Unworte

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Niko

Beitragvon Niko » 07.02.2007, 12:15

Un-Worte

Un-Worte

Es gibt ja, wie wir alle wissen, diese Unwörter. Nicht unbedingt Unwörter wie: Ich-AG, Insolvenz oder andere dieser öffentlich nominierten und von irgendwelchen Dudenheinies festgelegten Wörter. Es gibt ja auch noch die ganz persönlichen Unwörter, die je nach Wortbenutzer unterschiedlich sind. Langdenker beispielsweise nehmen gerne das Wort "also" als Denkpause. Ein anderer schafft das ganz locker, indem er einfach zur Streckung des Satzes und zur Vollendungsüberbrückung des noch nicht zuende gedachten Gedankens an Worte ein "e" anhängt, welches je nach Dauer und Komplikation des gerade Gedachten ganz kurz oder endlos lange sein kann. Sagt also jemand: icheeeeeeeee weiß noch nichteeeeeee was ich eeeeeee sagen soll, dann können wir davon ausgehen, dass er sagt, was er meint. Ganz anders hingegen sind Menschen, die ihrem Gegenüber auf subtile Weise sagen möchten: "Hey! Ich bin schlau!" Da man so etwas ja nicht von sich selber sagt, geht dieser Denker etwas geschickter vor. Gekonnt baut er dann und wann ein "Ich denke mal" ein. Als Beispiel: „Bei genauem zuhören, denk ich mal, kann ich theoretisch genau spüren, was du meinst“ oder „Ich denke mal, dass ich weiß, was du meinst". Vielfach will man darin eine Unsicherheit erkennen, so nach dem Motto: Ich weiß nicht ,was du meinst. Das jedoch halte ich für abwegig. Vielbenutzer dieses „Ich denk mal“ errichten sich somit zu Lebzeiten ein wahres Denk-mal.
Auch gibt es die Variante, die Selbstsicherheit durchblicken lassen soll. In diesem Fall streut der Sprechende in vollkommen unauffälliger Manier ein gleichsam gleichgültig gesprochenes: "ich sag mal" ein, und schon ist sein Gegenüber gewarnt. Gleichwohl könnte man rein theoretisch darin deuteln, dass der Redner all seinen Mut zusammen nehmen muss und dann gestärkt durch ein "Ich sag mal" wie ein gedachtes “:....Ach ich sag das jetzt mal einfach so......“ den Sprung in die Konversation schafft.
Dieses sind die Worte, die so ein jeder braucht im privaten Bereich. Oops...und schon sind wir bei dem Wort, auf welches ich eigentlich hinaus wollte: BEREICH Dieses Wort steht für mich als Begriff für: Umgebung, Umfeld. Also für nichts genaues. Aber wenn man mal genau hinhört - auch wenn man nicht genau hinhört - fällt einem auf, dass dieses Wort zwar kaum merklich, aber dennoch energisch um sich greift. Mal hier ein Bereich, dann da wieder einer. Und auf einmal ist die ganze Welt nur noch ein Bereich. Man könnte es auch als Ablösung für „Zone“ bezeichnen. Entweder war das Wort „Zone“ zu klar umrissen, oder es hat mit der jüngsten deutschen Geschichte zu tun, das dieses Wort durch den im Grunde gegensätzlichen Begriff "Bereich" abgelöst wurde. Mittlerweile hat dieses Wort schon bei den Ämtern Einzug gehalten. Und auch bei den Ärzten. Ich sitze jetzt nicht mehr im Wartezimmer, logischerweise auch nicht mehr in der Wartezone sondern im Wartebereich. Naja...... und wie oft passiert es dann - seien wir mal ehrlich - dass ein netter Beamter, der sonst so knapp aber bestimmt sagte :“Für diesen Fall bin ich nicht zuständig“ nunmehr sachlich und dennoch verbindlich verlauten lässt: „Dieser Fall fällt nicht mehr in meinen Zuständigkeitsbereich.“ Daran erkennt man deutlich, dass auch und gerade die Beamten die Sprache des Volkes sprechen. Wahrscheinlich sind spezielle Schulungen für Beamte eingerichtet, die vermitteln sollen, dass der Bürger mittels der Sprache unter Berücksichtigung der jeweiligen Obliegenheiten im Amtsbereich gezielter zu erreichen ist.
