Ein Besuch

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 24.08.2014, 00:42

Links von uns ertönte eine Gitarre, seine Gitarre. Gestern war er noch in Österreich gewesen, und jetzt hier, vor 6000 Fans.
Uns wunderte es, wie viele Menschen in den Bus stiegen. Ein Pärchen, das direkt vor uns saß, trank Bier aus offenen Flaschen. Früher ein Privileg der Penner.
Die gehen alle zum Konzert, sagte Heike.
Vielleicht die letzte Gelegenheit, das schon alte Idol zu sehen.
Schon wieder einen Ton, er ist da und probt, irgendwo in diesem großen Park.
Wir steigen aus und suchen die Chattestrasse, wir haben einen Google Map mit uns, wollen Freunde, neue Freunde besuchen. Wir laufen die Chattestrasse runter bis zur Moritzstraße, wo unsere Freunde wohnen. Ich habe die ganze Zeit gehofft, den Anfang des Konzerts mit zu erleben bevor wir das Haus unserer Freunde erreichen, aber wir sind vorher da.
Mit dem Aufzug fahren wir zum vierten Stock, sie erwarten uns schon, führen uns gleich ins Wohnzimmer, wo der Tisch bereits gedeckt ist. Vorspeisen. Durch das große Glasfenster sehen wir etwas Fantastisches: den Rhein. Ich hatte das Gefühl, nach 40 Jahren den Rhein zum ersten Mal zu sehen.
Das Gleiche empfanden unsere Freunde, als sie zum ersten Mal die Wohnung besichtigten. Sie sahen den Rhein und wollten gleich die Wohnung haben, ohne sich vorher die anderen Räume anzuschauen.
Wir standen auf dem Balkon, die Musik konnte man jetzt sehr gut hören.
Mit großem Appetit aßen wir die Vorspeisen: grüne und schwarze Oliven, Salat, Dolmades.
Später fiel mein Blick auf ein altes Brockhaus Konversationslexikon. Das letzte Wort unter H war „Henares“.
Da ist Cervantes geboren worden, sagte ich zu Arno. Er schaute nach, aber da war nur von einem Fluss die Rede ...
Wir schauten dann unter „Alcalá de Henares“. In dieser kleinen Ortschaft, damals 30 Kilometer von Madrid entfernt, wurde Cervantes, und mit ihm Don Quijote geboren.
Arno arbeitet in einer psychiatrischen Klinik.
Zuletzt geändert von Klimperer am 25.08.2014, 11:51, insgesamt 2-mal geändert.

DonKju

Beitragvon DonKju » 24.08.2014, 10:35

hallo Carlos,

liest sich hübsch glatt herunter, zweimal fehlerteufelchen bei "das schon alte idol" und "google map", besonders gefälllt mir der schlenker zu cervantes sowie der lakonische schlusssatz ...

mit grüssen von den riesen der donkju

SanchoPanza

Beitragvon SanchoPanza » 25.08.2014, 10:28

Hi Carlos,
Wieder mal richtig gut und tief. Meine Motivation um Spanisch zu lernen war, dass ich Don Quijote im Original lesen wollte. Man sagte mir, dass Cervantes das reinste und hochwertigste Spanisch überhaupt geschrieben habe.
"un lugar, quyo nombre no quiero recordar". In der Volkshochschule wird das nicht mehr unterrichtet. Nun, eines Tages war es so weil. Ich las und las, und verstand sehr wenig. Das hätte mich auch fast in eine psychiatrische Klinik gebracht :-)
Gruss
Der Mann auf dem Esel

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 25.08.2014, 11:59

Hallo lieber DonKju!

Es freut mich sehr, dich mit meinen kleinen Geschichten zu unterhalten. Der Gedanke, dass jemand dabei schmunzelt, das ist es, was für mich wichtig ist.

Durch deine Korrekturen lerne ich besser Deutsch, was zu beherrschen ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint.

Sag mir biite ob das "Experiment" einigermaßen gelungen ist, du weißt, das Weglassen von Sachen, die so tief in uns sitzen, dass man, ohne sie ausdrücklich zu erwähnen, versteht.

I thank you
Carlos

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 25.08.2014, 12:10

Hola Kurt!

"En un lugar de la Mancha, de cuyo nombre no quiero acordarme..."

"An einem Ort der Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will..."

Einmal las ich in einer Fußnote, dass dieses "no quiero acordarme" damas als "no puedo acordarma", "ich kann mich nicht erinnern" zu verstehen war. So gesehen, lange Zeit hatte man diese Aussage Cervantes total falsch interpretiert.

Interessant ist auch, dass Don Quijote, bevor er stirbt, die Vernunft wieder erlangt, er stirbt "normal" also.

Ich sage gerne die Wahrheit: Ich habe das Buch nie zu Ende gelesen, obwohl es mir unheimlich gut gefällt, man kann dabei laut lachen. Früher mindestens... Vielleicht lese ich eines Tages das Buch durch.

Muchas gracias, Kurt, por leer y comentar mis pequeños escritos.

Espero que pases un buen d¡a.

Carlos


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