Rette sich wer kann ...

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Andreas

Beitragvon Andreas » 18.12.2007, 08:47

Rette sich, wer kann ...

... die “dauergeilen, immerfeuchten, naturgeilen, nymphomanen” Frauen inserieren wieder.

Stellen wir uns mal ganz dumm. Das ist leider die Grundvoraussetzung für folgende Ministudie, die ich hier mal entblättern möchte.

Wie der Teufel es will, stösst man immer wieder im Internet auf irgendwelche zwielichtigen Anzeigen und Bilder von leicht bis gar nicht bekleideten (zumeist) Damen, die nicht mit ihren Geizen, Maßen und ähnlichen Attributen sparen. Schön, schön, es soll ja durchaus genug Klientel dafür geben und, so denke ich mir, bestimmt hier auch Angebot und Nachfrage den Markt. Alles kein Ding, verstanden und abgehakt.

Was mich aber jedesmal, wann immer ich auf solche eindeutig zweideutigen Anzeigen stosse, erneut stutzig macht, ist die Tatsache, dass sich die dort (un-)sichtbaren Körper als “dauergeil, immerfeucht, naturgeil, nymphoman” oder mit ähnlichen Attributen betiteln. Ich meine ok, was kann man(n) sich mehr wünschen, als ein Opfer sexueller Sauereien zu werden. Addiere ich zu dieser Vorstellung noch die vorher aufgezählten Attribute, so sollte man(n) davon ausgehen, dass es sich hierbei um genetische, natürliche und nicht zu unterdrückende Geilheit handelt, die, egal mit welchen Mitteln, und sei es eine solche Anzeige zu schalten, befriedigt werden muss. Ich denke, dass man mir bis hierher folgen kann denn jetzt kommt die Crux.

Meistens findet man aber dann entweder direkt im Nachsatz, die eindeutige Erwähnung von TG, zeitlichen Limitierungen und ähnlichen kontraproduktiven Anzeigenglutamaten, die einen zum Nachdenken anregen. Wir stellen uns weiter dumm (bitte, anders gehts nicht) und werfen folgende Fragen auf:

1) TG, was wohl soviel wie Taschengeld bedeutet, wird verlangt. Schön und gut, aber wofür? Sollte man nicht davon ausgehen, dass jemand, die “dauergeil, immerfeucht, naturgeil, nymphoman” ist, alles daran setzt, um diesen Zustand möglichst häufig zu beseitigen oder abzustellen? Müsste man nicht den potenten, potentiellen Männern, die sich als barmherziger, erigierter Samariter mit solchen Damen treffen, das TG geben anstatt der Dame, weil sie eben derjenigen geholfen haben, diesen Zustand kurz-/mittel-/langfristig abzustellen?

2) Zeitlimit. Nicht nur, dass man(n) ein TG zu liefern hat, was ja bereits die adjektivische Tatsache pervertiert, nein vielmehr unterliegt man dem Drang und wohl auch dem Druck, diesem Zustand innerhalb einer Frist ein Ende zu bereiten. Woher weiss aber die so geplagte Dame, ob der Kandidat die ähm Möglichkeiten in dieser Zeit voll ausschöpfen kann, diese Situation fachmännisch zu meistern. Schafft er es nicht, hat er, der Mann des guten Willens, sogar noch für zeitliche Verlängerungen, Strafzölle oder erweitertes TG zu begleichen. Wir fragen uns also, schneiden sich diese Damen nicht in das eigene (schwache) Fleisch?

Wir stellen also fest, dass diese Art Offerten eigentlich sachlich betrachtet völlig unlogisch sind und vermuten lassen, dass die freundlichen Herren, welche sich solchen Damen, die mit diesen unhaltbaren Zuständen geschlagen sind, betuppt und über den Tisch bzw. die Bettkante gezogen werden. Jedenfalls liegt diese Vermutung nahe.

Da aber heute nichts mehr ohne die nötigen Beweise auch als Wahrheit oder Lüge statuiert und zementiert werden sollte, legte ich mir ein Pseudonym an und schrieb folgenden Text:

Hallo unbekanntes Wesen,
ich möchte dich gerne auf diesem Wege fragen, warum du ein TG verlangst? Wenn ich deine Anzeige lese, dann sollte es doch eigentlich so sein, dass ich als Mann ein TG bekäme, wenn ich dir behilflich bin, deinen Erregungszustand in den Griff zu bekommen. Ich gehe ferner davon aus, dass zu dem Taschengeld auch noch eine zeitliche Beschränkung besteht, die ich einhalten muss. Woher kann ich aber wissen, dass ich dir in dieser Zeit vernünftig helfen kann?
Für eine Antwort wäre ich dir sehr dankbar.
Grüße


Diesen Text erhielten, da mir eine Aufklärung obiger Umstände absolut erforderlich schien, eine ganze Reihe an Damen, die dem obigen Schema entsprachen. Gespannt wartete ich also auf eine Antwort, hatte ich doch so viele Damen zwecks möglicher Klärung dieser Misverständnisse angeschrieben. Und tatsächlich sollte meine Wissbegierde gestillt werden, jedenfalls hoffte ich das.

