Was ist Menschenliebe?

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Maija

Beitragvon Maija » 17.02.2008, 09:53

Vor einigen Jahren hatte meine Tochter eine Klassenfahrt und ich fuhr als Elternteil als Aufsichtsperson mit.
Die Klassenlehrerin war eine junge, hübsche Frau und wir verstanden uns auf Anhieb gut.
Doch über eine Frage stolpere ich heute noch.
Plötzlich fragte sie mich: „Wie ich diese Frau R. zur Freundin haben könnte?“
Ich war über diese Frage stutzig geworden und konnte keine Antwort darauf geben.
( Diese Frau R. war Raumpflegerin, keine hohe Schulausbildung, ihr Sohn ging in die gleiche Klasse wie meine Tochter, eine sehr liebevolle Mutter.)
Am Abend als alle Kinder schliefen, tranken wir gemeinsam noch Wein und unterhielten uns über Familie und vieles mehr.
Die junge Lehrerin wurde nach jedem Glas redseliger und sie erzählte mir über ihren Mann und ihre Tochter (2 Jahre alt) und dass sie ihre Familie vermisse.
Ich stellte fest, dass sie die gleichen Ansichten und Probleme hatte, wie meine Freundin und konnte keine großen Unterschiede feststellen!

Sieht so Menschenliebe aus?!

Als ich von der LVA zu einer Kur geschickt wurde, lernte ich eine Frau kennen die rein zufällig in meinem Nachbarort wohnt.
Nach der Kur fuhr ich sie öfter besuchen und wir lernten uns immer näher kennen und heute ist eine dicke Freundschaft daraus entstanden.
Ihr Mann war nach der Wende stets arbeitslos (hat keinen erlernten Beruf) und war sehr glücklich als er von einer Zeitarbeitsfirma Arbeit bekam. Hörte er doch oft, das man später auch einen festen Arbeitsplatz ohne Hungerlohn bekommen könne.
Also schuftet er nun Tag ein Tag aus für einen Lohn, der mich an Sklaverei erinnert. (Er bekommt 750 Euro und muss seine Benzinkosten alleine tragen, von den Steuern kann er nichts absetzen, da er Geringverdiener ist und seine Frau Hartz IV Empfängerin ist. Telefonisch werden ihn stets die Arbeitseinsatzstellen mitgeteilt, wie er dahin kommt interessiert der Firma nicht! Auch für Nachtarbeit und Wochenenden muss er stets bereit sein, ohne höheren Lohn!)
Nun könnte man ja sagen: „Besser als keine Arbeit und und und!“
Er schuftet aber nun schon acht Jahre unter diesen Bedingungen und wird nicht der Einzigste sein, der so ein Schicksal trägt.
Solche Menschen schaffen es aber nie, an die Öffentlichkeit zu gelangen um dagegen zu protestieren. Ihnen fehlt die Kraft, die Intelligenz und der Mut.
Wer kümmert sich aber um solche Menschen?

Nennt ihr das Menschenliebe?!

Weihnachten wird immer bei den Liebsten gefeiert, so auch bei uns. Jeden zweiten Weihnachtsfeiertag fahren wir zu meinen Eltern.
Die Erwachsenen halten sich im Gästezimmer auf und die Kinder in der Wohnstube und im Esszimmer. (Wobei die Kinder zum größten Teil schon Jugendliche sind)
Beim Kaffeetrinken wurde ein Gespräch geführt, was mich traurig und nachdenklich machte!
Es wurde über Hartz IV Menschen gesprochen wie gut sie es hätten und bla, bla, bla...
Mein Bruder (Selbstständiger – Versicherung) begründete dies mit folgendem Satz: „Die bekommen Miete bezahlt und Strom und vieles mehr...“
Ich fragte: „Von wem er hast du dieses Wissen? hat“ Er gab keine Antwort und schaute nur verdattert in die Runde. Mein jüngster Bruder mit Freundin (beide Beamte im gehobenen Dienst) nickten nur meinem Bruder eifrig zu!
Dann fing ich an, die Dinge richtig zu stellen. Ein Hartz IV Empfänger müsse von seinen 345 € den Strom bezahlen und und und...
Ein Hartz IV Empfänger könne auch nicht in einer privaten KV versichert bleiben, wie von beiden angenommen u.s.w.
Ich schaute traurig in die Runde und sagte: Unter unseren eigenen Jugendlichen (Nichten) sind auch welche betroffen die von Hartz IV leben müssen.
Dessinteresse und falsche Darstellungen projektieren solche falschen Bilder in den Köpfen von den Nichtbetroffenen!

Sieht so Menschenliebe aus?
Zuletzt geändert von Maija am 17.02.2008, 19:29, insgesamt 3-mal geändert.

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 17.02.2008, 10:45

Liebe Maija,

Deinen Text habe ich mit großem Interesse gelesen und er brachte mich stellenweise dazu, mit dem Kopf zu nicken. Vor allem der Schluss, wo Gerüchte, Falschinformationen und Halbwahrheiten die Runde machen und die Leute auf Stammtischniveau vom Leder ziehen, kommt mir traurig bekannt vor.

