Das Geschenk
„Du bist sicher, dass dieses ... Spiel ... auch funktioniert?“
Mein Freund Harald blickte mich an, als sei ich nicht Herr meiner Sinne; nicht ganz zu Unrecht, wie ich angesichts der Situation einräumen musste.
„Natürlich! Ich kenne doch meine Cousine lange genug. Sie wird dich begeistert wieder in ihre Arme nehmen. Alles wird gut, keine Sorge. Los jetzt!“
Er reckte das Kinn vor, verschränkte seine Arme vor der Brust und nickte auffordernd in Richtung des bereits geöffneten Kartons, der zwischen Dutzenden anderen in seiner großen Garage stand. Irgendwie deplaziert wirkte er schon zwischen dem roten Ferrari und dem schwarzen Porsche, dessen imposanter Heckflügel als Ablage seiner Aktentasche diente. Vielleicht auch nur deswegen, weil er einerseits der mit Abstand größte Karton war und zum andern nicht in weihnachtliches Geschenkpapier eingehüllt war, sondern nur nüchtern, pappbraun und vergleichsweise lieblos auf seinen Inhalt zu warten schien – ähnlich einer weit offen stehenden Toilettentür auf einem zugigen Bahnhof. Und ebenso einladend.
„Ich weiß wirklich nicht, ob ...“
„Willst du sie wiederhaben oder nicht? Hast du den dummen Streit am Nikolaustag vom Zaun gebrochen oder nicht? Hast du einen besseren Vorschlag?“
Resigniert schüttelte ich den Kopf und ging mit langsamen Schritten auf den hässlichen Karton zu.
„Aber ich kann doch nicht in diesem ...“
„Du musst!“, schnitt mir Harald brüsk das Wort ab. „Ich bin Unternehmer, wie du weißt. Ich kenne mich mit Schadensregulierung aus. Du bist nur Zahnarzt, beschäftigst dich zuviel mir Ruinen und faulen Wurzeln. Deine Lebenserfahrung beschränkt sich auf zwei Zahnreihen, Kassen- und Privatpatienten und darüber hinaus nur noch auf Prophylaxe. Das hier, mein Freund, ist in gewisser Weise auch ein prophylaktischer Eingriff! Er wird dein gestörtes Liebesleben wieder in Ordnung bringen. Steig also endlich ein!“
Gegen die Autorität und den imperativen Ton eines Firmenchefs kann man nur bestehen, wenn der Erstgenannte als Patient auf Einfühlsamkeit angewiesen ist. Im Augenblick war ich sein Patient. Seufzend schlüpfte ich also aus meinen Schuhen, zog den Mantel enger um mich und kletterte ich in den Karton, der früher einmal einen großen Farbfernseher beherbergt hatte und versuchte, mit angezogenen Knien eine halbwegs passable Sitzposition auf der Styroporschale einzunehmen.
„Er ist viel zu klein“, protestierte ich schwach und halbherzig, doch Harald ging überhaupt nicht darauf ein. Entschlossen drückte er mich tiefer in den Karton und stülpte das abschließende Styroporpolster über mich.
„Perfekt. Fast wie ein Zahnersatz für Elefanten. Geht doch wunderbar. In spätestens zwei Stunden packt sie dich aus. Also, mach es dir einstweilen bequem! Carola wird Augen machen!“
„Was ist, wenn der Karton aufreißt? Ich bin doch viel zu schwer!“
„Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass du ihr vor die Füße kullerst, wenn dich der Bote ablädt! Und jetzt Schluss – er muss ohnehin jeden Moment kommen!“
„Ja, aber ...“
Er schlug die beiden offenen Kartondeckel über mir zusammen. Schlagartig wurde es dunkel um mich. Einen Moment überfiel mich Panik: Würde die Luft reichen? Was, wenn der Paketdienst in einen Unfall verwickelt würde? Wenn das Fahrzeug ausgerechnet am späten Nachmittag des Heiligen Abends in den Fluss stürzte? Oder gar in Flammen aufging?
„Ja, ich komme sofort“, hörte ich Haralds dumpfe Stimme von außerhalb. Das schabende Geräusch des Klebebandrollers, mit dem er den Karton versandfertig machte, hörte auf. Seine Schritte entfernten sich. Das elektrische Garagentor wurde geöffnet. Die Kette quietschte rhythmisch, seit Monaten quietschte sie schon. Ich konnte förmlich mit einem inneren Auge sehen, wie das Tor von der Kette nach oben gezogen wurde.
„Alle Pakete heute ausliefern?“, hörte ich dann mit angehaltenem Atem die Stimme des Boten. Er sprach mit stark südländischem Akzent. Vermutlich ein Türke, dachte ich. Oder doch ein Pole? Egal. Hauptsache, Carola ...
