Notizen aus der Steiermark

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
scarlett

Beitragvon scarlett » 27.06.2012, 15:25

I, Mariatrost


Es ist heiß an diesem Tag. Stille säumt den kurzen ansteigenden Weg.
Zwei Häuser nur. Am Ende, rechter Hand, die Nummer vier.
Im Garten wuchert Sommer. Dunkelgrün und bunt. Von einem Eisentor bewacht, den Blicken dennoch preisgegeben.

Hier also hat sie einst gelebt. In diesem Haus, das einer Villa gleicht. Und das seit gut einem Jahrhundert baulich unverändert blieb. Die Ansichtskarte fällt mir ein, die sich vergilbt in einem Fotoalbum findet. Und ich vergleiche das verinnerlichte Bild mit dem, das meine Augen heute sehen. Es stimmt überein bis ins Detail.
Ein Lächeln streift von ferne mein Gesicht, als ich mich an die Randnotiz erinnere, die Großmutter damals der Karte beigegeben: unsere Villa steht da in krakeliger Kinderschrift.

Die Mauern atmen schattig. Die Fenster – eine andere Zeit. Klein und filigran bis hinauf unter das Dach sind sie, bestrebt, mehr zu verbergen als zu zeigen. Und teure Wärme nicht hinaus zu leiten.

Ob es wohl kalt war hinter diesen Steinen, wenn sich darauf der Winter legte? Wie kam sie bloß zur Schule, wenn Eis den abschüssigen Weg bedeckte? Die Straßenbahn nach Graz fuhr damals schon, doch bis zur Haltestelle war es weit.
Gab es für sie wohl Pferd und Kutsche?

Keiner wird das Tor mehr öffnen.
Und ich muss auskommen mit dem, was ich an Zuwendung und Wärme von Großmutter erhalten hab. Und weiter mit den Fragen leben.

Eine luftige Garage, wie man sie oft im Süden sieht, nicht viel mehr als ein überdachter Platz, schließt ab den Blümelweg. Dahinter öffnen sich die wilden Wiesen, geben frei den Blick auf das, was Großmutter gesehen hat. Die Wallfahrtskirche reckt ihre gelben Türme weit hinaus ins Blau. Postkartenblick. Und dennoch echt. Und wieder drängt ein anderes Bild aus der Erinnerung herauf: mit leichtem Pinselstrich in warmen Farben von der Jugendlichen festgehalten, stilisiert zum Aquarell.

Es zirpt und summt und flügelt. Kein andrer Laut stört die Idylle, nicht nur die Landstraße ist fern. Ich setze mich ins Grün, halt Zwiesprache für eine Weile. Mit Gräsern, Blumen und dem Wind. Und hör dazwischen plötzlich ihre Stimme, die aufsteigt aus dem Dunkel, das wohl ein jeder in sich trägt und das zuweilen aufbricht für Momente, wenn wir nur leicht den Schlüssel drehen im Schloss zum Tore der Vergangenheit.

Und unter steirischer Sonne begreife ich zum ersten Mal, warum sich Großmutter niemals zurückgesehnt, als sie mit Großvater in jenes ferne Land gezogen: sie fand dort eine Landschaft vor und eine Lebensform, die nahtlos passte zu der ihren.
Ganz viel /Maria/Trost in Siebenbürgen.


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Es ist heiß an diesem Tag. Stille säumt den kurzen ansteigenden Weg.
Zwei Häuser nur. Am Ende, rechter Hand, die Nummer vier.
Im Garten wuchert Sommer. Dunkelgrün und bunt. Von einem Eisentor bewacht, den Blicken dennoch preisgegeben.

Hier also hat sie einst gelebt. In diesem Haus, das einer Villa gleicht. Und das seit gut einem Jahrhundert noch unverändert steht. Die Ansichtskarte fällt mir ein, die sich vergilbt in einem Fotoalbum findet. Und ich vergleiche das verinnerlichte Bild mit dem, das meinem Auge heut sich bietet. Es stimmt überein bis ins Detail.
Ein Lächeln streift von ferne mein Gesicht, als ich die Randnotiz erinnere, die Großmutter damals der Karte beigegeben: unsere Villa steht da in krakeliger Kinderschrift.

