Vom Sterben

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.05.2009, 12:01

Vom Sterben

Mit Schläuchen und grünen Zacken auf Monitoren unterm Neonlicht verbunden. Zu schwach schon (oder zu feige oder zu blöde), sie herauszureissen mitsamt den Infusionsnadeln und den lebenserhaltenden Flüssigkeiten (da scheißt der Hund drauf!). Schlafloses Dämmern, Tränen in den Augen der Besucher, die insgeheim hoffen, es möge endlich abgetreten werden (sie wollen gern ihr Leben wieder aufnehmen, verständlich, denn Hilfe gibt es nicht mehr oder Besserung).

Nein!

Auf einem Moosteppich im Nadelwald. Sich ausstrecken, den Himmel und die Wipfel sehen, die ihn berühren. Vogelkonzert in der Kathedrale. Der Wind Dirigent des rauschenden Orchesters. Dort, ja dort sollen mir die Augen brechen, das Herz stille stehen.


by ELsa
Schreiben ist atmen

Herby

Beitragvon Herby » 13.05.2009, 13:26

Liebe Elsa,

eine schwere und schwierige Thematik, die auf den ersten Blick so gar nicht zur Stimmung des sog. "Wonnemonats" Mai und des Frühlings passen will.

Der erste Teil greift eine Urangst des Menschen vor einem qualvollen Sterben auf und schildert eine vielfache Realität, der du dann einen daraus resultierenden sehr eigenen Wunsch(traum) gegenüber stellst, den jeder Leser sicher individuell unterschiedlich träumen wird.

Zwei kleine sprachliche Anmerkungen noch: Ich frage mich, ob "zu blöde" in der zweiten Zeile das richtige Wort für das Herausreißen von Infusionsnadeln und -schläuchen ist. "Schwach" ja, "feige" sicherlich, aber "blöde" scheint mir in diesem Zusammenhang und in dieser Reihung doch unpassend zu sein.
Was mich am zweiten Teil etwas stört, ist das Pathos des letzten Satzes (Wiederholung > dort, ja dort, >stille statt still), der sich damit aus dem Text heraus hebt. Absicht oder Zufall?

Das ist ein Text, der das Thema weder philosophisch noch esoterisch noch religiös, sondern auf sehr persönliche Weise behandelt.

Lieben Gruß
Herby

Yorick

Beitragvon Yorick » 13.05.2009, 14:52

Was für ein bösartiger Text. Beeindruckend.

Sterben soll ja was ganz besonderes sein, ne. Erst recht, wenn das Leben schon scheiße war, so soll doch wenigstens der Tod a bisserl was hermachen. Man hat ja schließlich ein Recht darauf!

Erst dieses rotzige, trotzige, mürrische Art mit den Restleben umzugehen, dann dieses pathetisch voll aufgeladene Bild von einem brechenden Auge auf einer Lichung, das Ende neben Siegfried und Barbarossa. So soll es sein, im Hintegrund ein röhrender Hirsch, Taube + hl. Gral.

Bösartiges Spiel mit Anspruch und Wirklichkeit.

Toll.

Grüße,
Yorick.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.05.2009, 14:59

Liebe Elsie,

zwiespältig lese ich deine Zeilen. Ein für mich zu persönlicher Text, der ausdrückt, was sich viele wünschen. Zudem 1:1 geschrieben. Es spricht m.E. nichts dagegen, etwas 1:1 zu schreiben, doch bei diesem Thema wünschte ich mir etwas mehr Abstand und auch Verdichtung. Mehr in Andeutungen, nicht so auserzählt geschrieben, damit, soweit es überhaupt möglich ist, noch Spielraum für den Leser bleibt. Ich würde es hier zudem mit lyrischer Setzung anstelle von Fließtext versuchen.
Soweit mein erster Eindruck.

Saludos
Mucki

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.05.2009, 15:23

Liebe Elsie,

mir geht es wie Mucki. Ich finde den Text auch zu sehr 1:1 geschrieben. Die Bilder, die Du unten beschreibst (Teppich, Konzert, Orchester, etc. gefallen mir, der letzte Satz ist mir eine Spur zu pathetisch.

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.05.2009, 08:39

Zuerst, vielen Dank für die Reaktionen!

Lieber Herby (schön, dich hier wieder zu haben!)
Vielleicht ist der Wonnemonat für sowas nicht richtig, aber es hat mich eben jetzt beschäftigt. Bestimmt hat jeder andere Visionen vom Sterben, aber ich fragte viele Menschen im Umfeld, die mir bestätigten, dass sie keinesfalls so, wie im 1. Teil beschrieben, das Zeitliche segnen möchten.
Ich frage mich, ob "zu blöde" in der zweiten Zeile das richtige Wort für das Herausreißen von Infusionsnadeln und -schläuchen ist.
Ich finde schon, weil es Einblick in die Ohnmacht gibt, die doch oft zur Wut auf sich selbst führt.
das Pathos des letzten Satzes (Wiederholung > dort, ja dort, >stille statt still), der sich damit aus dem Text heraus hebt. Absicht oder Zufall?
Absicht, pure Absicht!


Liebe Mucki, liebe leonie,
Pathos ist oben schon bestätigt worden. Zum 1:1 kann ich nur sagen, warum sollte ich einen Prosatext verklausulieren? Das verstehe ich nicht ganz :12:
Wäre es Lyrik, würde ich es anders sehen können. Nein, Mucki, es kann nur Prosa sein.

Lieber Yorik, dein Komm. ist so, wie ich diese Zeilen haben wollte, genau.

Ich danke euch herzlich,
ELsa
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