„Ja. Sind alle in Berlin abzuliefern“, erklärte Harald in meine Gedanken hinein. „Meine Sekretärin hat Paketzettel geschrieben. Aber dann bemerkte sie, dass heute nur noch private Zusteller ausliefern. Macht es Ihnen etwas aus, wenn Sie die Adressen abschreiben und mit Ihren Aufklebern auf die Kartons kleben? Sehen Sie: alle Kartons sind nummeriert und auf der Rückseite meiner Paketzettel steht die jeweilige Nummer ebenfalls. Sie können gar nichts falsch machen.“
Undeutliches Gemurmel setzte ein. Schritte, die offenbar das Gebirge aus Kartons umwanderten und dann vor meiner Behausung zur Ruhe fanden.
„Kostet mich aber viel Zeit. Ist schon fast vier Uhr...“
„Klar, ich verstehe. Reicht das für den Zeitvertreib?“
Ich kannte das Geräusch von Haralds Portemonnaie; ein kurzes, an ein scharfes Beil erinnerndes schnelles Ziehen am Reißverschluss, welches durch den dicken Karton jedoch nur dumpf zu vernehmen war. Der Schein, den er aus der Börse entnommen hatte, schien den Boten jedoch schnell überzeugt zu haben.
„Alles klar, Boss!“
„Perfekt. Die Rechnung geht an meine Firma? Sehr gut. Ich werde Sie weiterhin beauftragen, wenn Sie diesen Eilauftrag erledigt haben. Schließen Sie bitte das Garagentor, wenn Sie fertig sind? Danke. Ich muss jetzt los ...“
Eine Autotür wurde geöffnet und fiel gleich darauf mit einem satten und für diese Luxusklasse typischen „Flopp“ wieder zu. Sicher hatte er zwischen Öffnen und Schließen seine Aktentasche vom Spoiler genommen und zielsicher auf den Beifahrersitz befördert, so wie er es immer zu tun pflegte. Sekunden später röhrte der Porsche auf und entfernte sich schnell. Angestrengt lauschte ich nach draußen, doch außer meinem eigenen Herzschlag war nichts zu hören.
Wo war der verdammte Paketbote? Bestimmt nutzte er die Gelegenheit, in Haralds Ferrari Probe zu sitzen. Wahrscheinlich träumte er davon, ebenfalls als Schuhfabrikant in diesem Boliden durch Berlin zu dröhnen, von jungen und älteren Mädchen angelächelt zu werden, während ich in meiner unbequemen Haltung bereits Nackenschmerzen bekam. Entsetzt stellte ich fest, dass ich trotz der zunehmenden Kälte zu schwitzen begann. Ich versuchte, langsam und konzentriert zu atmen und meine Phantasien abzuschalten.
Plötzlich wurde ich noch tiefer in mein Styroporlager gepresst. Der Kerl hatte sich auf meinen Karton gesetzt und war offenbar damit beschäftigt, die Adressen der Paketaufkleber in seine eigenen Formulare zu übertragen. Zu allem Überfluss begann er auch noch, eine mir fremde Melodie zu pfeifen und mit dem Absatz den Takt gegen den Karton zu klopfen. So ein Karton ist ein hervorragender Resonanzkörper und innerhalb kürzester Zeit befand ich mich in einem Zustand lethargischer Jenseitsfreude, wie ihn nur ein langzeitgefolterter Mensch nachvollziehen kann, der endlich den erlösenden Genickschuss bekommt.
Irgendwann hörte er auf und der lästige Druck über mir verschwand wieder. Der Bote schien fertig zu sein und klebte nun die Empfängerkarten auf die Kartons. Mein Karton schien der letzte zu sein, den er mit einem klatschenden Geräusch hinter meinem gebeugten Rücken reisefertig machte. Kurz danach rumpelte eine Sackkarre durch die Garage.
Und dann lud er mich auf.
Ich wurde zur Seite gekippt, unter Stöhnen und fremdsprachlichen Flüchen (ich hatte mich inzwischen dazu entschlossen, dass er doch Türke sein müsse) in eine leichte Schräglage versetzt und dann einige Meter weit aus der Garage bis zu seinem Transporter gerollt, wo ich kurzerhand verkehrt herum abgestellt wurde.
Idiot, schoss es mir durch den Kopf, kannst du nicht lesen? Fragile! Handle with care! Nicht stürzen! Vermutlich war der Bote ein Emigrant aus Schwarzafrika oder Zentralaustralien. Obwohl – pfeifen und schreiben konnte er offenbar.
Egal.