Die Mauern atmen schattig. Die Fenster eine andere Zeit. Klein und filigran bis hinauf unter das Dach, sind sie bestrebt, mehr zu verbergen als zu zeigen. Und teure Wärme nicht hinaus zu leiten.
Ob es wohl kalt war hinter diesen Steinen, wenn sich der Winter darauf legte? Wie kam sie bloß zur Schule, wenn Eis den abschüssigen Weg bedeckte? Die Straßenbahn nach Graz fuhr damals schon, doch bis zur Haltestelle war es weit. Gab es für sie wohl Pferd und Kutsche?

Ein Hauch von Wehmut fliegt mich an, keiner wird das Tor mehr öffnen.
Und ich muss auskommen mit dem, was ich an Zuwendung und Wärme von Großmutter bekommen hab.

Ein Mattendach, das als Garage dient und zweifelsohne neuen Datums ist, schließt ab den Blümelweg. Dahinter öffnen sich die wilden Wiesen, geben frei den Blick auf das, was Großmutter gesehen hat. Die Wallfahrtskirche reckt die markanten Türme weit hinaus ins Blau. Postkartenblick. Unverfälscht. Und wieder drängt ein anderes Bild aus der Erinnerung herauf: mit leichtem Pinselstrich und warmen Farben von der Jugendlichen festgehalten, stilisiert zum Aquarell.

Es zirpt und summt und flügelt. Kein andrer Laut stört die Idylle, nicht nur die Landstraße ist fern. Ich setze mich ins Grün, halte Zwiesprache für eine Weile. Mit Gräsern, Blumen und dem Wind. Und hör dazwischen plötzlich ihre Stimme, die aufsteigt aus dem Dunkel, das wohl ein jeder in sich trägt und das zuweilen aufbricht, für Momente, wenn wir nur leicht den Schlüssel drehen im Schloss zum Tore der Vergangenheit.

Und unter steirischer Sonne begreife ich zum ersten Mal, warum sich Großmutter niemals zurückgesehnt, als sie mit Großvater in jenes ferne Land gezogen: sie fand dort eine Landschaft vor und eine Lebensform, die nahtlos passte zu der ihren.
Ganz viel /Maria/Trost in Siebenbürgen.




/c/ monika kafka, 06/12
Zuletzt geändert von scarlett am 02.07.2012, 08:03, insgesamt 5-mal geändert.

scarlett

Beitragvon scarlett » 29.06.2012, 21:38

na denn ...

habt dank für die großzügig verteilten kritikpunkte.
ich fühl mich sauwohl dabei, zeigt mir das doch, dass etwas dran ist an meinem text.
das zwanghafte suchen nach der nadel im heuhaufen hat sich also gelohnt.

eines vorneweg:
dies ist keine kurzprosa im üblichen sinne, und sie will es nicht sein, falls es diesen hinweis noch brauchen sollte, es gibt keinen plot und kein maus-schema, nach dem man zu schreiben hat, keine entwicklung von charakteren oder was auch immer, also all das, was man üblicherweise in einem schreibseminar lernt.
es ist eine lyrische kurzprosa, die anderen gesetzmäßigkeiten folgt, genau so, wie eine prosalyrik keine "normale" lyrik ist.
und da ist es legitim, etwa hilfsverben weg zu lassen, um dadurch die sprache zu rhythmisieren, oder kausalitäten außer acht zu lassen, weil es auf den sinnlich erfahrbaren eindruck ankommt, die atmosphäre.
insofern seid ihr, flora und nifl, sicher nicht die richtigen adressaten für meinen text, weil ihr eine grundsätzlich andere herangehensweise an eine prosa habt als ich.

ich will dennoch nicht undankbar sein, weil der ein oder andere hinweis sprachlicher natur, den du, nifl, gebracht hast, ist sicher eine überlegung wert und ich werde da in mich gehen. hab dank dafür.

aber grundsätzlich wird sich an diesem text nix ändern, weil er stimmig ist, genau so wie er dasteht.

