Zeit

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 30.08.2016, 15:00

...die Zeit ging vorbei, blieb stehen, sah aber dann, dass die Vergangenheit bereits dort gewesen war…

Zeit ist etwas, was jeder Mensch zu Beginn seiner Zeit-Rechnung zu Verfügung gestellt bekommt. Ein Kontingent, welches völlig frei nutzbar ist.

Es ist die Variable zwischen Beginn und Ende deines Daseins. Für die einen ist es ein Strom, der träge in seinem Flussbett seiner Bestimmung gen Meer folgt. Für die anderen eher ein reißender Fluss, unberechenbar, mit Stromschnellen, an denen das Lebensboot zu kentern droht, aber doch pulsierend und lebendig.

Jeder so nach seiner Facon.
Die einen sind Zeit-los,- die anderen immer zu spät. Ein dritter lebt nach der Uhr.

Was bin ich?
Ich bin ein Boot innerhalb des ungestümen, nicht gebändigten. Gekentert bin ich etliche Male. Immer wieder erwischte ich das rote Seil,- meinen Lebensfaden, um mich daran wieder in mein Lebensboot zu ziehen. Aufgeben? Wollte ich schon oft.

Wie viele Male wusste ich nicht was richtig war,- aber immer überlebte ich. Fehler, oh ja, immer wieder, immer neu. Wobei man aber definieren müsste, was falsch und richtig ist.

Warum? Weil es schwarz und weiß gibt, Tag und Nacht, Sonne und Regen. Es gibt einfach keine Gebrauchsanweisung.

Das einzige was Fakt ist, ist deine Lebensuhr. Zeit, die dich besucht, dir die Hand reicht, aber auch entzieht, wenn es an der Zeit ist.
Dieser rote Faden, der sich durch dein Leben zieht. Durch das Leben eines jeden Menschen auf dieser Erde. Was machst du nun mit ihm?

Die einen, nehmen diesen Faden, wickeln ihn um ihr Handgelenk, auf und wieder ab. Wägen ab, überlegen, planen, verwerfen, planen neu, hinterfragen, bis er immer kürzer wird.
Irgendwann passt er nicht einmal mehr um das Handgelenk, denn es ist nichts mehr da!

Wessen Vater sind diese Gedanken? Ist es nicht vielmehr Angst? Angst vor Fehlern? Falschen Schritten.- Sanktionen,- Tränen,- Verzweiflung. Ich sage ja. Das ist es.

Die anderen nehmen den Faden, wickeln ihn um ihr Handgelenk, machen einen Knoten, dass er nicht verloren geht und stürzen sich in die Stromschnellen. Immer wieder tauchen sie zwischen den weißen Schaumkronen auf,- heftig rudernd, kämpfend, bevor sie kurzzeitig wieder untergehen.
Dann aber, irgendwann, geraten sie in ruhigeres Fahrwasser. Plötzlich können sie atmen. Sie sind genau da wo sie sein wollen. Nass,- erschöpft,- aber glücklich. Genau da, sind sie Sieger über die Zeit,- kurzzeitig.

Dann wieder, etliche Kilometer weiter ist die Reise beendet. Der Fluss ihres Lebens versandet,- wird ein dünnes Rinnsal. Wochen, Tage, Stunden, Minuten…
Am Ende ist nichts mehr da, kein Wasser keine Stromschnelle, kein ruhiger Fluss, keine Zeit, einfach -Nichts.

Jeder frage sich nun welches Leben ist richtig,- für Mich? Das ruhiges Fahrwasser, oder die stürmischen Stromschnellen?
Ich habe entschieden. Ungefragt. Weil ich so bin. Mein Boot des Lebens tanzt auf den Stromschnellen, immer wieder ringe ich um Luft. Gerne wäre ich einen Moment im ruhigen, ja fast trägen Fahrwasser.

Aber was wäre dann? Kräfte sammeln für die nächste Stromschnelle? Ich fürchte ja.
Ich weiß nicht, wann mein Boot des Lebens mich in das ruhige Fahrwasser eines Ankommenden sendet.
Ich weiß aber, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermischen sich in meinem Leben. Das macht es spannend, aufregend und interessant. Wollte ich es anders? Nein!

Karoline
--

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 30.08.2016, 20:41

Hallo Karoline,
eine schöne Metapher für den Lauf der Zeit ist das Bild mit dem Fluss und dem Boot, ich habe den Text gerne gelesen.

Hier in diesem Absatz
Ich bin ein Boot innerhalb des ungestümen, nicht gebändigten. Gekentert bin ich etliche Male. Immer wieder erwischte ich das rote Seil,- meinen Lebensfaden, um mich daran wieder in mein Lebensboot zu ziehen.

--- siehst Du Dich aber einmal als Boot und gleich darauf als Menschen, der aus dem Lebensboot fällt und sich wieder hineinziehen muss. Das finde ich etwas schief. Entweder bist Du selbst das Boot oder Du sitzt drinnen.