Ich versuchte, wieder flach und bewusst zu atmen, schloss ergeben meine Augen, dachte ersatzhalber an gewisse Stellungen mit Carola und wartete ab.
Er stellte den Karton tatsächlich wieder aufrecht, so wie es auch die entsprechenden Beschreibungen auf dem Karton vorschrieben. Mittlerweile versuchte ich gar nicht mehr, die Augen zu öffnen, um die absolute Dunkelheit zu durchdringen, sondern verließ mich in immer stärkerem Maße auf meine anderen Sinne.
Es war erstaunlich, selbst für einen Mediziner wie mich, festzustellen, wie schnell man auf einen scheinbar lebensnotwendigen Sinn verzichten kann. Die Nase übernahm plötzlich die Kontrolle über meine nächste Umwelt. Styropor hat einen ganz eigenen, unverwechselbaren Geruch in so einer Situation. Auch der Karton lebt – alle paar Zentimeter verströmt der Abfallstoff seine eigene Nuancen, die zu beschreiben selbst die Phantasie eines Stephen King überstrapazieren dürfte. Über Heu, Blut und Schweiß bis hin zu diversen menschlichen Ausdünstungen und sogar anorganischen, metallischen Verbindungen wie verloren gegangenen Auspuffrohren oder dem typischen Ampèregeruch eines elektrischen Kurzschlusses – alles war seltsam intensiv zu erriechen. Und während sich das Fahrzeug in Bewegung setzte, irgendwelche Berliner Straßen durchquerte, an unsichtbaren roten Ampeln oder vor die Straße überquerenden Fußgängern stehen blieb und ruckelnd (das Getriebe schien Probleme mit dem ersten Gang zu haben) und widerspenstig wieder Fahrt aufnahm, dachte ich notgedrungen noch einmal über Erfolg und Misserfolg meiner Mission nach.
Carola. Zufällig kennen und lieben gelernt auf einer Party meines Freundes Harald, wo er sie mir vorgestellt hatte. Drei Wochen lang das perfekte Glück. So lange, bis ich einer dummen Eingebung folgend versucht hatte, sie betrunken zu machen, um endlich ...
„So schnell geht das nicht“, hatte sie mich wiederholt abgewehrt. „Ich möchte dich erst besser kennen, bevor ich mit dir schlafe. Das verstehst du doch sicher?“
Ich hatte verständnisvoll genickt und ihr weiter eingeschenkt. So lange, bis sie auf meiner Couch eingeschlafen war. Doch als ich sie in mein Schlafzimmer tragen wollte, wachte sie schlagartig auf.
Wenige Worte danach und eine schallende Ohrfeige später stand sie unten auf der Strasse und kletterte in das Taxi, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sie ging nicht ans Telefon, beantwortete keine Mails und öffnete auch nicht auf mein Läuten an ihrer Haustür.
So wandte ich mich an ihren Cousin Harald. Er hatte schließlich den Vorschlag gemacht und mich zum Mitmachen überredet ...
Der Wagen bremste scharf und kam zum Stehen. Die Hecktür wurde geöffnet. Kartons wurden zur Seite geschoben, dann setzte sich mein Karton ebenfalls in Bewegung. Schräglage, einige Meter über knirschenden Schnee, dann unsanft auf den Boden gestellt. Der Bote schien zu klingeln. Verzerrte Worte aus einer Sprechanlage waren zu hören. Ein Türöffner summte. Dann wurde ich wieder auf die Sackkarre gehievt und ins Innere des Hauses geschoben. Ich biss auf die Zähne. Nur noch wenige Minuten, dann war ich am Ziel. Zum ersten Mal in Carolas Wohnung, mit ihr allein! Das Fest der Freude konnte beginnen. Ich war in einer so erwartungsfrohen Stimmung, dass ich dem Boten sogar verzieh, mich die Treppe hinauf in den ersten Stock noch einmal richtig durchzuschütteln. Offenbar besaß die Sackkarre einen Radkranz aus drei oder vier Rädern auf jeder Seite und war demzufolge imstande, Lasten auch über Treppen hinweg zu bewegen. Vor Aufregung bekam ich Kopfschmerzen, konnte kaum noch etwas hören. Erst als eine Tür geöffnet wurde und ich noch einige Meter weit geschoben wurde, kam ich auch innerlich wieder zur Ruhe. Entspannt atmete ich aus. Ich war am Ziel!
Schritte auf einem Parkettboden näherten sich. Leise Weihnachtsmusik erfüllte mein Versteck. Vom Himmel hoch, da komm ich her...
