Schattenspiegel

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.03.2013, 18:53


Alternativ-Fassung in Ich-Version

Schattenspiegel

Ich parke meinen Golf in der Tiefgarage des Hochhauses. Zum Glück ist es sehr hell hier unten und der Aufzug nur ein paar Schritte von meinem Parkplatz entfernt. Ich drücke auf die 15. Hoffentlich muss ich nicht lange warten. Niemand ist hier unten. Ich bin allein. Wo sind all die anderen? Überall stehen ihre Wagen. Wieso ist niemand hier, verdammt? Lena, lenk dich ab. Denk an 16.00 Uhr, das Gespräch mit deinem Chef. Mein Chef, ja. Herr Ebert ist ein netter Mann. Er möchte über meine Zukunft in der Abteilung reden. Seit zwei Jahren arbeite ich für ihn und weiß, dass er sehr zufrieden mit mir ist. Er hat mich immer gelobt und vertraute mir nach kurzer Zeit neue Aufgaben an. Letzte Woche hat er Andeutungen gemacht, irgendetwas mit Referentenstelle. Wer hätte das gedacht? Lena als Referentin. Ich sicher nicht. Verflucht, wo bleibt der Aufzug? Ob ich die Treppe nehme? Endlich höre ich das Bing. Mein Blazer ist unter den Bügeln meiner Tasche verruscht. Ich zupfe ihn zurecht, mustere mich kurz im matten Spiegelbild der metallenen Türen, bevor sie sich öffnen. Ich sehe gut aus, ganz normal. Ich und normal?
Im Erdgeschoss steigen viele Menschen ein. Wieso waren die eben nicht unten? Kollegen nicken mir freundlich zu. Ich erwidere lächelnd. Es ist ein gutes Gefühl, dazuzugehören. Gehöre ich dazu?

Bevor sich die Türen schließen, huscht ein Mädchen zu uns rein. Sie quetscht sich mit gesenktem Blick in die hintere, linke Ecke. Sie trägt langes schwarzes Haar, hat keine Tasche dabei. Zu den Angestellten gehört sie sicher nicht. Sie wirkt völlig deplaziert mit ihrem viel zu großen, grauen Wollpullover, den schwarzen Leggings und den alten Turnschuhen. Sie ist wohl in meinem Alter, etwa zwanzig und ist so zierlich. Ihre dünnen Beine presst sie zusammen, richtet ihren Blick auf den Boden. Um ihren Hals baumelt eine Kette mit silbernen Buchstaben in geschnörkelter Schrift: Anna. Das ist wohl ihr Name. Sie schaut kurz auf. Diese gehetzten dunklen Augen. Du meine Güte. Wie ein Reh, das gejagt wird. Mein Herz beginnt zu hämmern. Anna wendet den Blick sofort wieder ab. Ihre Hände krallen sich in ihre Pulloverärmel. Was ist mit ihr los? Sie hat gar keinen Fahrstuhlknopf gedrückt. Vielleicht hat sie es einfach nur vergessen, so schnell, wie sie eingestiegen ist. Mit jedem Stockwerk quellen Menschen hinaus. Als wir in meiner Etage ankommen, stehen nur noch Anna, ein mir unbekannter Mann im grauen Anzug und ich im Aufzug. Die Tür öffnet sich. Ich gehe auf sie zu, doch das Reh hält mich zurück. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Ich steige nicht aus. Vielleicht spinne ich mir auch etwas zusammen. Außerdem kann ich ja wieder runterfahren. Fragend schaut der Mann uns an. Ich zucke nur mit den Schultern und gehe zur Seite, bleibe aber vorne stehen. Anna rührt sich nicht. Die Tür schließt sich wieder. Im 17. Stock steigt er aus. Ich drehe mich um. Anna wirft mir einen unsicheren Blick zu. Angst, es ist Angst, die ich in ihren Augen sehe. Keiner der Aufzugsknöpfe leuchtet. Was geschieht jetzt?

