Seit Wochen ging das jetzt schon so. Sie gab einfach nicht auf.

Gestern Nacht konnte ich nicht schlafen. Es war zu heiß. Ich ging ins dunkle Wohnzimmer, stellte mich vor den Balkon und rauchte eine Zigarette, als ich im Mondschein sah, wie sich etwas direkt vor mir bewegte. Zum ersten Mal beobachtete ich sie bei ihrer Arbeit. Ich hätte sie endlich töten können, doch irgendwas hinderte mich daran. Stattdessen stand ich einfach nur da und verfolgte ihre akkuraten Bewegungen, wie filigran sie vorging. Unermüdlich zog sie die Fäden immer diagonal, arbeitete sich von außen nach innen. Schließlich war es fertig. Ein Kunstwerk, perfekt, makellos. Ich weiß nicht, wie lange ich ihr zusah. Es begann, hell zu werden. Ich hörte erstes Vogelgezwitscher und mich leise sagen: "Nie wieder werde ich dein Werk vernichten, Ala!"

Heute morgen ging ich auf den Balkon, trat vorsichtig an Alas Netz vorbei und lachte.


1. Fassung

Die unermüdliche Weberin

Jede Nacht sponn sie ihr Netz. Jeden Morgen ging ich auf den Balkon und zerstörte es wütend mit einem langen Holzstück. Das Netz war immer leer. Von ihr keine Spur, als ob sie ahnte, dass ich sie erschlagen hätte. Ich ekelte mich entsetzlich vor Spinnen. Warum wob sie es ausgerechnet an der linken oberen Ecke der Tür? Und so groß, dass ich mich bücken musste, um auf den Balkon zu gelangen? Allein die Vorstellung, ihr Netz und sie selbst könnten sich in meinen Haaren verheddern, gruselte mich derart, dass ich eine Gänsehaut bekam. Jeden Morgen das Gleiche. Seit Wochen ging das jetzt schon so. Sie gab einfach nicht auf.

Gestern Nacht konnte ich nicht schlafen. Es war zu heiß. Ich ging ins dunkle Wohnzimmer, stellte mich vor den Balkon und rauchte eine Zigarette, als ich im Mondschein sah, wie sich etwas direkt vor mir bewegte. Zum ersten Mal beobachtete ich sie bei ihrer Arbeit. Ich hätte sie endlich töten können, doch irgendwas hinderte mich daran. Stattdessen stand ich einfach nur da und verfolgte ihre akkuraten Bewegungen, staunte, wie filigran sie vorging. Unermüdlich zog sie die Fäden immer diagonal, arbeitete sich von außen nach innen. Bewunderung stieg in mir auf. Schließlich war es fertig. Ein Kunstwerk, einfach perfekt, makellos. Ich weiß nicht, wie lange ich da stand. Es begann, hell zu werden. Ich hörte erstes Vogelgezwitscher und mich leise sagen: "Es tut mir leid. Nie wieder werde ich dein Werk vernichten, Ala!"

Heute morgen ging ich auf den Balkon, trat vorsichtig an ihrem Netz vorbei und lachte. Nun hatte sie einen Namen. Niemals könnte ich jetzt ihr Werk vernichten. Doch sie hatte etwas vernichtet: meinen Ekel.


© G.M. Cortes
05/2008
Zuletzt geändert von Mucki am 02.06.2008, 19:05, insgesamt 5-mal geändert.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 01.06.2008, 23:55

Liebe Elsie,

jep, es heißt spann, nicht sponn. Hab jetzt die neue Fassung oben eingestellt. Zwei Sachen hab ich noch geändert. Durch das "bücke" im letzten Satz hätte es ein Wh gegeben. Deshalb hab ich oben geändert in "in die Knie gehen". Dann hab ich aus Ekeltier "Viech" gemacht und einmal Balkon ersetzt durch "nach draußen".
Danke dir!
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 02.06.2008, 08:09

Liebe Mucki,

das sieht nun sehr gut aus, fein! Auch dass du einen Dreh gefunden für das doppelte Bücken.

Bei dem Satz stimmt was nicht. Ich habe gestern überlegt, bin aber nicht draufgekommen, jetzt weiß ich es:

Allein bei der die Vorstellung, ihr Netz und sie selbst könnten sich in meinem Haar verheddern, graute mir gruselte mich derart, dass ich eine Gänsehaut bekam.