nach einem zehn stunden tag kann und mag ich jetzt auch nicht auf die einzelheiten eingehen, ich hoffe da schon auf euer verständnis, aber diesen einen einwand mit der wehmut und der tür, die keiner mehr öffnen wird, den möchte ich doch noch mal ansprechen, zeigt er mir doch deutlich, dass da ein nicht-verstehen /wollen?/ vorliegt: es geht doch nicht um die reale tür, die ist doch metaphorisch zu deuten, weil natürlich leben in dem haus andere menschen, es geht um die tür zur erinnerung/vergangenheit, darum, dass das ich an dieser stelle bedauert, dass keiner mehr die fragen beantworten wird. na warum wohl? - weil es vielleicht keinen mehr gibt, der das könnte?
seltsamerweise verstehen andere diese stelle genau richtig.

und den schluss, nifl, wie kann man den nur so verdrehen?

für den zuspruch aller anderen freu ich mich natürlich, habt dank, ja, ich denke,m dass ihr so verstanden habt, wie ich mir das gedacht habe.
und ich weiß, dass der text funktioniert, dass er etwas bewirkt, man muss sich nur von den gängigen vorstellungen "prosa" lösen.

dies ist eine art zu schreiben und es ist meine art!

liebe grüße,
scarlett/monika

p.s. @ diana: ich werde die stelle, die du nochnals angesprochen hast, wieder ändern, sie war richtig in der ursprungsversion, hab dank für die rückmeldung.

@ renée: wir sprechen darüber, ich ruf dich an.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 30.06.2012, 11:27

liebe scarlett,

ich möchte gern auch noch etwas zu diesem text, der mir insgesamt recht gut gefällt, schreiben. ich kann erkennen, dass bei dieser art spurensuche eine menge emotionen im spiel sind und sich (beim schreiben) innerlich ganz viel bewegt.
das finde ich spannend. ich denke auch, dass mehrere dieser texte eine facettenreiche reihe ergeben können.

dennoch bin ich ehrlich gesagt froh, dass der faden neben den vielen komplimenten auch kritische stimmen enthält. ich glaube, es lohnt sich, die eine oder andere anmerkung mal näher unter die lupe zu nehmen.

auch wenn du bereits angedeutet hast, den text so zu belassen, von mir noch dies:

- "Im Garten wuchert Sommer. Dunkelgrün und bunt. Von einem Eisentor bewacht, den Blicken dennoch preisgegeben."

hier finde ich, dass die metapher nicht durchgehend funktioniert. wuchernder sommer lasst sich in meiner vorstellung nicht bewachen wie ein haus.

- "Die Mauern atmen schattig. Die Fenster eine andere Zeit. Klein und filigran bis hinauf unter das Dach, sind sie bestrebt, mehr zu verbergen als zu zeigen. Und teure Wärme nicht hinaus zu leiten. "

"mauer" ist für mich ein wuchtiges wort. ein wort für etwas stabiles. "klein und filigran" kriege ich nicht unter den mauerbegriff.

- "Ein Mattendach, das als Garage dient und zweifelsohne neuen Datums ist, schließt ab den Blümelweg. "

das verstehe ich, im gegegsatz zu vorkommentatoren. ich glaube, ich habe sowas schon in südlichen ländern gesehen. vielleicht würde es helfen, wenn du "schilfmattendach" schriebest?

lga

@ alle (und nicht unbedingt nur auf diesen ordner bezogen, eher eine beobachtung der letzen wochen und monate)

ich fände wirklich schade, wenn in den einzelnen rubriken jubelrufe und lobpreisungen überwögen und sachliche textarbeit und höflich formulierte kritische anmerkungen abgelehnt würden.
außerdem möchte ich an dieser stelle einmal zu bedenken geben, dass es vielleicht auf außenstehende (und vor allem einsteiger!)befremdlich wirken könnte, dass man anreden wie "liebste" wählt und von hinweisen aus dem "off"
schreibt, telefonate ankündigt und persönliche besuche. wir haben das, vor allem in der anfangszeit des forums, schon oft diskutiert. es ergeben sich persönliche beziehungen und freundschaften und enge bindungen und so weiter. alles klar und gut! dennoch scheint mir, dass diese art anmerkungen in pns besser aufgehoben wären, denn es entsteht sehr schnell der eindruck eines elitären, verschworenen zirkels, der im eigenen saft schmort und schmoren will.

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leonie
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Beitragvon leonie » 30.06.2012, 13:04

Ich schließe mich allerleirauhs Kommentar an, insbesondere auch den kritischen Anmerkungen am Ende.

