Nicht wie immer, aber immer wieder

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
david h.

Beitragvon david h. » 31.01.2009, 14:30

Nicht wie immer, aber immer wieder


Sich selbst zu finden in der andauernden Karussellfahrt von unkontrollierten Ereignissen.

Alfred spielt Lego. Zwar ist er kurz vor seinem Abitur, doch Lego das mag er noch.
Laura masturbiert.
Alfred fragt sich wie sie dabei aussieht. Er nimmt ein Blatt, will zeichnen. Kann es aber nicht.
Ein zweiter Versuch.

Es riecht nicht gut. Sie legt ihren Kopf auf meine Knie. Wir sind auf einer Bank, irgendwo in Berlin.
Schau mich nicht so komisch an. Tu ich gar nicht. Doch.
Jemand unwichtiges, der in diesem Moment nichts verloren hat, kommt, nimmt sie mir weg.

Das Telefon vibriert in meiner Tasche, zu spät. Jemand dachte an mich, leider zu kurz.
Liegend sehe ich meine Decke, stelle mir vor es wäre eine Leinwand. Spucke hinauf.
Du denkst du bist Künstler, weil du ein Ei gegen die Wand schmeißt?
Bin ich einer von ihnen? Oder nur so ein unwichtiges y im Alphabet.

Ich möchte die Welt traurig machen. Der Mülleimer sammelt meine Gedanken. Sie muss ihren Kopf hineinstecken um zu wissen, was ich sagen will.


Alles läuft irgendwie. Der Smalltalk beginnt.
Robert zeigt mir immer seine neuste Musik.
In meinem Leben bringt es mich nicht weiter.
So viel Unnötiges wird getan. Zeit wird weggeworfen, als könnte man sie recyceln.

Nachts fühle ich den Sinn.
Wozu einen Sinn sehen, wenn der Sinn keinen Sinn hat?

Ich stelle meinen Wecker, wache auf, gehe wieder.

DonKju

Beitragvon DonKju » 01.02.2009, 12:26

Hallo David,

dein Text wirkt auf mich irgendwie wie die bloße Aneinanderreihung loser Gedanken ohne einen wirklichen roten Faden oder habe ich den etwa bei den Sprüngen nur verloren ? Vielleicht mal mit ein paar "unkontrollierten Ereignissen" weniger probieren ?

Fragende Grüße sendet Hannes

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 03.02.2009, 16:50

Einzelne Sätze leuchten auf und kurz sehe ich Muster, die wieder zerfallen.
Das gefällt mir durchaus,
doch könnte es dichter sein,

viele Grüße
Ben

david h.

Beitragvon david h. » 04.02.2009, 21:50

@ Hannes: nun was soll ich dir sagen, ich wollte diesen text so haben bzw. er ist einfach so ohne roten faden ohne pointe einfach so, geschrieben.

@ Ben: dankeschön, mit der dichte werde ichs mal weiter probieren.

gruß
david

Nicole

Beitragvon Nicole » 05.02.2009, 09:00

Hallo David,

Du schreibst:
er ist einfach so ohne roten faden ohne pointe einfach so, geschrieben.


Heißt, er ist eine Schreibübung?

Nicole

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 05.02.2009, 13:20

Ich denke mal, man kann von oben vom Kopf her schreiben oder tiefer ansetzen, ohne konzept, der Intuition folgend,

das erste hat seine Berechtigung, das Interessantere ist das Letzte,

man folgt den Spuren seiner selbst in der Tiefe ohne Kalkül,

mfg
Ben

Nicole

Beitragvon Nicole » 05.02.2009, 14:46

Hi Ben,
klar, "Bauchschreiben" ist interessant und spannend. Mache ich auch oft - aber das ist m.E.n. nichts, was ich in der Form einem Leser präsentiere. Wenn ich mich sortieren möchte, dann fange ich an zu schreiben, in einer ähnlichen Form, als eine Art emotionale Denkhilfe...
Wenn ich etwas "veröffentliche", dann ist dies ja für den Leser bestimmt. Dann sollte ich ihm irgendetwas bieten, sei es einen roten Faden oder eine transportierte Stimmung, etwas, das eben auch unabhängig von mich funktioniert.
Damit, wenn ich Dich zitieren darf, der Leser auch etwas davon hat, wenn ich meine Spuren in der Tiefe ohne Kalkül verfolge.

