Gedanken eines Mörders / anlässlich eines Krimidinners in Schleswig 2016
Ich bin ein Mörder! Ja, Sie haben richtig gehört. Ich bringe Leute um, gegen Bezahlung, das versteht sich. Skrupel kenne ich nicht, man kann mich buchen, gegen Vorauskasse natürlich. Ich arbeite diskret und erfolgsorientiert. Zwar kann ich keine Anzeigen in den Printmedien schalten, auch Werbung im Internet ist für meine Tätigkeit als bezahlter Killer nicht möglich. Aber es gibt in meinem Job eine hervorragende Möglichkeit Kunden zu gewinnen, das ist die Mundpropaganda. Gute Arbeit spricht sich schnell herum, meine Klientel kommt aus den unterschiedlichsten Kreisen der Bevölkerung. Wirtschaftsbosse, Politiker, betrogene Ehefrauen, kurz, ich bin ein Problemlöser in allen Bereichen des Lebens.
Mein Dasein ist, abgesehen von meinem Beruf, vollkommen unspektakulär. Ich lebe in Schleswig, einer Kleinstadt im Norden der Republik, in einem schmucken, mit Reet gedeckten Haus, direkt an der Schlei. Meine Nachbarn laden mich im Sommer manchmal zum Grillen ein, wenn die wüssten, mit wem sie Steaks und Bier und Schnaps teilen.Ich habe meine Stammkneipe und bin im örtlichen Schützenverein. Schießtraining ist in meinem Beruf immer gut, das versteht sich von selbst. Ich habe ein Abo im Landestheater und liebe die Königsdramen von Shakespeare, weil da so schön gemordet wird. Ich gehe auch regelmäßig ins Fitness-Center. Ein gut trainierter Körper ist für mich die beste Lebensversicherung.
Beruflich habe ich natürlich meinen Preis. Das geflügelte Wort „umsonst ist der Tod“ gilt bei mir nicht. Trotz jahrelanger Erfahrung bleibt in meinem Job immer ein gewisses Restrisiko bestehen. Manche Aufträge muss ich aus ethischen Gründen ablehnen, zum Beispiel die Tötung von Kindern, schließlich ist man ja Mensch. Ansonsten kenne ich keine Skrupel, das wäre schlecht für meine Konzentration bei der Arbeit.
Bei der Erledigung meiner Aufträge bediene ich mich gerne einer Schusswaffe, abgesehen von ein paar Blutspritzern eine „saubere“ Angelegenheit. Aber auch Gift, Messer und Sprengstoff sind in meinem Beruf wunderbare Problemlöser.
Halten Sie mich für verrückt? Ich kann es Ihnen nicht verdenken. Sie meinen, ein Mensch mit meiner Vita kann nicht richtig ticken? Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, es macht mir Spaß zu töten. Es ist wie eine Sucht, andere nehmen Haschisch und Koks, meine Sucht heißt Mord. Die Angst in den Augen meiner Opfer knapp vor ihrem Ende, ihr zittern, manchmal ihre Schreie, das ist es, was mich antörnt.
Ich bin kein verrohter Mensch, könnte keinem Tier etwas zuleide tun. Ich heule regelmäßig vor dem Fernseher, wenn ein kitschiger Liebesfilm läuft, „Love Story“ zum Beispiel, oder „Doktor Schiwago“. Den Krimis im Fernsehen kann ich nichts abgewinnen, es ist schon sehr abstrus, was sich Drehbuchautoren alles einfallen lassen. Und wenn dann noch ein unverständlich nuschelnder Schauspieler wie Till Schweiger als Tatort-Kommissar durch das Bild läuft, nein Danke. Ich liebe klassische Musik, bevorzugt jene der Romantik, Schubert und Chopin. Aber trotzdem, ich bin ein Mörder!
Keine Angst, heute bin ich vollkommen privat hier, ohne Mordauftrag. Also keine Panik, Leute. Außer, Sie haben ein Problem, das vielleicht sogar neben Ihnen am Tisch sitzt. Dann können Sie mich gerne zwischen den einzelnen Gängen ansprechen. Aber machen Sie es unauffällig, was wir ausbrüten muss nicht der ganze Saal mitbekommen.
Gestern war ich noch in Rom, traumhaftes Wetter und nach getaner Arbeit ein Cappucino in der Nähe des Colloseums, Mörderherz, was willst du mehr. Der heutige Tag dient der Entspannung, da passt dieses Krimidinner wie die Faust aufs Auge. Ich freue mich schon auf die Storys der Krimiautoren, die in langen, dunklen Nächten ihre Morde zu Papier gebracht haben. Da ist sicher manche Anregung für mich dabei. Ab Morgen bin ich wieder im Dienst. Diesmal in Selk, im Nahbereich der Stadt, dort wo die Schönen und Reichen zuhause sind. Das ist sozusagen ein Heimspiel für mich. Natürlich kann ich nicht verraten, wem ich morgen einen Besuch abstatten werde. Das können Sie in den nächsten Tagen der örtlichen Presse entnehmen. An Kandidaten mangelt es ja nicht, Politiker, Kulturbeauftragte und viele andere, deren Verschwinden nur zum Wohle der Stadt beitragen würde. Jeder einzelne von ihnen eine lohnende Aufgabe. Wie sie in dieser Stadt an ihren Sesseln kleben, Steuergelder verschwenden, Kultur vernichten, da würde ich bei manchem Auftrag sogar auf mein Honorar verzichten.
Fragen Sie mich nicht, wie man zum Killer wird. Es ist, so wie auch bei Priestern und Künstlern, einfach Berufung. Schwierig ist nur der erste Mord, hat man den mal erfolgreich hinter sich gebracht, ist jeder weitere nur mehr, wie sagt man so schön, „tödliche Routine“.