Eines ist dieser Text sicher nicht: Lyrik. Er gehört eher in die Prosa. Ich würde ihn als Aufsatz bezeichnen. Vielleicht eine Kolumne. Die fett gedruckten Sätze mit der Menschenliebe sind etwas zu plakativ. Das kann man besser verpacken. Ich würde sie weglassen.

Die Zeiten scheinen hier und da nicht korrekt zu sein, z. B. hier:


Als ich von der LVA zu einer Kur geschickt wurde, lernte ich eine Frau kennen die rein zufällig in meinem Nachbarort wohnt.



wohnte



Ich fragte: „Von wem er dieses Wissen hat“



Direkte Rede oder nicht. Ich fragte, von wem er dieses Wissen hatte


das sie ihre Familie vermisse



dass sie ihre Familie vermisse

Doch über eine Frage, stolpere ich heute noch.



Das Komma hat sich eingeschlichen.

Da sind noch ein paar Fehler drin. Ich würde nochmal in Ruhe durchschauen und die Fehler korrigieren.

Inhaltlich, wie gesagt, keine Lyrik, aber nachvollziehbar geschrieben. Es macht, wie Du schreibst, traurig und nachdenklich, wie Menschen sich entwickeln und funktionieren.

Schönen Sonntag

Jürgen

Maija

Beitragvon Maija » 17.02.2008, 11:52

Hallo Jürgen,

Danke für die schnelle Überarbeitung! Erster Kritikpunkt muss aber so bleiben, da sie heute noch dort wohnt. ;-) Ich gebe aber zu, dass ich diesen Text sehr schnell schrieb und davon überzeugt war, keine Fehler zu machen. :d040: Danke!

Gruß, Maija

Maija

Beitragvon Maija » 17.02.2008, 12:02

Habe den Text in die Prosa verschoben, bitte löschen! Danke!

Herby

Beitragvon Herby » 17.02.2008, 13:12

Liebe Maja,

ich hab's umgekehrt gemacht: den Faden mit Jürgens und deinen Kommentaren hab ich in die Kurzprosa verschoben und dort den von dir dahin geschobenen, kommentarlosen Faden gelöscht.
Ich hoffe, das war in deinem Sinne.

Liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
Herby

Maija

Beitragvon Maija » 17.02.2008, 19:32

Danke Herby und euch auch einen schönen Sonntagabend,

Gruß, Maija

Stefan

Beitragvon Stefan » 21.02.2008, 18:16

Hi. Maija!

Ich stimme Gurke zu, obwohl ich hier auch keine Kurzprosa sehe, sondern eine Kolumne. Der Text wirkt nicht wie Fiktion, sondern ziemlich offensichtlich wie eine Darstellung von realen Erlebnissen und Gesprächen. Deine Antwort auf eine von Gurkes Anmerkungen zeigt dies ja deutlich ("sie wohnt noch immer dort"). Das ist nicht schlimm, zumal hier im Salon ja auch Kolumnentexte gern gesehen sind. Jedoch solltest du als Verfasserin mit Bestimmtheit wissen, welcher Textgattung du dich bedienst und sie deutlich kennzeichnen.

Also, um einen Prosatext zu zimmern, bräuchte man einen fiktionalen Einfall und eine ausgefeilte Stilistik, das wäre bei diesem Grundmaterial (so nenne ich das jetzt mal, ist nicht abwertend gemeint), ziemlich aufwändig und bietet sich auch nicht an. Was ich mir eher vorstellen könnte, wäre ein Minidrama, eine Szeneneinteilung gibt es ja schon im Text, man bräuchte jedoch mehr/längere Dialoge. Aber im Moment ist eine Kolumne die nächst liegende literarische Form.

Aus was solltest du achten, um eine gute Kolumne zu schreiben? Es folgen Anregungen.

Die durchgestrichenen Fragen:

Korrekturen im Text sichtbar lassen? Die durchgestrichenen bzw. berichtigten Passagen stören. Es wirkt nicht konsequent. Stehe zu deinen Berichtigungen, bzw. berichtitge so, dass du davon überzeugt sein kannst!
Ich hätte es jedoch interessant gefunden, wenn nur die Fragen durchgestrichen wären, als ein ungewöhnliches Stilmittel, um die verschwiegenen (unter den Tisch gekehrten) Problemfragen zu kennzeichnen.
Allerdings sind diese Fragen doch etwas plakativ, sie wiederholoen sich monoton und was das Schlimmste ist: Der Inhalt der Kolumne scheint diese Fragen nicht ausreichend zu fordern, denn: Um die Menschenliebe anderer in Frage zu stellen, muss erstmal in einer Textpassage gezeigt werden, dass die gemeinten Protagonisten sich für Menschenfreude halten. Das kommt in dem Text gar nicht. Darum fragt sich der Leser, woher diese Fragen eigentlich kommen, wenn sie im Text nicht begründet liegen. Wie begründest du im Text, dass du dich über eine sogenannte "Menschenliebe" kritisch äußern willst?!
Als Leser eine Kolumne sollte man natürlich eigene Erfahrungen einbeziehen und mit der Kolumne vergleichen, aber auch ein Kolumnentext muss in sich schlüssig sein, und zwar von Aufbau, Inhalt und Form her. Dazu komme ich jetzt.