Gruß, Nicole

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 05.02.2009, 20:17

Hallo Nicole, die Ausrichtung auf einen Leser korrumpiert jede Kunst,

"etwas bieten zu wollen" etc, führt ins Abseits.

Kunst ist für mich jenseits eines Marktes von Angebot und Nachfrage.

Diese Einstellung ist für mich bourgeois und nicht zu tolerieren, höchstens wenn es nur um Unterhaltung geht,

Gruß Fux

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.02.2009, 21:04

Man kann ja auch Texte bewusst ohne roten Faden schreiben (...) - warum soll das nicht sowohl auf intuitive als auch konzipierte Weise geschehen? Meine Beurteilung findet da anders statt:

Dieser ewige Streit, ob nun die rein intuitiv aus dem Bauch heraus oder die bis ins Detail durchkonzipierte die richtige Schreibvorgehensweise ist, ist glaube ich müßig. Es führt immer zu Streit, weil beide auf Extrempunkten beharren, die es beide nicht allgemein sinnvoll zu verteidigen gibt. Beide können dabei "bourgeois" sein, denn auch die Künstlerseite missbraucht inzwischen oft das Kunst ist autark-Argument an stellen, an denen einfach keine richtige Auseinandersetzung/Mühe stattgefunden hat, weil solche erkämpften Grundrechte (die wichtig sind!), die kritische Seite oft totsprechen können. Das ist dann auch fahrlässig - gegen die eigene Zunft! Oft ist es aber auch umgekehrt und die (auch polemische) Verteidigung wichtig! Ich denke allerdings nicht, dass Nicole hier kommerzielle Ansprüche geltend machen wollte.

Aber sich da so generell zu streiten, führt nur zu Entfernung.

Meiner Meinung nach muss die Frage pro Einzeltext diskutiert werden und nicht generell - funktioniert ein bestimmter Text, dann war die wie auch immer geartete Herangehensweise (ob nun intuitiv oder reflexiv) die richtige, und sonst eben nicht. Dann kann man sich immer noch streiten, wenn sie bei einem funktioniert und beim nächsten nicht - aber dann eben anhand dieses Textes! Sonst spricht man meines Erachtens ins Leere.

Betrachte ich diesen Einzeltext hier, so gefallen mir sehr viele Passagen - der Text ist im gelungenem (Räume schaffendem) Sinne frei, für die Lücken ist genug Stimmung erzeugt, dass ich mir etwas in ihnen evozieren kann, von dem ich denke, dies ist wahr/getroffen/aufgezeigt und nicht merke, dass ich das aus mir selbst erhebe - dank dieses Textes. Als könnte man eben für einen Moment bewusst spüren: Ja, so ist die Welt - wie einen reflektiert wahrgenommenen Geruch - ein Zauber also. Mir verlangt also (bis auf unten genannte Details) grundsätzlich nicht nach mehr Struktur.

Details:

Nicht wie immer, aber immer wieder


Sich selbst zu finden in der andauernden Karussellfahrt von unkontrollierten Ereignissen.

ob Karusselfahrt das richtige Bild ist, bezweifle ich - das dreht sich doch immer im Kreis?

Alfred spielt Lego. Zwar ist er kurz vor seinem Abitur, doch Lego Komma das mag er noch.
Laura masturbiert.
Alfred fragt sich Komma wie sie dabei aussieht. Er nimmt ein Blatt, will zeichnen. Kann es aber nicht.
Ein zweiter Versuch.