Aber natürlich ist Erfüllung im Beruf nicht alles im Leben. Auch die Nächte eines Mörders können kalt und einsam sein, was gäbe es da schöneres, als eine liebende und zärtliche Frau an seiner Seite zu haben. Natürlich müsste sie Verständnis für meine Arbeit aufbringen, aber das würde viele Frauen überfordern. Obwohl, einige haben in ihrer Seele eine dunkle Kammer, wenn man die öffnet blickt man in einen Abgrund aus Schmerz, Wollust und Leidenschaft.
Ich habe vor einigen Jahren die Erinnerungen eines Scharfrichters gelesen, der Ende des 19. Jahrhunderts in Wien lebte. Dieser vom Staat bezahlte Tötungsbeamte traf sich mit einer Dame aus höchsten Kreisen zu einem Schäferstündchen im Sépareé eines noblen Etablissements. Sie empfand die Vorfreude, bald mit einem Scharfrichter zu schlafen als sehr prickelnd und erregend. Nach dem reichlichen Genuss von Austern und Champagner wollten beide endlich „zur Sache“ kommen. Als diese vornehme Dame allerdings den Wunsch in sein Ohr flüsterte, er möge doch während des Liebesspiels eine Serviette wie einen Strick um ihren Hals legen und langsam zuziehen dabei, da war es mit der Lust des Henkers vorbei und wutentbrannt verließ er das Etablissement. Nicht, ohne dieser Dame noch zuzurufen: „Ich bin ja nicht pervers!“ So viel zu mancher weiblicher Seele.
Haben Sie keine Angst, meine Damen, auch ich bin nicht pervers. Eher ein Gentleman der alten Schule. Einfühlsam, charmant, zärtlich, kurz alles, was Frau sich von einem Mann wünschen kann. Und wenn Sie noch in einer Beziehung stecken oder verheiratet sind, alles kein Problem, bei meiner Profession.
Manche von Ihnen werden sich nun möglicherweise fragen, kann man morden lernen? Mit Sicherheit, bleibt nur die Frage, wie soll das gehen? Drei Jahre Ausbildung bei einem Profikiller mit Abschlussprüfung und Zertifikat? Ein Abendkurs in der Volkshochschule mit dem Thema „Morden leicht gemacht“? Beides wird nicht angeboten, also vergessen Sie es.
Das Einzige, was ich Ihnen empfehlen könnte, wäre „Learning by Doing“. Und ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, je früher Sie damit anfangen, um so besser.
Gedanken eines Mörders
Hallo Cicero!
Der Text hat mir gut gefallen. Zu Beginn fand ich die Idee ein wenig platt, aber ich finde, dass der Text alle eventuellen
Fettnäpfchen logisch umschifft, nicht zu düster, aber auch nicht zu albern daher kommt, sondern ein gute Balance findet zwischen dem Sujet und dem Anlass. Mehrmals habe ich während der Lektüre schmunzeln müssen (laut auflachen wäre übertrieben) und ich konnte mir ausmalen, wie die Leute wohl geguckt haben, als du diesen Teil des Textes zum Besten gabst:
Keine Angst, heute bin ich vollkommen privat hier, ohne Mordauftrag. Also keine Panik, Leute. Außer, Sie haben ein Problem, das vielleicht sogar neben Ihnen am Tisch sitzt. Dann können Sie mich gerne zwischen den einzelnen Gängen ansprechen. Aber machen Sie es unauffällig, was wir ausbrüten muss nicht der ganze Saal mitbekommen.
Sehr schön, habe ich geren gelesen!
Liebe Grüße, CPMan
Der Text hat mir gut gefallen. Zu Beginn fand ich die Idee ein wenig platt, aber ich finde, dass der Text alle eventuellen
Fettnäpfchen logisch umschifft, nicht zu düster, aber auch nicht zu albern daher kommt, sondern ein gute Balance findet zwischen dem Sujet und dem Anlass. Mehrmals habe ich während der Lektüre schmunzeln müssen (laut auflachen wäre übertrieben) und ich konnte mir ausmalen, wie die Leute wohl geguckt haben, als du diesen Teil des Textes zum Besten gabst:
Keine Angst, heute bin ich vollkommen privat hier, ohne Mordauftrag. Also keine Panik, Leute. Außer, Sie haben ein Problem, das vielleicht sogar neben Ihnen am Tisch sitzt. Dann können Sie mich gerne zwischen den einzelnen Gängen ansprechen. Aber machen Sie es unauffällig, was wir ausbrüten muss nicht der ganze Saal mitbekommen.
Sehr schön, habe ich geren gelesen!
Liebe Grüße, CPMan
Hallo, Ihr Freunde im mörderischen Geiste, Eure Anregungen, Euer Lob und Tadel, sie sind Ansporn für weiteres literarisches Morden. Da der perfekte Mord aber guter Planung bedarf, werde ich wohl einige Zeit am "Tatort Schreibtisch" verbringen, bis Eure Ideen in meine Story eingeflossen sind. Vielleicht kommt aber am Ende eine ganz andere Geschichte heraus ...
Mit mörderischen Grüßen,
Cicero
Mit mörderischen Grüßen,
Cicero
Die Sprache sei die Wünschelrute, die gedankliche Quellen findet. (Karl Kraus)
Cicero hat geschrieben:sie sind Ansporn für weiteres literarisches Morden.
Ein Reimgedicht á la Poesiealbum mit Herzschmerz und so, wäre für mich auch "literarisches Morden" ,-)
Cicero hat geschrieben:Vielleicht kommt aber am Ende eine ganz andere Geschichte heraus ...
Davon gehe ich aus, muss ja eine ganz andere Geschichte werden.
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