Anna kaut auf ihrer Unterlippe. Schließlich hastet sie zur Tür und drückt auf den obersten Knopf, die Nr. 20. Dabei rutscht ihr rechter Pulloverärmel herunter. Nein, nein, nein, verdammte Scheiße! Ihr Arm ist übersäht mit knallroten Malen. Nein! Mir wird schlecht. Anna, verflucht, was tust du mir an? Ich will nicht zurück in die Dunkelheit! Nein! Ich presse mich gegen die Wand. Ich will das nicht! Ich bin normal. Ich bin die normale Lena. Normal, normal, normal, verdammt! Sie hat die 20 gedrückt. Sie wird doch nicht? Dann hatte sie eben Angst vor mir! Vor dem, was ich tun könnte!

Fahrig zerrt Anna den Ärmel herunter. Ich kann meine Atmung kaum noch kontrollieren. Anna presst beide Arme um sich, hält die Luft an. Lena, Kontrolle, Kontrolle, denk nach! Ich drücke auf die 19, Anna lässt ihre Arme sinken, atmet aus. Ohne mich umzudrehen, steige ich aus und renne zum Treppenhaus, in den 20. Stock.

Dort angekommen, hechte ich die kleine Treppe zum Dach hoch. Ich sehe Anna. Mein Instinkt hat mich nicht getäuscht. Sie will gerade über die Reling klettern, guckt dabei gehetzt um sich. Was tue ich jetzt? Wie halte ich sie davon ab? Langsam gehe ich auf sie zu. Anna hebt beide Arme mit gespreizten Fingern nach oben. Du glaubst doch nicht, dass ich dich springen lasse? Ganz ruhig, Anna, bitte! Ich bewege meine Handflächen beschwichtigend nach unten. Ich nähere mich ihr. Sie beobachtet mich erstarrt. Ist ja gut. Ich bleibe stehen. Es trennen uns etwa fünf Meter. Wie ein angeschossenes Tier steht sie da, jederzeit zum Sprung bereit. Wie kann ich sie davon abbringen? Muss ich es ihr zeigen? Verflucht. Ja, ich weiß keinen anderen Weg. Mit zittrigen Fingern öffne ich meinen Blazer, knöpfe meine Bluse auf, schiebe sie etwas zur Seite. Anna schlägt sich die Hand auf den Mund. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Ich nicke langsam. Ja, Anna, ich bin wie du. Schau hin. Du bist nicht allein mit dieser abgefuckten Scheiße! Mit kleinen Schritten gehe ich weiter. Anna klettert über die Brüstung. Halt, verdammt noch mal! Geh nicht weiter! Sie schaut mich an. Fragend. Zweifelnd. Ungläubig. Ich schüttele den Kopf. Nein, tu es nicht! Mir bleibt nur noch eines. Ich krame eine Zigarette aus meiner Tasche und zünde sie an. Annas Augen brennen. Ja, ich weiß, wonach deine Augen brennen, Anna. Ich weiß es genau! Anna setzt sich auf die Kante, ihre Beine hängen in der Luft. Sie verharrt. Gott sei Dank. Sie verharrt. Ich folge ihr über die Reling, setze mich mit etwas Abstand neben sie. Ich rauche und warte. Ja, Anna, man kann die Scheißdinger auch rauchen! Ihr Blick wechselt hektisch zwischen mir und dem Abgrund hin und her. Wieder verneine ich mit dem Kopf. Okay, du musst den ganzen verfluchten Dreck sehen! Fuck, die Zigarette ist mir im Weg, ich stecke sie in den Mundwinkel, ziehe meine Bluse ganz zur Seite, stopfe die Zipfel in meinen Rock und drehe mich zu Anna. Ich zeige auf meinen verschandelten Bauch, winke Anna heran. Jetzt komm endlich her! Denkst du, mir macht das Spaß? Niemand bekommt diesen Flächenbrand freiwillig zu sehen! Merkst du denn nicht, was ich hier für dich tue? Nur für dich? Nach einer Weile rutscht Anna endlich näher. Sie bewegt einen Arm zu mir. Sie zögert. Ich nicke ihr zu. Ja, verdammt, jetzt mach endlich! Vorsichtig streicht sie über meinen Bauch. Ich bin kurz davor, zu hyperventilieren. Ich halte es nicht mehr aus und wende mich zu Anna, rolle ihre beiden Pulloverärmel hoch, berühre behutsam ihre Arme. Sie hält die Luft an. Heilige Scheiße, ihre beiden Arme sind total versengt. Ich finde kaum noch weiße Haut. Anna sieht mich flehend an. Ja, ich weiß, was du willst, Anna. Was du jetzt, in diesem Moment, brauchst, damit du nicht springst. Damit du für einen Moment Ruhe in dir fühlst. Damit du für einen Moment ausatmen kannst, auch wenn es verflucht wehtut. Und so verflucht guttut. Ich schließe die Augen, hole tief Luft. Es geht nicht anders. Es gibt in diesem Moment nur diesen einen Ausweg. Ich gebe klein bei, nicke resignierend und gebe ihr die Scheißzigarette. Ich kann nicht hinsehen, hole stattdessen die Heilsalbe aus meiner Tasche. Sie ist immer noch mein stetiger Begleiter, für den Notfall. Ganz still sitzt Anna da. Sie atmet ruhig. Ich versorge ihre Wunde, strecke ihr meine Hand entgegen. Anna ergreift sie fest.