Etwas möchte ich noch ergänzen: Für mich, scarlett, hast Du Dich mit Deinem Schreiben in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt.
In diesem Text aber, so scheint mir, versuchst Du manches zu erzeugen, was sich von selber einstellen könnte. Mir scheint es dadurch auch etwas "zuviel" des Guten. Die Grundstimmung droht dann zu kippen. Ich würde auch unbedingt zum "Entschlacken" raten. Zum Beispiel die "Wehmut"-Stelle: Nein, das muss nicht benannt werden. Das ist im Subtext so deutlich. In der Grundstimmung.
Auch manche Satzstellungen empfinde ich da einfach als zuviel, als zu gewollt. Der Text kann das alleine. Ich würde die "Ornamente" reduzieren. Ich glaube, das Bild im Leser oder der Film sogar, könnte dann eher entstehen.

Liebe Grüße

leonie

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 30.06.2012, 14:02

Off Topic
Aus dem Abseits:

ich bin für Kritik und gegen Lobhudelei. Ich habe Kritik immer akzeptiert, sogar, wenn ich sie ungerecht fand -- Kritik bleibt der beste Coach.

Nur muss man auch die Kritik, die man am andern übt verkraften, d.h. ein klein wenig auf die Gegenreaktion eingehen können. Für mich gab es hier unterschiedlich formulierte Kritik an dem Text. Objektive, subjektive, stark emotionale Kritik. Ich mag mich auch in meiner Einschätzung getäuscht haben, --- solche Äußerungen sollten von Leuten,, die seit Jahren dabei sind, verkraftbar sein.

Ein elitäres Grüppchen kann auch ich wahr nehmen. Und wenn auch Telefonate nicht angekündigt werden, spürt man doch die im Hintergrund stattfindende Diskussion. Das gerade, das Nicht-Dabei-Sein das habe ich einigermaßen akzeptiert. Es gibt eine In- und eine Out(er)-Gruppe. Die Moderatoren diskutieren untereinander. Die Leitung - von der man nicht weiß, wann sie tagt, welche Beschlüsse sie fasst, welche Themen sie diskutiert, diese Leitung akzzeptieren wir - alle - glaube ich. Wenn sich minoritär ein paar Leute guten Tag sagen ändert das nichts an den Grundstrukturen, die Netz-Strukturen sind und die zu untersuchen woanders Raum sein könnte ..

Ich will an keinem der Punkte rütteln, da ich sehe, dass es so einigermaßen gut funktioniert. Nur sollte jeder Beteiligte auch mal nachschauen, ob er/sie nicht selbst mal einen winzigen Kommunikationsfehler macht. Denn es ging hier um letzteres mehr als um die Textkritik, die wird, glaube ich, angenommen.
lGR

eve
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Beitragvon eve » 30.06.2012, 15:30

Textkritik MUSS angenommen werden, dazu dient doch dieses Forum vor allem. Soweit ich das erfühlen kann, wurde auch in diesem Fall die ernsthaft und sachlich formulierte Kritik angenommen, überlegt, auf ihre Tauglichkeit überprüft. Unnötig schneidend Formuliertes aber abgeschüttelt. Zu Recht, will mir scheinen.
So, wie man kritisieren soll/darf muss andererseits natürlich auch gestattet sein, einen Text einfach schön zu finden und das auch zu sagen. Das ist dann nicht Lobhudelei, sondern so empfunden. Dass nicht jeder auf jeden Stil in gleichem Maß "anspringt" ist ja klar, glücklicherweise gibt es Vielfalt im Tun und auch im Aufnehmen.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 30.06.2012, 16:40

also, um noch einmal deutlich zu werden: nifl niflt sich durch den text (was ja auch durchaus eine wertschätzung bedeutet), nicht, ohne vorher zu bemerken, dass nicht alle seine anmerkungen für die goldwaage bestimmt sind. er bekommt anschließend in der diskussion textverdrehung, fehlende selbstkritik (???) und (emotionale) irritation (???) bescheinigt. das finde ich schon ein wenig merkwürdig.