Was meinst?

Lieben Gruß
ELsie
Schreiben ist atmen

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 02.06.2008, 12:06

Liebe Elsie,

ja, der Satz klingt in der Tat irgendwie seltsam. Herrje, was ist man aber auch betriebsbind bei eigenen Texten! Aber das kennst du ja.

Aber das hört sich auch komisch an:

"Allein bei der Vorstellung, ihr Netz und sie selbst könnten sich in meinem Haar verheddern, graute mir derart, dass ich eine Gänsehaut bekam."
Dieses: "bei der" und "graute mir derart" passt doch auch nicht, oder? Es ist ja die Vorstellung, die mich gruselt lässt. Geht diese passive Form mit "graute"? Ich glaube nicht. *grübel*

Außerdem gefällt mir noch etwas nicht an diesem Satz, und das schon die ganze Zeit, ich fand aber noch keine Lösung: dieses hier: "... ihr Netz und sie selbst könnten ..."
Hört sich nicht gut an, finde ich. Hm.
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 02.06.2008, 12:18

Liebe Mucki,

hm .... besser fällt es mir derzeit auch nicht ein, aber ich könnte mir vorstellen, der ganze Satz könnte schlichter/einfacher gebaut werden.

z.B.:

Mir gruselte bei/Ich bekam eine Gänsehaut bei der Vorstellung/bei dem Gedanken, dass sich ihr Netz, womöglich sie selbst auf meinem Haar kleben könnten, sich verheddern u.s.w.

LG
ELsie
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 02.06.2008, 12:20

Liebe Mucki,

auch wenn Dich das jetzt verwirrt: Ich finde, im ersten Absatz ist jetzt zuviel explizites Gefühl. Ich würde das "wütend" weglassen, ebenso nur "sie" schreiben statt "Viech".
Vielleicht reicht ja die Vorstellung, dass ihr Netz sich im Haar verheddern könnte. Sonst könnte man eine Ergänzung machen, etwa so:"dass ihr Netz sich in meinen Haarer verheddern, dass sie auf mir herumkrabbeln könnte".
Ich fand auch zerstören besser als zerfetzen.

Den zweiten Absatz finde ich gut so. Nur zwischen "Bewegungen" und "wie filigran" würde ich einen punkt statt des Kommas setzen. Und beim allerletzen Satz finde ich die Erstfassung besser.

Liebe Grüße

leonie

Benutzeravatar
Zefira
Beiträge: 5728
Registriert: 24.08.2006

Beitragvon Zefira » 02.06.2008, 12:26

Liebe Mucki,
wie wäre es so:
Allein die Vorstellung, ihr Netz oder ihre Beine könnten sich in meinem Haar verfangen, ließ mich erschauern vor Ekel"?
Das "Viech" gefällt mir auch nicht besonders, es ist umgangssprachlich und vor allem auch für mich immer ein wenig "klein". Ich würde eine Zecke oder eine kleine Spinne ein "Viech" nennen, aber für eine große, um die man lieber einen Bogen macht, ist "Viech" irgendwie zu vertraulich, wenn das halbwegs klar ausgedrückt ist ...
Lieben Gruß von Zefira, die die Arbeit an diesem Text sehr interessiert verfolgt!
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 02.06.2008, 12:49

Liebe Elsie, leonie und Zefi,

"Viech" ist recht umgangsssprachlich, stimmt, Zefi. Ich wollte damit das Wort "eklig" umgehen. "Ekeltier" von Elsie gefiel mir nicht so gut. Und "Viech" drückt für mich Ekel aus. Hm.
Vielleicht nehme ich doch einfach nur "sie", wie du, leonie, es vorschlägst.
"Zerfetzen" wählte ich, leonie, da das Wort "zerstören" bereits in der ersten Zeile vorkommt. Ich hätte sonst eine Wh drin. Bei dem Punkt nach "Bewegungen" stimme ich dir zu. Als letzten Satz würdest du:
"Heute morgen ging ich auf den Balkon, trat vorsichtig an ihrem Netz vorbei und lachte." vorziehen. Also, ohne das "Alas Netz"? Du meinst also, dass es ausreicht, wenn nur einmal "Ala" vorkommt, man versteht, dass ich das Netz nicht mehr zerstören kann, weil ich der Spinne einen Namen gab?
Und wegen des "Wütend", ich weiß noch nicht so recht *grübel grübel* Es sollte ja jetzt eine Fassung werden, in der im ersten Absatz Emotionen drin sind und im 2. praktisch keine mehr.