Die Überschrift würde ich abändern - ich muss immer an "Nicht immer, aber immer öfter" denken - das finde ich nicht so passend, obwohl es sogar beabsichtigt sein könnte .-). Ich finde den Titel auch nicht so poetisch gelungen, dass ich ihn unersetzlich oder besonders wichtig finde für den Text`?

Dann finde ich es noch seltsam, dass plötzlich in die Ich-Perspektive gewechselt wird und nicht wieder zurück oder mehrere Wechsel stattfinden - da verliere ich dann die Orientierung, wozu das?

Soweit meine Ideen

grundsatzlose Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

DonKju

Beitragvon DonKju » 06.02.2009, 11:20

Hallo David,

Du sagst " ... ich wollte diesen text so haben bzw. er ist einfach so ohne roten faden ohne pointe einfach so, geschrieben. ..." ; Nun gut, dann soll es so sein, denn das ist das Recht des Autors; Bleibt mir nur anzumerken, daß er mir persönlich leider nichts geben konnte, ich in dieser Karussellfahrt die Orientierung verloren habe, aber das ist eine Einzelmeinung, die vielleicht nicht von Interesse ist ...

Lesergrüße von Hannes

david h.

Beitragvon david h. » 07.02.2009, 20:23

so, jetzt versuch ich mal allen irgendwie zu antworten.

ich finde es immer schade, wenn nicht über den text sondern um den text herum diskutiert wird. mir ist es relativ egal wie ein text entstanden ist, ob er eine übung ist oder aus dem bauch geschrieben ist oder nach jahrelanger planung.
ich dachte immer, dass man in einem literaturforum die texte bespricht, ob sie gut oder schlecht sind, was man besser machen kann und was bleiben soll und die eigenen meinung vielleicht.
bis jetzt hab ich nicht viel darüber erfahren. schade.
gruß
david

@Lisa: also am titel hänge ich auch nicht unbedingt, aber erstmal lass ich ihn so wie er ist. über den perspektivwechsel hatte ich auch schon einige gespräche, aber wir haben uns darauf geeinigt, dass es so bleiben kann, da die "fragmente" sowieso nicht großartig aneinander hängen.
zur karusselfahrt muss ich sagen, dass ich mir darüber bis jetzt keine gedanken gemacht habe, es mir aber ziemlich gut gefallen hat.

@Bilbo: finde ich nicht schlimm, dass dieser text dir nichts gegeben hat, wenigstens bist du ehrlich.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.02.2009, 10:53

Hallo David,

ein interessanter Text, den ich gerne gelesen habe. Hier ein paar Gedanken dazu.
Sich selbst zu finden in der andauernden Karussellfahrt von unkontrollierten Ereignissen.

Ich lese den Titel so, dass die einzige Konstante die Veränderung (das Unzuverlässige/Unkontrollierbare) ist. Das Karussellbild greift das auf und setzt es um. (Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der Text dieses Bild dann auch ernst, „wahr“ nimmt und es nicht nur als reine Metapher verkümmern lässt.) Wenn ich es als Szene begreife, sehe ich LIch nicht selbst fahrend im Karussell, sondern fest in der Mitte stehen, schauend, (davon unberührt?), umkreist. Die Wiederkehr ist kontrolliert, voraussehbar. Interessant finde ich daran, dass die einzige Veränderung bei einem Karussell die zusteigenden Personen sind, sie also eigentlich das wirklich Unkontrollierbare darstellen? Und weshalb meint man, sich in den Ereignissen/ Menschen selbst finden zu können, anstatt den Blick auf das Eigene, den eigenen Standpunkt zu lenken? Ich erwarte vom folgenden Text, dass er die hier behaupteten „unkontrollierbaren Ereignisse“ bildhaft, erfahrbar werden lässt. Und gerade durch das Fragmentarische gelingt das aus meiner Sicht sehr gut.