Diesen Satz am Schluss des 1. Absatzes entfernt:
Wenn meine Kollegen über mich Bescheid wüssten, würden sich mich meiden, so wie ich Betriebsausflüge meide. Lena, die Aussätzige. Und Ebert würde mir kein Lob mehr aussprechen, egal, wie gut ich meine Arbeit mache.


2. Fassung

Schattenspiegel

Lena parkt ihren Golf in der Tiefgarage des Hochhauses, geht zum Aufzug und drückt auf die 15. Am Nachmittag hat sie einen Termin mit ihrem Chef. Er möchte über ihre Zukunft in der Abteilung reden. Lena weiß, dass er sehr zufrieden mit ihrer Arbeit ist. Sie freut sich auf das Gespräch und zupft ihren Blazer zurecht, als der Fahrstuhl im Erdgeschoss hält. Viele Menschen steigen ein. Kollegen nicken ihr freundlich zu. Lena erwidert lächelnd. Als letzte huscht ein Mädchen in den Fahrstuhl und quetscht sich mit gesenktem Blick in die hintere, linke Ecke. Lena mustert sie. Die Fremde trägt langes schwarzes Haar, hat keine Tasche dabei. Lena schätzt sie auf zwanzig, etwa ihr Alter. Sie ist zierlich und trägt einen viel zu großen, grauen Wollpullover. Ihre dünnen Beine presst sie zusammen. Ihr Blick ist auf den Boden gerichtet. Um ihren Hals baumelt eine Kette mit silbernen Buchstaben in geschnörkelter Schrift: Anna. Als sie kurz aufschaut, sieht Lena ihre gehetzten dunklen Augen. Anna wendet den Blick ab. Ihre Hände krallen sich in ihre Pulloverärmel. Erst jetzt fällt Lena auf, dass Anna keinen Fahrstuhlknopf gedrückt hat. Mit jedem Stockwerk quellen Menschen hinaus. Als das Bing in der 15. Etage ertönt, stehen nur noch Anna, Lena und ein ihr unbekannter Mann im grauen Anzug im Aufzug. Die Tür öffnet sich. Lena geht auf sie zu, hält inne und steigt nicht aus. Fragend schaut der Fremde die beiden an. Lena zuckt mit den Schultern und geht zur Seite. Anna rührt sich nicht. Die Tür schließt sich wieder. Im 17. Stock steigt er aus. Lena wartet. Anna wirft Lena einen kurzen, fragenden Blick zu. Keiner der Aufzugsknöpfe leuchtet.

Anna kaut auf ihrer Unterlippe. Schließlich hastet sie zur Tür und drückt auf den obersten Knopf, die Nr. 20. Dabei rutscht ihr der rechte Ärmel herunter. Als Lena knallrote Male sieht, krampft sich ihr Magen zusammen. Fahrig zerrt Anna den Ärmel herunter. Lena atmet schneller. Anna presst beide Arme um sich. Als Lena auf die 19 drückt, lässt Anna ihre Arme sinken. Lena steigt aus, ohne sich umzudrehen und rennt zum Treppenhaus, in den 20. Stock.