Tja, und jetzt zu diesem vermaledeiten Satz, der im Moment so lautet:

Allein die Vorstellung, ihr Netz und sie selbst könnten sich in meinem Haar verheddern, gruselte mich derart, dass ich eine Gänsehaut bekam.

Ja, ich glaube auch, Elsie, das muss ich einfacher ausdrücken.
Ich würde gerne da mit reinnehmen, dass mich vor allem die Vorstellung gruselt,
dass sich die Spinne mit ihren 8 langen Beinen in meinem Haar verheddert. (Arrrrrgh, jetzt krieg ich hier gerade ne Gänsehaut bei dem Gedanken, hi,hi. Das gruselt mich nämlich wirklich total!!!!!!)
Ach herrje, ich glaube, ich muss da noch mal in Ruhe drüber nachdenken.
Danke euch für eure aktive Mithilfe!
Saludos von
einer sich verheddernden Mucki,-)

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 02.06.2008, 12:57

Nein, entschuldige Mucki, das war nicht ganz korrekt ausgedrückt, ich meinte den Satz mit "Ala". Das ist vielleicht wirklich eine Geschmackssache. Ich mag das Wort "bücken" in dem anderen Test nicht so, es ist mir fast zu devot für die neue "Freundschaft" der beiden.

Zu dem "wütend": Ich meine, Du brauchst die expliziten Emotionen nur in kleinstem Maße. Sie machen den Leser zum Betrachter dessen, was in lyrIch vorgeht. Wenn Du sie weglässt, fühlt der Leser selber. Und das tut er bei diesem Text mit Sicherheit. Auch ohne "wütend".

Liebe Grüße

leonie

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 02.06.2008, 13:30

Hi leonie,

ach so, da hatte ich dich missverstanden. Irgendwo muss aber dieses "Ala", die Namensgebung rein. Wenn ich diesen Satz "Nie wieder ...., Ala!" rausnehme, versteht man nicht, warum ich am Schluss schreibe: "... unter Alas Netz hindurch".
Wegen "bücken": mir fällt gerade ein, dass ich schreiben könnte:
"ich kroch unter Alas Netz hindurch". Das ist m.E. besser.
Bez. "wütend", ich denke drüber nach. Du hast schon Recht. Je mehr sich der Leser selbst denken kann (dies aber ohne Rätselraten), umso besser.
Danke dir!
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Zefira
Beiträge: 5728
Registriert: 24.08.2006

Beitragvon Zefira » 02.06.2008, 13:39

Warum nicht "schlüpfte darunter hindurch"? Das drückt Freude an der Bewegung aus. "Kroch" klingt für mich so, als ob das Netz fast die ganze Tür ausfüllt. Wenn "bückte" zu unterwürfig klingt (mir gefällt es), dann käme auch "beugte" in Frage.

Max, einen Topf Erbsen bitte... :pfeifen:
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 02.06.2008, 13:45

Hi Zefi,

jepp, das ist die Lösung für zumindest diese Stelle! "Ich schlüpfte..." DANKE!
Freude drückt es m.E. (hoffentlich) nicht aus, denn wir wollen es ja nicht übertreiben, gelle? *lach* Aber das trifft es gut!
Gute Erbse, Zefi! Gerade bei den Problemstellen hier brauche ich Genauigkeit!
Thx für die Erbse! :)))
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 02.06.2008, 14:59

Schlüpfen ist DER Treffer, genau! :-)

LG
ELsa
Schreiben ist atmen

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 02.06.2008, 15:43

Jepp, für diese Stelle auf jeden Fall.
Ich hab gerade eine Idee zu den anderen Passagen, die ich einmal auspinnen werde,-)
Saludos
Mucki

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 02.06.2008, 17:09

Hallo ihr Lieben,

ich habe eben eine 4. Fassung oben eingestellt und noch mal gekürzt.
Die isses, oder?
Saludos
Mucki


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste