Ist das Geld denn verrückt geworden?
Die Ratlosigkeit angesichts der Finanzkrise treibt selbstsame Blüten, und einer plappert dem andern nach. „Gewinne privatisieren – Verluste verstaatlichen – Das geht nicht.“ So tönt es jetzt quer durch die „Lager“ von Grün bis CSU, von FDP bis Linkspartei, zwar mit Varianten in der Wortwahl , aber doch nahezu identisch beleidigtem Unterton. Fast wirkt da mancher wie ein kleines Kind, dem ein größeres das angeschlagene Spielzeug weggenommen hat – nicht, um es zu reparieren, sondern um es mit hämischem Grinsen kaputt zu treten.
Das Spielzeug hat viele Namen, „Marktwirtschaft“, „Deregulierung“, „Wettbewerb“ etc., und die klingenden Namen sollten es unzerstörbar machen. Jetzt ist es aber kaputt, das Kind weint, und das größere Kind, das es mutwillig kaputt gemacht hat, geht entweder selbst kaputt (wie der US-Manager, der sich und seine Familie erschoss) oder bekommt von der Kindergärtnerin zum Trost einen Lolli (wie der erfolglose Manager in Deutschland, der sich mit seiner Abfindung die Hände goldig waschen kann), das hängt von den jeweiligen Regeln des Kindergartens und von der individuellen Belastbarkeit der Kinder ab.
Aber Schluss jetzt mit den Kindereien. Immerhin geht es hier um ein ernstes Thema. Es geht um Existenzen, um die wirtschaftliche Zukunft, um die Verlässlichkeit der globalen Märkte, um Berechenbarkeit. Dumm nur, dass kaum einer durchschaut, was da getrieben wird mit den Finanzen weltweit. Wer kann schon verstehen, was jetzt alles hochgespült wird vom Grund der dunklen Bankenmachenschaften – eben jener „Institute“ also, von denen bis dato das wirtschaftliche Heil und eine gewisse Sicherheit erwartet wurde. „Sicherheit“ wird zu einem fast lächerlichen, zynischen Begriff angesichts all der anderen, unverständlichen Worte und Tätigkeiten, von denen die Ahnungslosen nun hören: Leerverkäufe, Hedgefonds, Investitionslöcher in Milliardenhöhe, Weiterverkauf von Krediten … -
Man fragt sich, wie es zum Beispiel überhaupt möglich sein soll, Schulden zu verkaufen. Und wahrscheinlich klingt all das nicht nur irrational, sondern ist es auch. Dabei haben wir doch so gerne geglaubt, dass es sich hier um die kühlste, kontrollierteste, berechnendste und berechnetste aller Tätigkeiten handle, deren Grundlage trotz allem etwas ganz Klares und Logisches sei: GELD. Ja, ist das Geld denn verrückt geworden? Oder war es schon immer nicht ganz dicht?
Einfache Antworten kann es nicht geben. Aber es gibt einfache Fragen: Was sollten Spieler anderes tun, als ihr Geld verspielen? Und das anderer Leute gleich mit? Immerhin liegt darin das Wesen des Zockertums. Die fehlenden weltweiten Regeln sind wie eine Einladung zur Spielsucht. Da wird hantiert mit völlig irrealen Werten, losen Papieren, die keine Beziehung zu einer irgend fassbaren Produktionsgrundlage mehr haben. Da wird gespielt mit Optionen, Gerüchten, Scheinkäufen und -verkäufen, Trends und Emotionen; da wird geschoben und gedrückt und gehoben und manipuliert, dass man sich wundert, was das eigentlich noch mit WIRTSCHAFT zu tun hat: Wo ist das Produkt? Was ist die Ware? „Monopoly“ wirkt dagegen ja beinahe wie Staatskapitalismus… Und man fragt sich: Warum in DreiTeufels Namen ist eigentlich ausgerechnet Geld Privatsache?
Mit dem Segen der Ideologie des freien Marktes überließ man die Finanzen den Zockern – da mutet das überraschte Entsetzen angesichts der Folgen merkwürdig naiv an. „Das kann doch gar nicht gut gehen“, hätte eigentlich an jeder Ecke der Welt der gesunde Menschenverstand murmeln müssen, aber auch der zeigt sich nun völlig überfordert von der Undurchschaubarkeit des Geschehens. Da vermengt sich private Betroffenheit mit Ideologie, Glaube mit Hoffnung, Angst mit Propaganda, Verschleierung mit Werbung, Gier mit Selbstmitleid, individuelle Inkompetenz mit systemimmanenter Dysfunktion so dass Transparenz höchstens eine Worthülse ist.
Nur langsam wächst die Erkenntnis, dass der Gestaltung der viel beschworenen Weltinnenpolitik dringend jene der Weltfinanzpolitik vorangehen muss. Jammerige Aussagen, dass es unzulässig sei, Gewinne zu privatisieren und Verluste der Gemeinschaft aufzubürden, wirken hier wenig hilfreich: Schließlich ist gerade das die Grundlage der Marktwirtschaft: die vielen Einzelnen dazu zu ermuntern, sich an Verlusten der vielen anderen zu bereichern, die wiederum dasselbe versuchen. Man nennt das Wettbewerb. Da sind Gewinne immer weitgehend privat. Wer scheitert, erhält Hilfe vom Staat, so dass Verluste wiederum weitgehend Sache der Gemeinschaft sind, insbesondere, wenn man berücksichtigt, wie viel etwa industriell produzierte Umweltschäden, die benötigte Infrastruktur, durch mangelhafte Produkte bedingte Gesundheitsschäden etc. die Volkswirtschaft kosten. Das ist das „Soziale“ an der Marktwirtschaft.
Wenn dieses System grundsätzlich nicht mehr funktioniert, sollte man sich vielleicht langsam etwas Anderes überlegen? Warum gibt es zum Beispiel nicht längst einen Pflichtfonds, in den weltweit ein Teil der Gewinne aus Spekulationen und Risikogeschäften eingezahlt werden muss – und aus dem dann im Ernstfall das Schlimmste verhindert werden könnte?
Die Deregulierung der Märkte führt offenbar nicht zu einer Weltwirtschaft, die sich selbst reguliert. (Daran überrascht im Grunde nur, dass man das jemals glauben und erfolgreich glauben machen konnte.) Nun steht – sozusagen als Kollateralschaden – die Ideologie, die den Zocker zum Helden, zur Gallionsfigur machte, ebenso vor dem Nichts wie Zocker und Banken, auch wenn man dieses Nichts noch mit Tüchern in den Farben der Nationalflaggen verhängt: Dahinter steht einfach kein Held mehr, der es richten könnte.
Ist das Geld denn verrückt geworden
Hallo Klara,
vom Thema, dass hinter diesen Worten steht (...wie ein Tiger im Gebüsch) hören die Menschen nicht gerne.
In den medialen Kolosseen laufen die Filme von gestern. Hammilton dreht dort weiterhin seine Pirouetten. Als wenn nichts geschehen würde.
Wie beruhigend
Gruß,
Stefan
Ich glaube nicht mehr an die Unschuld unseres Systems.
vom Thema, dass hinter diesen Worten steht (...wie ein Tiger im Gebüsch) hören die Menschen nicht gerne.
In den medialen Kolosseen laufen die Filme von gestern. Hammilton dreht dort weiterhin seine Pirouetten. Als wenn nichts geschehen würde.
Wie beruhigend

Gruß,
Stefan
Ich glaube nicht mehr an die Unschuld unseres Systems.
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