Sie blieb vor dem Karton stehen. Welche Gedanken mochte sie wohl jetzt haben? Wer käme auf die Idee, ihr einen Farbfernseher ins Haus zu schicken? Sicher studierte sie bereits den Paketzettel. Harald hatte in weiser Voraussicht natürlich meine Anschrift angegeben. Ob sie eine Ahnung überschleichen würde? Einen furchtbaren Augenblick lang wartete ich darauf, dass sie den Boten zurück beordern würde, um sich des Geschenkes sofort wieder zu entledigen.
Nein, sie hatte beschlossen, es zu behalten.
Ohne Vorwarnung durchstach eine Messerklinge den Kartondeckel, genau in der Mitte, und zog sich sägend durch den entstandenen Schlitz zwischen meinen Knien hindurch weiter auf mich zu. Spärliches Licht drang in das Innere, während die Klinge unbeirrt weiter auf mich zu eilte. Der einladende Duft nach Lebkuchen, Tannennadeln und Kerzenwachs folgte ihr nach. Ich holte noch einmal tief Luft. Dann stemmte ich mich nach oben, riss die Deckel auseinander und breitete die Arme aus, während der rote Morgenmantel von meinen Schultern rutschte.
„Ho ho ho! Hier kommt das Geschenk des Herrn!“, rief ich in den Raum hinein, bemüht um ein strahlendes Lächeln. Meine Augen mussten sich erst an das trübe schimmernde Kerzenlicht des Weihnachtsbaumes gewöhnen.
„Mein Gott!“, sagte die Frau mit dem Messer in der Hand, bevor sie zu Boden stürzte und dabei den brennenden Baum mit sich riss.
„Ihr Kinderlein kommet“, plärrte es aus einem altmodischen Grammophon aus der Ecke.
Zwei Tage saß ich in Untersuchungshaft. Grober Unfug, Hausfriedensbruch, Verstoß gegen das Transportsicherungsgesetz, fahrlässige Körperverletzung und Verstoß gegen die guten Sitten lauteten die Anklagepunkte, um nur die wichtigsten zu nennen.
Der von mir eiligst herbei gerufene Notarzt konnte die alte Dame erfolgreich reanimieren. Schlimmer war der Schaden durch den ausgelösten Wohnungsbrand. Die Feuerwehr rückte mit drei Wagen an, obwohl ich geistesgegenwärtig den Brand mit einem Teppich ersticken konnte, nachdem ich die alte Dame in Sicherheit gebracht hatte. Trotzdem löschten die Feuerwehrleute ausgiebig nach. Das gab dem Parkett und dem teuren Perser den Rest. Harald und der Paketbote, der zwei der Aufkleber miteinander vertauscht hatte (die 6 und die 9), konnten schließlich den Richter davon überzeugen, dass es sich um ein tragisches Versehen gehandelt hatte.
Alles war wieder in Ordnung. Ich musste lediglich für den ganzen Schaden aufkommen und mich bei besagter Dame – einer im wahrsten Sinn des Wortes alten Stammkundin von Harald - entschuldigen. Ich habe sie natürlich zum Essen eingeladen, zusammen mit Harald.
„Was ist denn nun mit Ihnen und der jungen Dame, der Sie sich als erotischer Weihnachtsmann schenken wollten? Ich meine, es ist schon etwas frivol, sich gleich nackt unter dem Nikolausmantel zu präsentieren, oder?“, fragte sie mich augenzwinkernd beim Nachtisch. Ich blickte etwas verlegen zu Boden, doch Harald klärte sie mit einem verschwörerischem Lächeln auf.
„Ach, meine kleine Cousine Carola? Nun, wissen Sie – sie hat bereits einen neuen Freund, einen belgischen Medizinstudenten. Gérard. Er arbeitet übrigens neben seinem Studium als Kurierfahrer. Und wissen Sie, was das Unglaubliche ist?“
„Nein, was denn?“
In diesem Moment beschloss ich, ihm bei seinem nächsten Besuch in meiner Praxis ohne Betäubung einen Backenzahn zu extrahieren. Ich versuchte verzweifelt, einen Freundschaft beschwörenden Blickkontakt mit ihm herzustellen, doch er nahm mich gar nicht mehr wahr. Mit gekreuzten Armen saß er am Tisch und genoss die kleine, dramaturgische Pause.
Die alte Dame blickte ihn auch erwartungsvoll an und beugte sich etwas nach vorn. Harald machte eine bedauernde Geste mit den Händen, die durch sein schadenfrohes Grinsen sofort der Lüge überführt wurde.
„Wissen Sie, Gnädigste: Es ist derselbe Mann, der Ihnen am Heiligen Abend dieses ...“, er musterte mich aus den Augenwinkeln und hatte sichtlich Mühe, nicht laut loszuprusten. „... Geschenk zugestellt hat. Zuletzt brachte Gerard Carolas Geschenk zu ihr und blieb gleich selbst da. Seitdem wohnt er wohl auch dort...“
Während ich mich insgeheim fragte, warum so etwas immer nur mir passiert, winkte er lachend nach dem Ober und bestellte noch eine Flasche Chardonnay trocken.