Dort angekommen, hechtet sie eine kleinere Treppe zum Dach hoch. Sie sieht Anna, die gerade über die Reling klettern will und dabei gehetzt um sich guckt. Lena geht langsam auf sie zu. Anna hebt beide Arme mit gespreizten Fingern nach oben. Lena bewegt ihre Handflächen nach unten. Sie nähert sich Anna, die sie erstarrt beobachtet. Lena bleibt stehen. Es trennen sie etwa fünf Meter. Sie zieht den Blazer aus, öffnet ihre Bluse und schiebt sie etwas zur Seite. Anna hält sich die Hand auf den Mund. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Lena nickt langsam und geht mit kleinen Schritten weiter. Anna klettert über die Brüstung und schaut Lena an. Sie schüttelt den Kopf, holt eine Zigarette aus ihrer Tasche und zündet sie an. Annas Augen brennen. Sie setzt sich auf die Kante, ihre Beine hängen in der Luft. Sie verharrt. Lena folgt ihr über die Reling, setzt sich mit etwas Abstand neben Anna, raucht und wartet. Annas Blick wechselt hektisch zwischen Lena und dem Abgrund hin und her. Wieder schüttelt Lena den Kopf. Sie steckt die Zigarette in den Mund, zieht ihre Bluse ganz zur Seite, stopft die Zipfel in ihren Rock und dreht sich zu Anna. Mit ihrer rechten Hand zeigt sie auf ihren Bauch, winkt Anna heran. Nach einer Weile rutscht Anna näher zu ihr. Schließlich bewegt sie einen Arm zu Lena. Sie zögert. Lena nickt ihr zu. Vorsichtig streicht sie über Lenas Bauch. Lena atmet flach und schnell. Sie wendet sich zu Anna, rollt ihre beiden Pulloverärmel hoch, berührt behutsam ihre Arme. Anna sieht sie flehend an. Lena schließt die Augen, holt tief Luft. Schließlich nickt sie langsam und gibt ihr die Zigarette.
Nachdem Lena Annas Arm mit Heilsalbe versorgt hat, streckt sie ihr eine Hand entgegen. Anna ergreift sie.

1. Fassung

Schattenspiegel

Lena parkt ihren Golf in der Tiefgarage des Hochhauses, geht zum Aufzug und drückt auf die 15. Am Nachmittag hat sie einen Termin mit ihrem Chef. Er möchte über ihre Zukunft in der Abteilung reden. Lena weiß, dass er sehr zufrieden mit ihrer Arbeit ist. Sie freut sich auf das Gespräch und zupft ihren Blazer zurecht, als der Fahrstuhl im Erdgeschoss hält. Etliche Kollegen steigen ein. Sie nicken ihr freundlich zu. Lena erwidert lächelnd. Ihr unbekannte Menschen strömen hinterher. Als letzte betritt ein Mädchen den Fahrstuhl und quetscht sich mit gesenktem Blick in die hintere, linke Ecke. Lena mustert sie. Die Fremde trägt langes schwarzes Haar, hat keine Tasche dabei. Lena schätzt sie auf zwanzig, etwa ihr Alter. Sie ist zierlich und trägt einen viel zu großen, grauen Wollpullover. Ihre dünnen Beine presst sie zusammen. Ihr Blick ist auf den Boden gerichtet. Um ihren Hals baumelt eine Kette mit silbernen Buchstaben in geschnörkelter Schrift: Anna. Als sie kurz aufschaut, sieht Lena ihre gehetzten dunklen Augen. Lenas Herz beginnt zu hämmern. Anna wendet den Blick ab. Ihre Hände verkrallen sich in ihre Pulloverärmel. Erst jetzt fällt Lena auf, dass Anna keinen Fahrstuhlknopf gedrückt hat. Mit jedem Stockwerk quellen Menschen hinaus. Als das vertraute Bing in der 15. Etage ertönt, stehen nur noch Anna, Lena und ein ihr unbekannter Mann im grauen Anzug im Aufzug. Die Tür öffnet sich. Lena geht auf sie zu, hält inne und steigt nicht aus. Fragend schaut der Fremde die beiden an. Lena zuckt mit den Schultern und geht zur Seite. Anna rührt sich nicht. Die Tür schließt sich wieder. Im 17. Stock steigt er aus. Lena wartet. Anna wirft Lena einen hastigen Blick zu. Keiner der Aufzugsknöpfe leuchtet.