Aufbau, Inhalt und Form:

Hier hast du einige Freiheit, das ist gewiss, und Freiheit sinnvoll zu nutzen, das ist schwierig. Bei einer Kolumne genügt ein klarer, erzählender Ausdruck, um persönliche Erlebnisse wiederzugeben. Es ist nicht nötig, mit Stilmitteln um sich zu werfen, dramatische Steigerungen oder Wendepunkte einzubauen. Trotzdem sollte man sich Gedanken über Aufbau und Form machen, die im Inhalt begründet liegen. Eine Kolumne bereitet mehr Lesefreude und bleibt länger im Gedächtnis, wenn sie eine gewisse Eigenheit / Besonderheit hat, das kann sein: Ein bestimmter Sprachstil oder eine markante Sprachebene, ein Beispiel wäre Verwendung von Dialekt, ein anderes die Parodierung von Beamtensprache, auch ein besonders hohes oder anglizistisches oder Subkultur-Deutsch kommt in Frage, und viele weitere Stilebenen. Das richtet sich natürlich nach dem Inhalt, in diesem Text vielleicht weniger angebracht, außer bei den Dialogen vielleicht. Aber es gibt ja noch andere Wege: Eine Pointe wäre gut, das kann eine komische Pointe sein, oder einfach ein Punkt, an dem das Thema (ein Konflikt, eine Meinung, ein gesellschaftlicher Zustand) besonders deutlich zum Vorschein kommt oder, in einer Entscheidungssituation, auf die Probe gestellt wird.
Natürlich muss man sich für diese Überarbeitungen den Text noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen, und die eigene Aussageabsicht überdenken, bzw. was der Leser mitnehmen soll. Doch das sollte dich nicht ermüden: Dein Ziel, gerne gelesen und verstanden zu werden, lässt sich verwirklichen, indem du zuerst eigene, text- und leserbezogene Ziele formulierst und dann mit aller Gewissenhaftigkeit und Kreativität an die Umsetzung gehst.
(Ich muss hier kurz erwähnen, dass mir der Text im Moment nicht stringent erscheint: Die geschilderten Situationen sind zwar durchaus geeignet, aber nicht durchweg überzeugend verarbeitet / verbunden / zu einem Ende geführt.)

Eigene Meinung:

In einer Kolumne kann der Autor seiner eigenen Meinung freien Lauf lassen und sie kundtun. Im Allgemeinen strebt der/die Kolumnenautor/in jedoch eine subtile Darstellung der eigenen Meinung an, indem er die geschilderten Inhalte und die Art der Schilderung für sich sprechen lässt. Nur bei gebotenem Ernst aufgrund besonders bedenklicher Geschehnisse äußert er/sie die Meinung "in Rohform", dann auch "in aller Strenge". Das ist natürlich allein seine Sache, bei welchen Inhalten er das tut. Es ist aber möglich, auch bei den verurteilenswertesten Ereignissen eine traurig-ironische Distanz einzuhalten.


So, das waren ein paar meiner Anregungen für den Anfang. Vielleicht schaust du jetzt noch einmal in Ruhe darüber, und dir fällt ein, wie du den Text anders gestalten kannst. Selbst wenn nicht, würde ich lieber auf eine Antwort von dir warten, bevor ich mit einer Detailanalyse beginne, die im Moment nur unnötig ablenken würde, und zwar von den grundlegenden Überlegungen, die jetzt erstmal Vorrang haben.

Dann bis später!
(kann wie immer etwas dauern)

LG,

Stefan

Maija

Beitragvon Maija » 22.02.2008, 09:13

Lieber Stefan,

Danke für deinen längeren Kommentar, den ich mit Freude aufgesogen habe. Ja, über eine Kolumne muss ich drüber nachdenken. Wahrscheinlich die beste Form!

Die Fragen sollten sich ja wiederholen, da sie fiktiv gemeint sind. Damit sollte der Blick geschärft werden , das es keine wahre Menschenliebe geben kann, solange die Menschen ihr egoistisches Verhalten nicht ablegen.
Deshalb wird es besser sein, die Fragen ganz weg zu lassen? Mal sehen.
Vielleicht werde ich mir diese ganze Sache noch einmal genauer betrachten, um tiefer in die Materie eingreifen zu können. Da mir Das Thema sehr wichtig ist. (Dynamit)

Danke für deine Arbeit!

Lieben Gruß, Maija


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