Das Geschenk
Hallo und willkommen Erich!
Endlich mal ein neue Geschichten (und Nasen) im Blauen. Freut mich!
Dieser Text hier ist klassisch aufgebaut und will sicher ohne besonderen Anspruch unterhaltend sein. Was er mE. auch ist. Der Leser fragt sich, was der „Ich-Erzähler“ bei der vermeintlichen Freundin zu erwarten hat und fiebert der Auflösung entgegen, die selbstverständlich eine Überraschung parat hält. Also ein gutes Geschichtchen für den Warteraum beim (Zahn-*hihi)Arzt. Gerade im humoristischem Genre wird ja viel bewusst mit Klischees/Schablonen/Stereotypen gearbeitet, weil möglichst „stramm“ auf den „Knalleffekt“, die Pointe am Ende hingearbeitet werden soll. Alles Drumherum ist nur Mittel zum Zweck. So auch in deinem Text. Dennoch wird auch sehr viel „auserzählt“, die Szenen geschmückt wie ein Weihnachtsbaum (um am Text zu bleiben *hihi), der mit Lametta überladen wird, damit der Leser möglichst lange „hingehalten“ werden kann, jedes Sekündchen wird geschildert. Der Text weist eine enorme narrative Redundanz auf, die die Handlung zäh macht. Auch auf Seiten der „Ausdrucksästhetik“ ist mir in Form einer Fülle von Attributen eine gewisse Opulenz aufgefallen.
Fazit: Leichte Unterhaltung zum Schmunzeln zwischendurch.
Noch ein paar dezidierte Nifleien:
Die Bezüge sind unklar. Dachte schon, „er“ als Protag ist ein Karton.
Wer und warum wirkt deplatziert?
Ein Beispiel be“züg“lich Beiworte: Was bringt “weit“? Was „zugig“
(ich dachte immer, dass es der Sinn eines Bahnhofs ist, zugig zu sein *hihi)
(ansonsten gefällt mir der Vergleich)
usw. (bitte den ganzen Text mal dahingehend betrachten und du wirst etliche weitere Beispiele finden)
„beherbergen“ finde ich unpassend
eeens jenügt
Also, ich glaube jeder mitteleuropäische Zahnarzt wird in der Lagen sein, ein Loch zu bohren, oder?
Warum hält er sich ständig in der Garage seines Freundes auf?
Ja, mein Portemonnaie macht auch immer Geräusche (es weint)
Was bringt das überhaupt dem Text?
Und das?
Und? So detailverliebte Handlungsbremsen (auch im weiteren Verlauf bis zum Verladen (puh)) nerven ... und schaffen eine Schieflage der Proportionen deines Textes. Wenn man sie zB. mit der eigentlichen Auflösung (er steigt aus dem Karton und die Oma fällt um), die sehr knapp und fast nur „tell“ ausgeführt ist (als hätte der Autor keine Lust mehr gehabt) ins Verhältnis setzt.
Apropos Ende. Den ganzen Absatz mit dem Versöhnungsessen würde ich streichen und die Verwechselung (die jedem Leser von Anfang an klar war) prägnanter gesetzt erläutern.
LG
Nifl
Endlich mal ein neue Geschichten (und Nasen) im Blauen. Freut mich!
Dieser Text hier ist klassisch aufgebaut und will sicher ohne besonderen Anspruch unterhaltend sein. Was er mE. auch ist. Der Leser fragt sich, was der „Ich-Erzähler“ bei der vermeintlichen Freundin zu erwarten hat und fiebert der Auflösung entgegen, die selbstverständlich eine Überraschung parat hält. Also ein gutes Geschichtchen für den Warteraum beim (Zahn-*hihi)Arzt. Gerade im humoristischem Genre wird ja viel bewusst mit Klischees/Schablonen/Stereotypen gearbeitet, weil möglichst „stramm“ auf den „Knalleffekt“, die Pointe am Ende hingearbeitet werden soll. Alles Drumherum ist nur Mittel zum Zweck. So auch in deinem Text. Dennoch wird auch sehr viel „auserzählt“, die Szenen geschmückt wie ein Weihnachtsbaum (um am Text zu bleiben *hihi), der mit Lametta überladen wird, damit der Leser möglichst lange „hingehalten“ werden kann, jedes Sekündchen wird geschildert. Der Text weist eine enorme narrative Redundanz auf, die die Handlung zäh macht. Auch auf Seiten der „Ausdrucksästhetik“ ist mir in Form einer Fülle von Attributen eine gewisse Opulenz aufgefallen.