Anna kaut auf ihrer Unterlippe. Schließlich huscht sie zur Tür und drückt auf den obersten Knopf, die Nr. 20. Dabei rutscht ihr der rechte Ärmel herunter. Lena sieht rote Male. Einige sind verblasst, andere leuchten knallrot. Fahrig zerrt Anna den Ärmel herunter. Lena atmet schneller. Annas Augen zucken. Sie presst beide Arme um sich. Lena drückt auf die 19. Anna lässt die Arme nach unten fallen. Als Lena aussteigt, meidet sie Annas Blick und rennt zum Treppenhaus, in den 20. Stock.

Dort angekommen, nimmt sie die nächste, kleinere Treppe, läuft auf das Dach und schaut sich hastig um. Anna steht vor der Reling, will gerade über die Metallstäbe klettern, sieht sich dabei suchend um. Lena geht langsam auf sie zu. Annas Augen weiten sich. Sie hebt beide Arme nach oben und streckt die Hände mit gespreizten Fingern aus. Lena bewegt ihre Handflächen nach unten. Sie nähert sich Anna, die sie erstarrt beobachtet. Lena bleibt stehen. Es trennen sie etwa fünf Meter. Sie zieht den Blazer aus, öffnet ihre Bluse und schiebt sie etwas zur Seite. Anna hält sich die Hand vor Augen. Lena nickt langsam und geht vorsichtig weiter auf Anna zu. Anna klettert über die Brüstung und schaut Lena fragend an. Lena schüttelt den Kopf, holt eine Zigarette aus ihrer Tasche und zündet sie an. Annas Augen brennen. Sie setzt sich auf die Kante, ihre Beine hängen in der Luft. Sie verharrt. Lena folgt ihr über die Reling, setzt sich mit etwas Abstand neben Anna, raucht und wartet. Annas Blick wechselt hastig zwischen Lena und der Straße, einundzwanzig Stockwerke unter ihr, hin und her. Wieder schüttelt Lena den Kopf. Sie zieht ihre Bluse ganz zur Seite, stopft die Zipfel in ihren Rock und dreht sich zu Anna. Mit ihrer rechten Handfläche nach oben, winkt sie zu ihrem Bauch. Nach einer Weile rutscht Anna näher an sie heran. Schließlich bewegt sie einen Arm zu Lena. Ihre Hand befindet sich vor ihrem Bauch. Anna guckt sie fragend an. Lena nickt. Zögernd streichelt sie Lenas Bauch. Lena atmet flach und schnell. Sie wendet sich zu Anna, streift ihre beiden Pulloverärmel hoch und berührt zärtlich ihre Arme. Anna sieht sie flehend an. Lena schließt die Augen, nickt und gibt ihr eine Zigarette.
Nachdem Lena Annas Arm mit Heilsalbe versorgt hat, streckt sie Anna ihre Hand entgegen. Anna ergreift sie.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.03.2013, 19:02

Ich versuche es mal in Ich-Form, pjesma. Kann aber nicht versprechen, dass ich den Text dann auch hier einstelle. ,-)

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 10.03.2013, 19:25

Hallo Gabriella,

mit diesem Text bleibst du bei der gleichen Problematik wie in der Marie-Geschichte. Es ist ein schwieriger Stoff, da einen Ton, den jeder akzeptieren kann, zu treffen, ist nicht gut möglich. Pjesmas Vorschlag in der Ich-Form zu schreiben kann nur funktionieren, wenn du mit der genügenden Distanz heran gehst. Ich weiß nicht, ob du der Typ bist, aber versuche es mal. Ich schreibe auch gerade einen Text in der Ich-Form (er ist fertig, aber noch nicht vollständig redigiert :rolleyes: );dort wähle ich die Form des unbeteiligten Außenstehenden.

Mit gefällt sie gut, die Reflexion in deinem Threat über die Herangehensweise bei einem, wie du schon sagtest, Tabuthema. Der Blaue Salon braucht mehr gute, erfahrene Prosa-Schreiber - also einfach die Ohren steif halten.