Auch im Privaten gibt es jetzt Bereiche: Gefühlsbereich, Schlafbereich, Wohnbereich, im Bad den Waschbeckenbereich, im Vorgarten den Parkplatzbereich, den Konfliktbereich und den Ehebereich. Wenn es gut meinende Freunde fragen: " Wie geht´s dir denn so? Auch im Ehebereich alles im grünen Bereich?" dann kommt vielleicht als Antwort: "Naja..... Im lebenstechnischen Bereich geht es, der Gefühlsbereich ist etwas im Argen. Und vom sexuellen Bereich mal ganz abgesehen..." Es ist dann zwar vielleicht nicht alles im grünen Bereich, aber immerhin im Bereich. Also im „Sprachbereich" ist das Wort Bereich mitnichten eine Bereicherung. Eher im Gegenteil.
Toppen kann man das ganze noch mit einem Wort, dass - ähnlich wie Bereich - eher undeutlich macht, nichts aussagt. Am schlimmsten natürlich in Kombination mit dem Wort Bereich. Es ist das Wort: "bestimmt". Im Gegensatz zum eigentlichen Sinne ein vollkommen unbestimmendes Wort. Zu gebrauchen dann, wenn man etwas ganz deutlich sagen will, aber im Grunde nicht weiß, wovon man redet. Denn auf Nachfrage bleiben die Benutzer dieses Wortes nur allzu oft eine Antwort schuldig. Beispiel: Das Kind benimmt sich im "zwischenmenschlichen Bereich" mal wieder voll daneben. Da kommt der Ernährer auf den Plan und sagt: "Es gibt bestimmte Regeln (im Zwischenmenschlichen Bereich) an die man sich zu halten hat." Wobei "man" ja auch ein Unwort ist. Wer ist dieser "man" ? Man ist doch nicht ich?... Aber das ist wieder ein ganz anderes Kapitel....
Es gibt bestimmte Regeln. Aha. Natürlich fragt der Kurze nach.... Nichts. Daddy schweigt. Wie kann auch ein Kind einher kommen und "bestimmte Regeln" hinterfragen!!! Schließlich müssen die ja mal irgendwann bestimmt worden sein...
So ist das mit den Unwörtern in unseren Tagen. Ich freue mich schon jetzt auf neue Kreationen, die das Leben nicht leichter, aber dafür wenigstens umständlicher machen.
So. Im Schreibbereich war ich jetzt eine gewisse Zeit tätig und ziehe mich jetzt für bestimmte Dinge in meinen Wohnbereich zurück. Ich denke, icheeeee hab also jetzt auch genug geschrieben. Sag ich jetzt mal einfach so.....
Zuletzt geändert von Niko am 29.06.2013, 12:10, insgesamt 3-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 10.02.2007, 01:50

Mein Schwerpunkt ist das Geschichtenschreiben, ein Fehlschlag in der Prosa ist mir deshalb schnuppe.

wusste garnicht, das es dir ähnlich geht, zefi! :mrgreen:

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.02.2007, 11:51

*lach* zefi....

Lieber Niko,
ich kenne die Texte nicht, zu denen dein Text Ähnlichkeiten aufweist, daher habe ich mich prächtig unterhalten - gerade die Bereichsstelle ist herrlich, weil mir das noch nicht bewusst war, aber als ich deinen Text las, hast du meine Verdrängungsblockade wunderbar mit einem Lachkrampf gelöst - ja, so ist es!

Naja - leider ist das wohl schwer, was zu finden, was es noch nicht gab. Aber für mich kam dein text noch nicht zu spät :-)

Gern gelesen!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 13.02.2007, 12:07

Aber für mich kam dein text noch nicht zu spät
wenn ich dir damit eine freude machen konnte, war meine mühe ja nicht vergebens. ( wo ist das heiligenschein-smiley???) :lesen0005: :lachen0042: :banana_1: :tiere0053:


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