Fazit: Leichte Unterhaltung zum Schmunzeln zwischendurch.
Noch ein paar dezidierte Nifleien:
nickte auffordernd in Richtung des bereits geöffneten Kartons, der zwischen Dutzenden anderen in seiner großen Garage stand. Irgendwie deplaziert wirkte er schon zwischen dem roten Ferrari und dem schwarzen Porsche, dessen imposanter Heckflügel als Ablage seiner Aktentasche diente. Vielleicht auch nur deswegen, weil er einerseits der mit Abstand größte Karton war
Die Bezüge sind unklar. Dachte schon, „er“ als Protag ist ein Karton.
Wer und warum wirkt deplatziert?
ähnlich einer weit offen stehenden Toilettentür auf einem zugigen Bahnhof.
Ein Beispiel be“züg“lich Beiworte: Was bringt “weit“? Was „zugig“
(ich dachte immer, dass es der Sinn eines Bahnhofs ist, zugig zu sein *hihi)
(ansonsten gefällt mir der Vergleich)
Resigniert schüttelte ich den Kopf und ging mit langsamen Schritten auf den hässlichen Karton zu.
schnitt mir Harald brüsk das Wort ab
usw. (bitte den ganzen Text mal dahingehend betrachten und du wirst etliche weitere Beispiele finden)
großen Farbfernseher beherbergt
„beherbergen“ finde ich unpassend
schwach und halbherzig
eeens jenügt
Einen Moment überfiel mich Panik: Würde die Luft reichen?
Also, ich glaube jeder mitteleuropäische Zahnarzt wird in der Lagen sein, ein Loch zu bohren, oder?
Die Kette quietschte rhythmisch, seit Monaten quietschte sie schon.
Warum hält er sich ständig in der Garage seines Freundes auf?
Ich kannte das Geräusch von Haralds Portemonnaie;
Ja, mein Portemonnaie macht auch immer Geräusche (es weint)
Ich kannte das Geräusch von Haralds Portemonnaie; ein kurzes, an ein scharfes Beil erinnerndes schnelles Ziehen am Reißverschluss, welches durch den dicken Karton jedoch nur dumpf zu vernehmen war.
Was bringt das überhaupt dem Text?
„Perfekt. Die Rechnung geht an meine Firma? Sehr gut. Ich werde Sie weiterhin beauftragen, wenn Sie diesen Eilauftrag erledigt haben.
Und das?
Eine Autotür wurde geöffnet und fiel gleich darauf mit einem satten und für diese Luxusklasse typischen „Flopp“ wieder zu.
Und? So detailverliebte Handlungsbremsen (auch im weiteren Verlauf bis zum Verladen (puh)) nerven ... und schaffen eine Schieflage der Proportionen deines Textes. Wenn man sie zB. mit der eigentlichen Auflösung (er steigt aus dem Karton und die Oma fällt um), die sehr knapp und fast nur „tell“ ausgeführt ist (als hätte der Autor keine Lust mehr gehabt) ins Verhältnis setzt.
Apropos Ende. Den ganzen Absatz mit dem Versöhnungsessen würde ich streichen und die Verwechselung (die jedem Leser von Anfang an klar war) prägnanter gesetzt erläutern.
LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Hallo und willkommen im Blauen Salon, Erich! .gif)
Nifl nimmt mir die Worte aus dem Munde. Leichte Kost, teilweise ein bisschen zu ausführlich geschrieben. Dennoch schaffst du es, mich als Leser am Ball zu halten. Ich wollte unbedingt wissen, wie es ausgeht. Da du die Geschichte unter Humorvolles gestellt hast, ahnte ich natürlich, dass das mit dem Geschenk voll in die Hose gehen würde. Die Frage war nur, wie *g*. Du hast es zu Beginn recht spannend geschrieben. Ich dachte zuerst, es wäre ein Thriller (dein Spezialgebiet *zwinker*). Du schreibst detailverliebt, ja, doch das finde ich gut. Beispielsweise, wie der Prot. die Fahrt im Karton erlebt, kann man sich sehr bildhaft vorstellen. Es sind viele Schmunzler drin. Z.B. Sätze wie
Der Schluss hingegen ist mir zu aufgelöst. Als Leser weiß man bereits, was kommt, durch diesen Satz:
Ich würde deshalb mit diesem Satz die Geschichte enden lassen (den Part "Und wissen Sie, was das Unglaubliche ist?" dann aber rausnehmen):
Da hat man noch mal einen Lacher zum Schluss und fühlt sich als Leser auch nicht "bevormundet", weil man das Ende bereits weiß.