Fehler, oh ja, immer wieder, immer neu. Wobei man aber definieren müsste, was falsch und richtig ist.

Der zweite Satz passt mir klanglich nicht in das poetische Umfeld; ich würde eher formulieren "... wobei ich mir im nachhinein nicht immer sicher bin, ob es überhaupt Fehler waren."

Zeit, die dich besucht, dir die Hand reicht, aber auch entzieht, wenn es an der Zeit ist.

Sehr schön!

welches Leben ist richtig,- für Mich?

"für mich"

Wessen Vater sind diese Gedanken? Ist es nicht vielmehr Angst? Angst vor Fehlern?

Ich glaube, hier meinst Du eigentlich: "Was ist der Vater dieser Gedanken?" Also - die Angst ist der Vater (oder vielmehr die Mutter) dieser Gedanken, und nicht ungekehrt die Gedanken der Vater der Angst, oder? Bin nicht sicher ...

Weiterhin gute Fahrt!
Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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birke
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Beitragvon birke » 30.08.2016, 23:45

hallo karoline, willkommen im salon! :-)

der grundgedanke gefällt mir sehr gut, diese metapher, dass die zeit ein fluss sei.

ich könnte mir vorstellen, den text an einigen stellen eventuell zu kürzen... damit er noch besser wirken kann.
zumindest würde ich einige füllwörter herausnehmen, die meiner meinung nach den text verwässern ;-)

an diesen stellen zum beispiel:

welches völlig frei nutzbar ist.

Jeder so nach seiner Facon.

Es gibt einfach keine Gebrauchsanweisung.



ansonsten noch zum inhalt - ich denke, es gibt nicht entweder "das leben im ruhigen fahrwasser" oder "das leben im reißenden strom"! sondern es ist immer beides, abwechselnd, phasenweise. kein leben ist ausschließlich unruhig und keines ausschließlich ruhig - so jedenfalls meine erfahrung und mein denken.
nur ein persönlicher leseeindruck bzw eigene gedanken hierzu. :)

ebenfalls gute fahrt weiterhin gewünscht!

birke
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 31.08.2016, 08:22

Gerne schließe ich mich Zefiras und Birke Kommentare an.

Natürlich hat man zum Thema Zeit auch immer verschiedene eigene, subjetive Überlegungen.

In meinem Fall muss ich an die Verschiedenheit des Zeitempfindens denken, unheimlich lang in den ersten zwölf Jahren der menschlichen Existenz, und, bekanntlich, wie kurz die Jahre im Alter vorkommen.

Willkommen!

KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 31.08.2016, 09:05

Zunächst... vielen Dank für eure Antworten Zefira Birke ,Klimperer....
wertvolle Gedanken, die ich mitnehme und lerne ... :-)

@Zerfira: Oh ja, das Boot zu sein und darin zu sein ist ein Logikfehler, da sollte ich spezifizieren.... danke,
lächel* auch der Gedankenvater,- erscheint wie eine holprige Strasse......

@birke: die Füllwörter,- zu gerne schleichen sie sich von der virtuellen Feder heimlich, ganz leise, auf Samtpfoten in den Text. Sind sie doch soooo gern im Geschehen. Wenn dein Blick langsam durch die Zeilenstrassen wandert, ducken sie sich, verstecken sich und ist der " enter " Button betätigt,- haben sie es geschafft. Lach* du hast natürlich recht, genau in diesen Sätzen ist weniger mehr.....

@Klimperer: ...das ist wie ein Zug, du steigst ein in diesen Zug deines Lebens, nimmst Platz und blickst aus dem Fenster. Zunächst im Schritttempo zieht draußen die Landschaft an dir vorüber.
Fast meinst du die Blätter von nahe stehenden Bäumen erreichen zu können, berühren, um die Zeit anzuhalten ? Sodann nimmt dieser Zug an Fahrt auf. Schneller und schneller fährt er durch dein Leben. In welchem Zug sitzt du ? Einer Regionalbahn, die immer wieder hält und dich in Wartepositionen bringt? Dir Geduld auferlegt?
Oder der IC der flott deinen gewünschten Schienen folgt?
Oder gar der ICE, der rasend Fahrt aufnimmt, wenn du hier aus dem Fenster blickst vermischen sich die Farben der Welt da draußen zu einem bunten Kaleidoskop. Auch das ist die Zeit.
Beginnst du langsam, irgendwann findest du dich im Strudel der Ereignisse wieder, wobei wir da dann wieder beim Fluss wären :-)

Ich persönlich finde Zeit faszinierend, habe noch weitere Texte dazu geschrieben, in Verbindung mit meinen Eltern zum Beispiel, wie du sehen kannst, wie der Sand dieser Lebensuhr verrinnt... und auch da viele Gedanken und Fragen.