So schrieb mir eine “süsse maus”, die laut eigenen Angaben “lass mich nicht warten” verkündete, dass sie kein Interesse an einem “Zuhälter” habe und eigentlich nur Spaß sucht. Ich solle ihr nicht mehr schreiben.

Eine andere “ehrlich naturgeile, junge Raubkatze” (hört hört) antwortete mir dann sehr platonisch, ob ich denn wohl “Lust” hätte. Sie sei keine “Nutte”, was ich eh nie behauptet habe, sondern einfach ein “Mädel von nebenan”. Im weiteren Kontext wurde ich mit einer Reihe Praktiken konfrontiert, die wohl der Beseitigung des Zustandes dienen sollten und obendrauf bekam ich noch eine Internetadresse, wo ich sie mir nochmal ansehen solle. Ich muss gestehen, dass die junge Dame wirklich “naturgeil” ausschaute und ich sie weiss Gott nicht um diesen Zustand beneidete, allerdings sah ich hier auch meine Frage unbeantwortet.

Darüber hinaus erhielt ich keine Antworten. Was lernen wir daraus?
Solche (ich schreibe nicht alle) Frauen reden gerne um den heissen Brei, insbesondere bei unliebsamen Fragen oder sie hüllen sich (egal, ob hüllenlos oder nicht) in Schweigen und in diesem speziellen Fall auch gerne in Reizwäsche. Anhand obiger Antworten ist aber auch ein Kausalzusammenhang zwischen der Ausschüttung von Glückshormonen und Dummheit sowie breiigem Geschwafel zu erkennen.

Erst wollte ich auch noch näher ergründen, welche freundlichen Herren sich diesen bemitleidenswerten Damen annehmen, jedoch habe ich diesbezüglich eine nähere Untersuchung im Hinblick auf die extreme Sensibilität der männlichen Psyche vermieden.

Jetzt dürft ihr auch wieder aufhören, euch dumm zu stellen.

Andreas

aram
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Beitragvon aram » 06.01.2008, 01:24

hallo andreas,

interessantes thema, eine primitive werbesprache auf dem 'kontaktanzeigen'-markt wird durch den kakao gezogen - doch der text geht für mich nicht auf.

der erzähler gibt sich akribisch, es kommt aber nichts witziges dabei raus - umfangreiche erörterungen mit numerierten abschnitten kommen einerseits zu keinem anderen letztlichen ergebnis als: 'da kann was nicht stimmen', und der leser gähnt: no na. (wie sagt man auf hochdeusch?)

andererseits kehrt sich die emsig verfolgte logik der recherche um - das argument läge auf der hand: gerade genuine dauergeilheit der kontaktsuchenden frau bedingt strikte zeitbegrenzung pro einzelnem, sich rapide an ihr verbrauchendem mann.

unterm strich wirkt der erzähler hinter seiner schlauen art ("was lernen wir daraus?") etwas hilflos und verklemmt - ich denke, das thema könnte aus männlicher sicht, um vergnüglich zu wirken, mit mehr selbstironie angegangen werden - statt in eine richtung 'auszuteilen', die gar keine zielscheibe abgibt: hinter dieser werbesprache stehen ja keine sie ernsthaft vertretenden personen, worauf hat es die satire also abgesehen? - sobald sie in diese richtung zielt, geht sie den sprüchen gewissermaßen schon auf den leim - die antworten von 'süßer maus' und 'raubkatze' wirken auf mich vergleichsweise bodenständig.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.01.2008, 17:21

Lieber Andreas,

ich finde, arams Kritik bringt es auf den Punkt. Ich habe mal zu einem Text von mir in diesem Bereich ähnliche Kritik erhalten und ihn eben daraufhin nochmal gelesen und muss sagen: Sie hatte Recht :-). Ich glaube, wenn man seine Empörung für etwas in Einfallsreichtum legen will und das mit Überlegenheit paart, dann braucht es eben sehr viel Sprachgefühl, Originalität und Feingefühl, um da nicht selbst als - wie aram es nennt - verklemmt oder "hinter vorgehaltener Hand" zu wirken. Ging mir da genauso (wie gesagt hab ich das selbst aber auch schon produziert). Der Text steht für mich bezüglich des freien Spiels (das "druckfreie") deinen kürzeren (lyrischen) Texten etwas nach (das ist grammatisch falsch, aber mir fällt gerade nicht ein, wie man es sagt ,-))

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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