Soweit mein Eindruck. Die zu überarbeitenden Stellen hat Nifl bereits genannt.
Mit Spaß und in einem Rutsch gelesen!
Saludos
Gabriella
.gif)
Nifl nimmt mir die Worte aus dem Munde. Leichte Kost, teilweise ein bisschen zu ausführlich geschrieben. Dennoch schaffst du es, mich als Leser am Ball zu halten. Ich wollte unbedingt wissen, wie es ausgeht. Da du die Geschichte unter Humorvolles gestellt hast, ahnte ich natürlich, dass das mit dem Geschenk voll in die Hose gehen würde. Die Frage war nur, wie *g*. Du hast es zu Beginn recht spannend geschrieben. Ich dachte zuerst, es wäre ein Thriller (dein Spezialgebiet *zwinker*). Du schreibst detailverliebt, ja, doch das finde ich gut. Beispielsweise, wie der Prot. die Fahrt im Karton erlebt, kann man sich sehr bildhaft vorstellen. Es sind viele Schmunzler drin. Z.B. Sätze wie
„Perfekt. Fast wie ein Zahnersatz für Elefanten.
Wo war der verdammte Paketbote? Bestimmt nutzte er die Gelegenheit, in Haralds Ferrari Probe zu sitzen.
So ein Karton ist ein hervorragender Resonanzkörper und innerhalb kürzester Zeit befand ich mich in einem Zustand lethargischer Jenseitsfreude, wie ihn nur ein langzeitgefolterter Mensch nachvollziehen kann, der endlich den erlösenden Genickschuss bekommt.
Idiot, schoss es mir durch den Kopf, kannst du nicht lesen? Fragile! Handle with care! Nicht stürzen! Vermutlich war der Bote ein Emigrant aus Schwarzafrika oder Zentralaustralien. Obwohl – pfeifen und schreiben konnte er offenbar.
Egal.
Ich versuchte, wieder flach und bewusst zu atmen, schloss ergeben meine Augen, dachte ersatzhalber an gewisse Stellungen mit Carola und wartete ab.
Wenige Worte danach und eine schallende Ohrfeige später stand sie unten auf der Strasse und kletterte in das Taxi, ohne sich noch einmal umzudrehen.
„Mein Gott!“, sagte die Frau mit dem Messer in der Hand, bevor sie zu Boden stürzte und dabei den brennenden Baum mit sich riss.
„Ihr Kinderlein kommet“, plärrte es aus einem altmodischen Grammophon aus der Ecke.
Trotzdem löschten die Feuerwehrleute ausgiebig nach. Das gab dem Parkett und dem teuren Perser den Rest.
Der Schluss hingegen ist mir zu aufgelöst. Als Leser weiß man bereits, was kommt, durch diesen Satz:
„Ach, meine kleine Cousine Carola? Nun, wissen Sie – sie hat bereits einen neuen Freund, einen belgischen Medizinstudenten. Gérard. Er arbeitet übrigens neben seinem Studium als Kurierfahrer. Und wissen Sie, was das Unglaubliche ist?“
Ich würde deshalb mit diesem Satz die Geschichte enden lassen (den Part "Und wissen Sie, was das Unglaubliche ist?" dann aber rausnehmen):
In diesem Moment beschloss ich, ihm bei seinem nächsten Besuch in meiner Praxis ohne Betäubung einen Backenzahn zu extrahieren.
Da hat man noch mal einen Lacher zum Schluss und fühlt sich als Leser auch nicht "bevormundet", weil man das Ende bereits weiß.
Soweit mein Eindruck. Die zu überarbeitenden Stellen hat Nifl bereits genannt.
Mit Spaß und in einem Rutsch gelesen!
Saludos
Gabriella
Vielen Dank euch beiden fürs Lesen und Kommentieren. Ja, es handelt sich hierbei um leichte Kost, das habt ihr schon richtig eingeschätzt. Verbesserungswürdig dazu, wie ich eingestehe. Offen gestanden, wäre ich enttäuscht gewesen, wenn dieser erste Beitrag von mir nicht verrissen worden wäre - selbst mit dezenter Zurückhaltung -, denn anspruchsvoll ist er wirklich nicht.
Jetzt, da ich weiß, dass hier Könner vorhanden sind, werde ich versuchen, mich euch anzupassen. Ich hoffe, demnächst mit anspruchsvolleren Texten überzeugen zu können.
LG
Erich
Jetzt, da ich weiß, dass hier Könner vorhanden sind, werde ich versuchen, mich euch anzupassen. Ich hoffe, demnächst mit anspruchsvolleren Texten überzeugen zu können.
LG
Erich
Hallo Erich.