Euch allen Danke für das herzliche und freundliche Willkommen...
Lg Karoline

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 31.08.2016, 09:58

Hallo Karoline,

"In welchem Zug sitzt du?", fragst du mich ...

Ich überlege, weiß nicht Recht, darauf zu antworten. Auf einmal sehe ich die Züge meiner Kindheit in Ecuador, uralte Dampflockmaschinen auf Schmalbahngleisen. Ich war sechs Jahre alt damals, wir lebten auf dem Lande, wo mein Vater Verwalter eines Großgrundbesitzes, einer Hacienda war. "La Matilde", hieß damal jene Hacienda. Oft fuhr mein Vater mit dem Zug nach Guayaquil, um dort bei dem Besitzer der Hacienda Rechenschaft abzulegen und Lebensmittel und so zu kaufen. Ich war der Älteste und er nahm mich gerne mit in die Stadt. Der Zug fuhr direkt vor unserem Haus, man musste am Rande stehen und eine rote Fahne schwenken, damit der Zug hielt.

Das, liebe Karoline, ist, immer noch, der Zug, mit dem ich am liebsten fahre.

Carlos

KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 31.08.2016, 21:31

...Auch das ist wahrhaftig Carlos... Die Zeiten vermischen sich. Die Vergangenheit ist gegenwärtig, die Zukunft hat....Zeit.

Danke erneut für deine Gedanken zur Zeit. Das einzige was niemand kaufen kann.
Herzliche Grüsse Karoline

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 31.08.2016, 21:43

Ich wüsste noch ein paar mehr Sachen, die man nicht kaufen kann ;o)
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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(Ikkyu Sojun)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 02.09.2016, 19:17

Willkommen Karoline,

die Zeit beschäftigt irgendwann jeden Menschen und Schriftsteller sowieso. Da muss man sich schon sehr strecken um nicht wiederzukäuen. Mir erscheint der Text auch zu lang, zumal diese Flussmetapher ja auch nicht gerade neu ist. Teilweise wirkt es verkrampft, wie du dich bemühst im Bild zu bleiben und dann aber auch noch weitere gängige Bilder dazu mischst (Lebensfaden)

...die Zeit ging vorbei, blieb stehen, sah aber dann, dass die Vergangenheit bereits dort gewesen war…

ein sehr guter reinziehender erster Satz. Dachte -hui- ein Text aus der Perspektive der Zeit, das klingt spannend.

dann aber leider gleich der Absturz:
Zeit ist etwas, was jeder Mensch zu Beginn seiner Zeit-Rechnung zu Verfügung gestellt bekommt. Ein Kontingent, welches völlig frei nutzbar ist.

ich widerspreche heftig, niemand ist völlig frei.


Es ist die Variable

ich denke, sie ist ein Kontingent?


Aufgeben? Wollte ich schon oft.

wegen der Zeit?
Ansonsten, warum steht das in diesem Text?


Wie viele Male wusste ich nicht was richtig war,- aber immer überlebte ich. Fehler, oh ja, immer wieder, immer neu. Wobei man aber definieren müsste, was falsch und richtig ist.

auch ein Streichkandidat.


Wessen Vater sind diese Gedanken? Ist es nicht vielmehr Angst? Angst vor Fehlern? Falschen Schritten.- Sanktionen,- Tränen,- Verzweiflung. Ich sage ja. Das ist es.

Verstehe ich nicht im Zusammenhang.

Hm, scheint mir alles irgendwie nur randläufig mit der Zeit zutun zu haben.

Grüße
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 05.09.2016, 10:22

Hey Nifl,

vielen Dank, dass du dich mit diesem Text auseinander gesetzt hast. :-)
Zum Teil hast du Recht, eigentlich war der Einstieg das was ich schreiben wollte, Zeit aus der Perspektive der Zeit. Bevor ich diesen Text hier postete, nahm ich noch einige Passagen heraus, sehe aber nun das dadurch einige Sätze den Kontext verloren haben.... leider.

@ Kontingent: Hier teile ich deine Auffassung nicht. Die Variable zwischen zwei Punkten kann auch grundsätzlich das zur Verfügung stehende Kontingent sein.
@ deine beiden letzten Zitate: Ja da hast du recht, sie wurden durch mein Streichen aus dem Zusammenhang gerissen. Haben mit der Zeit nicht zu tun und sind Bestandteil einer anderen Geschichte.

Ich danke euch allen, schon jetzt habe ich viel gelernt und weiß, dass ich mich hier wohlfühlen werde. :-)

Herzliche Grüße Karoline

KarolineJasper

Beitragvon KarolineJasper » 05.09.2016, 13:20

Hey...

ich habe nun versucht dieses Thema einmal ganz anders anzugehen. Einen weiteren Text erstellt. Da ich neu bin weiß ich nicht so genau, ob ich den zweiten Text hier einstellen soll, oder ein neues Fenster eröffnen soll. Ich erstelle nun einfach ein neues Fenster.

Herzliche Grüße
Karoline


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