@ eve: ob man textkritik annehmen muss, weiß ich nicht. ich denke, man kann bestimmte hinweise überdenken oder auch umsetzen, sofern man konform geht. "unnötig schneidend formuliertes" kann ich im faden nicht entdecken.

eve
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Beitragvon eve » 30.06.2012, 17:09

ich meinte mit annehmen nicht unbedingt umsetzen, sondern sich damit beschäftigen.

von textverdrehung hat scarlett völlig zu recht gesprochen - schließlich ist doch ganz klar, dass die großmutter in der steiermark aufgewachsen, dann aber als verheiratete frau nach siebenbürgen gekommen war. auch in einem anderen kommentar ist eine verdrehung des sinns erfolgt - klein und filigran bezog sich ganz offensichtlich auf die fenster und nicht auf die mauern, wurde also auch zu unrecht bemäkelt.

"unnötig schneidend"... na ja, auch da gibt es eben unterschiede im empfinden. dabei möchte ich es jetzt belassen, schließlich geht es mich nicht persönlich an.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 01.07.2012, 00:02

Hallihallo, an scarlett und alle,

ich melde mich auch noch kurz zu Wort! Für mich treffen hier zwei "Stränge" aufeinander:

Das Thema und die lyrische Art der Prosa mögen Geschmackssache sein - da geht kaum Kritik (die nützlich ist und nicht nur ins Innere trifft),

während ich auch ein paar Ungenauigkeiten in der Formulierung finde und mich daher einigen Vorrednern anschließe. Exemplarisch sei genannt: Und das seit gut einem Jahrhundert noch unverändert steht. Das lese ich als (ungewollte) "Behauptung", die mir den Text fast kaputtmacht: Ein Haus bleibt - so oder so - nie unverändert in hundert Jahren: Entweder es ist verwittert (in Teilen jedenfalls) oder es wurde renoviert.

scarlett, wenn Du schreibst "Dies ist meine Art zu schreiben", dann meinst Du hoffentlich die lyrische Prosa (die ich sehr mag, schon klar :); denn ein paar Kleinigkeiten von denen, die hier genannt wurden, solltest Du wirklich noch auswetzen, es wäre schade, wenn sie den Lesegenuss weiterhin stören.

scarlett

Beitragvon scarlett » 01.07.2012, 14:24

hallihallo in die runde,

nach drei irrsinnig langen anstrengenden arbeitstagen kann ich mich wieder den wirklich wichtigen dingen des lebens widmen :-)

zwei dinge vorneweg:

natürlich sind hier kritikpunkte in unnötig schneidender art und weise vorgebracht worden und das wissen alle, selbst die, die sie so formuliert haben, nicht wahr?
egal, ich kann mitunter sehr großzügig sein, selektiv lesen und mir hin und wieder auch mein teil denken.

zum anderen hab ich mich von anfang an für die meinem text entgegengebrachte wertschätzung bedankt, ich habe nicht alles in bausch und bogen verurteilt, mir aber sehr wohl das recht herausgenommen, zu sagen, dass ich grundsätzlich am text nichts verändern werde.

so, und jetzt zur textarbeit.

ich werde abschnittsweise vorgehen:

Es ist heiß an diesem Tag. Stille säumt den kurzen ansteigenden Weg.
Zwei Häuser nur. Am Ende, rechter Hand, die Nummer vier.
Im Garten wuchert Sommer. Dunkelgrün und bunt. Von einem Eisentor bewacht, den Blicken dennoch preisgegeben.


sicher kann ein eisentor nicht den sommer bewachen, aber so ein wenig vermittelt es hier doch die vorstellung, dass das wuchernde grün im zaum gehalten wird, nicht nach draußen schwappt.

Hier also hat sie einst gelebt. In diesem Haus, das einer Villa gleicht. Und das seit gut einem Jahrhundert baulich unverändert blieb. Die Ansichtskarte fällt mir ein, die sich vergilbt in einem Fotoalbum findet. Und ich vergleiche das verinnerlichte Bild mit dem, das meine Augen heute sehen. Es stimmt überein bis ins Detail.
Ein Lächeln streift von ferne mein Gesicht, als ich mich an die Randnotiz erinnere, die Großmutter damals der Karte beigegeben: unsere Villa steht da in krakeliger Kinderschrift.


das unverändert stehende haus- einer der kritikpunkte.
ich hab es jetzt anders formuliert, um deutlich zu machen, dass sich baulich nichts verändert hat.
es gibt keine solaranlage, keine verglasten rundumpavillons, keine ausgebaute dachterasse, usw. - was durchaus im laufe von hundert jahren hätte geschehen können.

