Die brutale Lebenshilfe

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 11.05.2015, 16:35

Ich betätigte mich bei Gelegenheit als Psychologe, und konnte so manch einen, der darnieder lag, wieder auf die Beine verhelfen. Allerdings in den meisten Fällen weniger durch meine Fachkompetenz als durch eine begünstigte Fügung. Die Nahtoderfahrene hatte mich gerufen als Priesterersatz, teilte mir an ihrem Sterbebett mit, dass sie den Tunnel, die Passage ins Jenseits, vor etlichen Jahren betreten hatte und sie zeigte sich zuversichtlich, weil es weder Irrwege noch Finsternis gab.

Als ich ihr erzählte, dass ich einmal im Vollrausch gestürzt und in Ohnmacht gefallen war, mich lauter Sterne umschwirrt hätten, und es mir nach dem Erwachen wie eine Offenbarung vorkam, in den Himmel aufsteigen zu können, wegen der Sterne, zog sie urplötzlich einen Gegenstand unter ihrer Bettdecke hervor, an den ich mich nur schwach erinnere. Es soll sich um ein massives Kruzifix gehandelt haben. Sie schlug mir damit auf den Schädel. Später erklärte sie, sie hätte sich nicht ernst genommen gefühlt.

Ich spürte nicht nur einen inneren Groll, ich war am Explodieren. Den meisten Leuten galt ich als Zuchtmeister. Doch diesmal hatte ich mich selbst nicht in Zucht, griff mir kurzerhand den Ständer mit den brennenden Kerzen darauf, holte aus und schnellte ihn der Alten auf ihren Kopf, den sie zurück auf das schneeweiße Federkissen hatte sinken lassen und der mir so aufreizend erhaben und zugleich einfältig erschien.

Diesmal erwachte sie viel schneller als bei ihrem Nahtoderlebnis, von dem sie mir detailliert berichtet hatte. Nun war sie aus der Besinnungslosigkeit aufgetaucht, ohne dass sie jenen Tunnel mit dem verheißungsvollen Licht an dessen Ende erblickt hatte. Sie beklagte sich, mein wuchtiger Hieb hätte ihr sämtliche Lichter ins Jenseits ausgeknipst, und damit die Hoffnung genommen, den Weg in den Himmel zu finden. Die Kerzen in dem Halter waren noch während meines Zuschlagens im Luftzug erloschen. Ich redete in Priestermanier beschwichtigend auf die Alte ein, sie habe zuerst zugehauen und in dem Moment ihr Privileg auf einen Platz im Jenseits verwirkt.

Vom Sterben wollte sie jetzt nichts mehr wissen und erhob sich von ihrem schneeweißen Laken.
Zuletzt geändert von Kurt am 15.07.2015, 21:44, insgesamt 5-mal geändert.
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so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

DonKju

Beitragvon DonKju » 16.05.2015, 15:01

ziemlich abgefahrene story ...

... und grammatikalisch meint der Lehrmeester: "... sie viel schneller als bei ihrem Nahtoderlebnis ..." bitte ohne Komma,

der wo jetzt schnell vor kreuzen und kerzenleuchtern in deckung geht ...

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.05.2015, 15:17

Ja, ziemlich abgefahren.
Kurt, bei Formulierungen wie
Kurt hat geschrieben:mich lauter Sterne umschwirrt gehabt hätten

oder
Kurt hat geschrieben:Später erklärte sie mir, sie hätte sich durch mich nicht ernst genommen gefühlt gehabt,

frage ich mich wirklich, ob das sein muss? Da kringeln sich mir die Fingernägel.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 16.05.2015, 18:28

Lieber DonKju, liebe Mucki, ja, ich habe mir den Text laut vorgelesen und er hat mir noch zu viele Kanten, die geschliffen werden müssen. Da muss ich noch mal ran. Ja, Mucki, tut mir leid, das mit deinen Fingernägeln. Aber es wäre ja nun das Lektorat, welches Abhilfe schaffen könnte.

Zunächst muss aber ja mal der Text stimmig für den Leser rüberkommen innerhalb dieser, ja, abgefahren Textwirklichkeit. Ich verweise mal auf Hebbels Kannitverstan, der, wenn man ihn sich in Wirklichkeit vorstellt, unglaubwürdig erscheint. Aber der Dichter möchte ja durch die Überzogenheit klar etwas herausheben. Bei meinem Text hier könnte es sein, dass der Leser sich sagt, wenn einem das Jenseits nicht als etwas Finsteres vorkommt, stirbt es sich leichter oder so, könnte also Bezug zur Realität herstellen. Wenn es sich aber nur auf diesen Fall beschränkte, wäre es wohl nicht zufriedenstellend.

Als Autor lässt es sich schlecht einschätzen. Und da wäre eine diesbezügliche Rückmeldung von Seiten der Leser nützlich.

LG Kurt
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