*hm… einen „Anspruch“ (was auch immer das ist) würde ich nicht als „apodiktische Wahrheit“ glorifizieren. Es ist ja auch immer die Frage, welche Rezipienten du erreichen möchtest. Ich halte meine Kritik nicht für einen Verriss und würde deinem Text auch niemals die Daseinsberechtigung absprechen wollen. Ich glaube, er könnte mit vertretbarem Aufwand eine breite Leserschaft erreichen. Er kommt mir ein bisschen vor wie eine frische Schweißstelle, die noch mit dem Schlackenhammer bearbeitet werden muss. Und - das will ich auch nicht unerwähnt lassen- möchte ich Muckie Recht geben, dass viele Passagen und Vergleiche sehr gelungen sind. Ich saß zum Beispiel auch im Karton und hatte genau den Geruch in der Nase (geniale Vergleiche)… auch, dass du es geschafft hast, mit relativ wenig „Inhalt“ den Leser bis zum Ende zu binden, ist ein klares „Qualitätsmerkmal“ deiner Schreibe und dieser Geschichte.
Das wollte ich noch klarstellen.
LG
Nifl
wenn dieser erste Beitrag von mir nicht verrissen worden wäre - selbst mit dezenter Zurückhaltung -, denn anspruchsvoll ist er wirklich nicht.
*hm… einen „Anspruch“ (was auch immer das ist) würde ich nicht als „apodiktische Wahrheit“ glorifizieren. Es ist ja auch immer die Frage, welche Rezipienten du erreichen möchtest. Ich halte meine Kritik nicht für einen Verriss und würde deinem Text auch niemals die Daseinsberechtigung absprechen wollen. Ich glaube, er könnte mit vertretbarem Aufwand eine breite Leserschaft erreichen. Er kommt mir ein bisschen vor wie eine frische Schweißstelle, die noch mit dem Schlackenhammer bearbeitet werden muss. Und - das will ich auch nicht unerwähnt lassen- möchte ich Muckie Recht geben, dass viele Passagen und Vergleiche sehr gelungen sind. Ich saß zum Beispiel auch im Karton und hatte genau den Geruch in der Nase (geniale Vergleiche)… auch, dass du es geschafft hast, mit relativ wenig „Inhalt“ den Leser bis zum Ende zu binden, ist ein klares „Qualitätsmerkmal“ deiner Schreibe und dieser Geschichte.
Das wollte ich noch klarstellen.
LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
- Thomas Milser
- Beiträge: 6069
- Registriert: 14.05.2006
- Geschlecht:
Hallo und willkomen, Erich.
Na, 'anpassen' wäre wohl nicht der rechte Weg (an was?). Es geht doch vielmehr darum, deinen eigenen Weg zu finden? Und überzeugen musst du hier auch niemanden, sondern einfach Spaß an Textarbeit haben; das würde überzeugen :o)
Vielleicht versuchst du mal, die Anregungen von Gabriella und Nifl in den hiesigen Text einfließen zu lassen und erarbeitest eine neue Version?
Es sind ja neben den Kritikpunkten auch hinreichend gute Aspekte herausgestellt worden, insofern würde ich das nicht resigniert in die Tonne kloppen, sondern es als Gerüst nehmen, um nochmal anders an die Sache zu gehen und stilistisch daran zu feilen.
Gruß,
Tom.
Anmerkung: Falls du eine zweite Version einstellen möchtest, tu das doch bitte dergestalt, dass du sie über die alte setzt und als 'überarbeitet' kennzeichnest. So kann der Leser nachvollziehen, was geändert wurde.
edit: Oh Nifl, da hatte wohl zwei den gleichen Gedanken zur selben Zeit :o)
Na, 'anpassen' wäre wohl nicht der rechte Weg (an was?). Es geht doch vielmehr darum, deinen eigenen Weg zu finden? Und überzeugen musst du hier auch niemanden, sondern einfach Spaß an Textarbeit haben; das würde überzeugen :o)
Vielleicht versuchst du mal, die Anregungen von Gabriella und Nifl in den hiesigen Text einfließen zu lassen und erarbeitest eine neue Version?
Es sind ja neben den Kritikpunkten auch hinreichend gute Aspekte herausgestellt worden, insofern würde ich das nicht resigniert in die Tonne kloppen, sondern es als Gerüst nehmen, um nochmal anders an die Sache zu gehen und stilistisch daran zu feilen.
Gruß,
Tom.
Anmerkung: Falls du eine zweite Version einstellen möchtest, tu das doch bitte dergestalt, dass du sie über die alte setzt und als 'überarbeitet' kennzeichnest. So kann der Leser nachvollziehen, was geändert wurde.
edit: Oh Nifl, da hatte wohl zwei den gleichen Gedanken zur selben Zeit :o)
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)
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