dass es nur beinah eine villa ist und was der leser damit anfangen kann, mit diesem hinweis, das hat renée wunderbar auf den punkt gebracht.

damit hängt auch direkt dieses lächeln zusammen, weil das selbstbewusstsein, mit dem das kind diese randnotiz schrieb, liebenswürdig erscheint, etwas fehleinschätzung schwingt mit.

keine weiteren details, weil der text genügende bietet, aus denen sich ein bild ergeben kann, wenn man denn will ...

die angemerkten sprachlichen dinge in diesem abschnitt: das "etw. erinnern" - ausgemerzt, da nicht standardsprachlich; das "sich finden in" bleibt, da dudenkonform.

Die Mauern atmen schattig. Die Fenster eine andere Zeit. Klein und filigran bis hinauf unter das Dach sind sie bestrebt, mehr zu verbergen als zu zeigen. Und teure Wärme nicht hinaus zu leiten.


wieso die mauern hier nicht so passen sollen, versteh ich nicht. gerade sie sind es, die durch ihre wuchtigkeit die fenster erstrecht klein und filigran erscheinen lassen.
und nein, die tatsache, dass sie bis unter das dach reichen/gehen, heißt nicht zwingend, dass sie groß sind, sondern viele! viele kleine.

Ob es wohl kalt war hinter diesen Steinen, wenn sich darauf der Winter legte? Wie kam sie bloß zur Schule, wenn Eis den abschüssigen Weg bedeckte? Die Straßenbahn nach Graz fuhr damals schon, doch bis zur Haltestelle war es weit.
Gab es für sie wohl Pferd und Kutsche?


man lebt doch hinnter den mauern, oder? deshalb hinter diesen steinen/steinmauern.
und mir gefällt die vorstellung, dass sie die kälte auf sie legt, sie durchdringt. ich sehe darin nichts verkehrtes.
ob die wege tatsächlich gestreut wurden? keine ahnung. ein weg, in dem es nur zwei anwesen gibt? keine ahnung, dehalb stellt sich das li ja auch diese fragen ...
und natürlich geht es nicht darum, mit pferd und kutsche zur straßenbahnhaltestelle gebracht zu werden sondern womöglich bis zur schule gefahren zu werden ...
wer sich in mariatrost um 1900 niederlassen konnte, muss schon etwas geldig gewesen sein, zumindest wenn ich dem alten bildband mit originalfotografien glauben schenken darf ... also ist die vorstellung vom eigenen gefährt nicht abwegig.

Keiner wird das Tor mehr öffnen.
Und ich muss auskommen mit dem, was ich an Zuwendung und Wärme von Großmutter erhalten hab. Und weiter mit den Fragen leben.


die harry pottersche flugwehmut - ja ja, sie ist raus. wie von zauberhand verschwunden.
ob es so tatsächlich besser ist?
dass sich hinter dem tor mehr verbirgt als .... na ja, das sagte ich bereits.

Eine luftige Garage, wie man sie oft im Süden sieht, nicht viel mehr als ein überdachter Platz, schließt ab den Blümelweg. Dahinter öffnen sich die wilden Wiesen, geben frei den Blick auf das, was Großmutter gesehen hat. Die Wallfahrtskirche reckt ihre gelben Türme weit hinaus ins Blau. Postkartenblick. Und dennoch echt. Und wieder drängt ein anderes Bild aus der Erinnerung herauf: mit leichtem Pinselstrich in warmen Farben von der Jugendlichen festgehalten, stilisiert zum Aquarell.


das mattendach, die garage ... nun denn, ich hab versucht, es anders zu formulieren- obs klarer geworden ist?

großmutter hat das gesehen- und nicht "muss das gesehen haben" - das beweist u a das aquarell, eines von vielen bildern, das sie gemalt hat, von graz, von mariatrost ...