Liebe Grüße
Dede

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.03.2013, 22:16

Hi pjesma, Diana und Dede,

ok, ungefilteter Schreibprozess, gehen lassen, starke Emotionen, Fäuste ballen und los. Es hat mir keine Ruhe gelassen.
Oben steht sie, die Ich-Version (wie lange sie da stehen wird, weiß ich aber nicht).

Und jetzt: könnt ihr sie zerfetzen.

Saludos
Gabriella

pjesma

Beitragvon pjesma » 10.03.2013, 23:12

vieeel lebendiger geworden, die ich-version!!!! hab es viel flüßiger gelesen und konnte mich besser mitidentifizieren, und verstand auch die ende die mir vorher schwummig blieb...ja, gefällt mir.
lg

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birke
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Beitragvon birke » 10.03.2013, 23:22

liebe gabi, geht mir wie pjesma.
nix wird hier zerfetzt! (jedenfalls nicht von mir.)
ich finde das heftig gut!
mir bringt diese version die protagonistinnen und die problematik sehr viel näher.
habe in einem atemzug gelesen. ja!
hier nehme ich dir ab, dass das genau so passieren/ funktionieren könnte.

lg,
diana

ps - die erste version hat auch was, bleibt ja viel vager und dadurch offener. aber - eindringlicher, deutlicher ist in jedem fall die ich-fassung!
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.03.2013, 00:36

Hallo pjesma und Diana,

danke für eure positiven Rückmeldungen. Da bin ich erleichtert, uff. Ich dachte, es könnte zu heftig sein.

Liebe Grüße
Gabi

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 11.03.2013, 07:55

Hallo Gabriella,

deine Version 2: spannend geschrieben, du führst mitreißend durch die Geschichte. Obwohl ich den Ausgang doch schon kenne, war mein Lesefluss nicht zu stoppen. Falls du besorgt bist, es wäre peinlich wegen der ich-Form – kein bisschen. Ich bringe die Gabriella gar nicht mit Lena in Verbindung, sie ist dir sehr authentisch gelungen.

Einzig im zweiten Absatz: ...Wenn meine Kollegen über mich Bescheid wüssten, würden sich mich meiden, so wie ich Betriebsausflüge meide. Lena, die Aussätzige. Und Ebert würde mir kein Lob mehr aussprechen, egal, wie gut ich meine Arbeit mache...
Das ist meiner Meinung nach zu Dicke, darauf könntest du verzichten.

Liebe Grüße
Dede

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.03.2013, 14:26

Hallo Dede,

danke für dein Feedback. Fein, dass es für dich authentisch rüberkommt.
Hetti hat geschrieben:Falls du besorgt bist, es wäre peinlich wegen der ich-Form – kein bisschen. Ich bringe die Gabriella gar nicht mit Lena in Verbindung, sie ist dir sehr authentisch gelungen.

Nein, da bin ich nicht besorgt, Dede. Dies ist nicht autobiografisch. Wäre das der Fall, hätte ich diesen Text sicher nicht ins Forum gestellt. Außerdem: mache nie den Fehler und beziehe den Inhalt eines Textes direkt auf den Autor.
Klar können manchmal Texte autobiografisch sein. Klimperer-Carlos z.B. schreibt autobiografische Texte, wie durch seine Kommentare deutlich wird, doch bei mir ist das eher selten der Fall. Es schwingen hier und da Bezüge von mir oder meinem Leben in meinen Texten mit, aber das war es auch schon. Ansonsten schreibe ich ab und zu kleine Anekdoten aus meinem Leben im Prosalog.

Über deine Bemerkungen zum zweiten Absatz werde ich nachdenken.
Danke dir!

Saludos
Gabriella

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Hetti
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Beitragvon Hetti » 11.03.2013, 14:46

Geht mir genauso. Klar dass sich der eigene Erfahrungshorizont in den Texten wiederfindet, er ist neben der Fantasie das Futter einer Geschichte. Deswegen ist ein Text noch lange nicht autobiografisch.
LG Dede

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.03.2013, 17:15

Hallo Dede,

ich habe jetzt diese zwei Sätze entfernt. Danke dir!

Saludos
Gabriella


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