Das Telefon vibriert in meiner Tasche, zu spät. Jemand dachte an mich, leider zu kurz.
Liegend sehe ich meine Decke, stelle mir vor es wäre eine Leinwand. Spucke hinauf.
Du denkst du bist Künstler, weil du ein Ei gegen die Wand schmeißt?

Dieser Abschnitt gefällt mir sehr, ich würde ihn so stehen lassen. Die folgenden Fragen, Reflektionen schwächen ihn aus meiner Sicht, da sie für mich eher Tagebuchcharakter haben.


Ich möchte die Welt traurig machen. Der Mülleimer sammelt meine Gedanken. Sie muss ihren Kopf hineinstecken um zu wissen, was ich sagen will.

Schön!


Alles läuft irgendwie. Der Smalltalk beginnt.
Robert zeigt mir immer seine neuste Musik.
In meinem Leben bringt es mich nicht weiter.

Auch hier würde ich um die folgenden Sätze kürzen, da sie mir nichts Neues sagen, sondern sich nur wie ein Resumée anhängen, oder besser gesagt darübergestülpt werden. Das nimmt den Zeilen die Luft.


Nachts fühle ich den Sinn.

Fein. Den nächsten Satz verstehe ich nicht und er wirft mich erneut aus dem Textraum, weil er wieder außerhalb steht, eine reine Betrachtung darstellt.


Ich stelle meinen Wecker, wache auf, gehe wieder

„Gehe wieder?“ Worauf bezieht sich das? Ich würde hier gerne einen Rückbezug zum Karussell lesen.


Den einmaligen Perspektivenwechsel finde ich nicht gelungen, da er mir so zu einer eigenen Aussage wird, die der Text nicht trägt, nämlich, dass man sich schon beim zweiten Versuch findet und auch darüber nicht mehr ins Zweifeln in eine Entfernung gerät. Ich würde mir hier zumindest einen kleinen weiteren Bruch wünschen, ein Aufflackern eines „er“.

liebe Grüße
smile

P.s. Ich würde mich auch freuen noch etwas zu „die puppe oder Sambucu nigras“ zu lesen, wenn du dich wieder eingearbeitet hast. :-)

david h.

Beitragvon david h. » 08.02.2009, 13:25

hallo smile,

vielen dank für deine ausführliche kritik. ich werde mir auf jeden fall einige dinge durch den kopf gehen lassen.
schade das dir der perspektivwechsel nicht gefällt, ich mag ihn ;-)
also mit der puppe... werd ich auch noch arbeiten und es tut mir leid, dass ich damals auf die kritiken nicht geantwortet habe.

gruß
david

Thea

Beitragvon Thea » 18.02.2009, 16:40

hallo david,

'schwierig' war das erste, an was ich gedacht hab, als ich fertig gelesen hatte. schwierig und strange und kraftvoll.

Nachts fühle ich den Sinn.
Wozu einen Sinn sehen, wenn der Sinn keinen Sinn hat?


das ist meines empfinden nach, das auge des textes.
auf jeden fall lässt dein text ein vages unbestimmtes gefühl, das an sich stimmig ist. das ist beim lesen ein bisschen wie hinschauen mit halb zugekniffenen augen, so als wolle man selber etwas malen und könne es aber nicht malen.
als leser ist das ein wenig frustrierend, dass man nur so halb durchdringt, ganz wie der protagonist, scheint mir, aber ich glaube, dein text will das auch, will den leser mitnehmen und zeigen und nicht erklären.
mir gefallen die einzelnen fragmente und ich finde sie hängen schon zusammen: es geht immer etwas verloren oder gelingt nicht oder nur halb: "alles ist im ansatz da, aber nur im ansatz und nie vollkommen" das ist für mich die essenz

ich würde mir wünschen, dass der text länger ist, denn er macht mich neugierig. frei nach dem groszen peter: "wenn du aufhörst den text zu schreiben, heißt es nicht, dass die story da ihr ende hat" und als titel finde ich "nicht immer" ausreichend und irgendwie spannungsreicher.

was meinst du?
:spin2:


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