Und unter steirischer Sonne begreife ich zum ersten Mal, warum sich Großmutter niemals zurückgesehnt, als sie mit Großvater in jenes ferne Land gezogen: sie fand dort eine Landschaft vor und eine Lebensform, die nahtlos passte zu der ihren.
Ganz viel /Maria/Trost in Siebenbürgen.


die erinnerungen an den großvater haben hier nix verloren, ihnen ist dann graz vorbehalten ...
mariatrost war der ort der großmutter, bevor sie mit ihrem mann dann später nach siebenbürgen gegangen ist.
ich glaube, dass das schon sehr klar und deutlich ist.

so, ich sag ganz herzlich danke allen, die sich hier zuweilen auch mit herzblut eingebracht haben.

sollte der eine oder andere, die eine oder andere noch wollen, würd ich mich freuen, vor allem zur mattendach-sache eine rückmeldung zu bekommen.

sonnige sonntagsgrüße,
scarlett/monika

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Beitragvon allerleirauh » 01.07.2012, 15:17

hallo, ich nochmal zu diesem mauer/fenster-abschnitt:

"Die Mauern atmen schattig. Die Fenster eine andere Zeit. Klein und filigran bis hinauf unter das Dach, sind sie bestrebt, mehr zu verbergen als zu zeigen. Und teure Wärme nicht hinaus zu leiten. "

für mich bleiben die sätze immer noch sperrig. ich will versuchen zu erklären, warum.

zunächst ist von mauern die rede, die schattig atmen. schönes bild übrigens. dann folgt der satz "Die Fenster eine andere Zeit." rein syntaktisch ist der satz kein satz, weil das prädikat fehlt. um die ellipse verständlicher zu machen, würde ich vielleicht einen bindestrich setzen: "Die Fenster - eine andere Zeit." oder aber noch ein prädikat einfügen. z.b.: "die fenster öffnen sich in eine andere zeit." oder "die fenster blicken in eine andere zeit." whatever.
im satz "klein und filigran..." könnte man vielleicht ein "gearbeitet" ergänzen ... wenn sich dann ein genaueres bild ergibt. ("filigran gearbeitet und bis hinauf unters dach angeordnet/reichend...")
der letzte kleine wärmesatz ließe sich anschließen. vielleicht.

a.

scarlett

Beitragvon scarlett » 01.07.2012, 17:43

hallo,

ja, das mit dem bindestrich ist eine gute idee, das werd ich übernehmen.

im folgenden satz allerdings sehe ich die notwendigkeit nicht.

scarlett

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Beitragvon Amanita » 01.07.2012, 18:27

Zum Mattendach wolltest Du was wissen? Ich kannte es nicht, und es störte mich überhaupt nicht! Für mich vermittelte es schlicht ein Provisorium, einen architektonischen Bruch, hübsch-hässlich ...

Die Mauer und die Fenster waren und sind allerdings wirklich ein "Problem" auch für mich. Ich habe es so verstanden, dass die Mauern Fenster in eine andere Zeit sind. Und dass sie - folglich - die filigranen Konstruktionen (bis zum Dach) sind. Die Überleitung Mauern - Fenster finde ich nicht so glücklich. Und dass es viele sind, "sehe" ich auch nicht, auch wenn der Zusammenhang zum filigranen Eindruck durchaus logisch klingt. - Für mich eine Stelle, die "eigentlich" schön ist, sein könnte, die aber doch noch ein wenig hakelt (siehe mein Statement oben).

scarlett

Beitragvon scarlett » 01.07.2012, 18:34

aha ...

also die stelle mit dem mattendach nun verschlimmbessert???
nee nee nee, das glaub ich nicht wirklich, oder?

zum rest- da bin ich jetzt einfach mal sprachlos, sorry ... und stumm.
ich versteh das echt nicht, diesen einwand, nehm ihn aber ernst.

hab dank, amanita.

scarlett

Beitragvon scarlett » 01.07.2012, 18:44

also noch mal ... /nein, ich bin nicht stumm/:

die mauern atmen schattig.
die fenster /atmen/ eine andere zeit.
/sie sind/ klein und filigran bis hinauf unter das dach /d. h. nicht nur die obersten, die ja von haus aus immer kleiner sind, dachfenster eben/, sind sie bestrebt, mehr zu verbergen als zu zeigen. und teure wärme ...
letzteres ist schließlich der grund dafür, dass diese fenster eine andere zeit atmen, aus einer zeit stammen, in der fenster nicht unbedingt groß waren ...

also ich weiß ja nicht, bin ich jetzt vollkommen deppert??? betriebsblind???
wieso ist das nicht verständlich?


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