Ertrinken
Beim Versuch die Knoten der Kindheit zu lösen falle ich ins Meer
Wasser und Salz
löschen Linoleumlieder
brennen aus den Augen
die Angst vorm Vatermord
Kein Fisch verschluckt mich
nur heranschwimmende
Dunkelheit
bis zum Grund
der lose
auf noch viel
viel tieferen Wassern liegt
so finster
finster
finster
und ich dort völlig
unbehelligt
Ertrinken
Vor der Höhle warten die Saurier der Kindheit
Es ist schwer, den Schritt herauszutun, denn die Angst ist groß.
Wie wir es drehen und wenden, die Flashbacks lauern vermutlich vor dem Versteck.
Aber vielleicht hilft ja ertrinken? Noch tiefer in die Höhle einzutauchen,
sich einhüllen zu lassen von dem unterirdischen See, der schon ganz salzig von den Tränen ist, mit den das LI all den Dreck von früher aus sich herausweinen möchte.
Den Dreck, der zur Hälfte auch aus Schuldgefühlen besteht. Absurden Schuldgefühlen, denn wer hat noch niemals Mordgedanken gewälzt bei Ungerechtigkeit oder Demütigung oder Tyrannei?
Linoleumlieder weinte das Kind, das jugendlich LI und immer noch fließen die Tränen dem erwachsenen LI, weil Erinnerung nicht wegzumachen ist.
Sie hängt wie ein Ölschinken an der Herzwand oder sitzt als Saurier vor der Freiheit.
Noch tiefer hinunter in die Dunkelheit gilt es zu steigen, zu tauchen, um sicher zu sein.
Der Ausweg vielleicht, einen Blick aus der Höhle zu wagen und festzustellen, dass die Angstmacher der Kindheit schon lange ausgestorben sind. Das würde den Ölschinken auf eine Briefmarke reduzieren. Aber zu hoffen, dass sie jemals auf ein Kuvert mit der Adresse: Return to sender geklebt werden könnte, das geht nicht. Weg geht gar nichts, was erlebt wurde, gedacht wurde. Trotzdem ist eine Briefmarke erträglicher als ein Ölschinken.
Ein sehr trauriges Gedicht über etwas, was kaputt gegangen ist, irgendwann.
ELsa
Es ist schwer, den Schritt herauszutun, denn die Angst ist groß.
Wie wir es drehen und wenden, die Flashbacks lauern vermutlich vor dem Versteck.
Aber vielleicht hilft ja ertrinken? Noch tiefer in die Höhle einzutauchen,
sich einhüllen zu lassen von dem unterirdischen See, der schon ganz salzig von den Tränen ist, mit den das LI all den Dreck von früher aus sich herausweinen möchte.
Den Dreck, der zur Hälfte auch aus Schuldgefühlen besteht. Absurden Schuldgefühlen, denn wer hat noch niemals Mordgedanken gewälzt bei Ungerechtigkeit oder Demütigung oder Tyrannei?
Linoleumlieder weinte das Kind, das jugendlich LI und immer noch fließen die Tränen dem erwachsenen LI, weil Erinnerung nicht wegzumachen ist.
Sie hängt wie ein Ölschinken an der Herzwand oder sitzt als Saurier vor der Freiheit.
Noch tiefer hinunter in die Dunkelheit gilt es zu steigen, zu tauchen, um sicher zu sein.
Der Ausweg vielleicht, einen Blick aus der Höhle zu wagen und festzustellen, dass die Angstmacher der Kindheit schon lange ausgestorben sind. Das würde den Ölschinken auf eine Briefmarke reduzieren. Aber zu hoffen, dass sie jemals auf ein Kuvert mit der Adresse: Return to sender geklebt werden könnte, das geht nicht. Weg geht gar nichts, was erlebt wurde, gedacht wurde. Trotzdem ist eine Briefmarke erträglicher als ein Ölschinken.
Ein sehr trauriges Gedicht über etwas, was kaputt gegangen ist, irgendwann.
ELsa
Schreiben ist atmen
Sturz ins Bodenlose
Wenn eine Sache einen Knoten hat, dann gilt sie als schwer lösbar.
Der berühmte „Gordische Knoten“ wurde angeblich auf gewaltsame Weise, mit einem Schlag gelöst.
Ohne Anstrengung, Verwundung und Schmerz scheint es also nicht zu gehen, wenn man Knoten lösen will.
Ein Knoten hält zusammen, verbindet wieder, was davor auseinander gerissen oder sonstwie beschädigt wurde. Ein Gewebe, das Knoten aufweist, gilt als nicht perfekt, es ist nicht mehr glatt, nicht mehr unversehrt. Im Knoten bleibt der Riss oder eine Ahnung davon sichtbar, so wie in der Narbe die einstige Wunde.
Narbengewebe sind nicht schön. Man kann, manchmal muss man sie sogar, bedecken, um nicht ständig an die Wunde erinnert zu werden.
Man legt also etwas darüber. So wie man einen unschönen, rissigen, kalten Boden mit Linoleum bedeckt. Man schafft sich eine Illusion. Oder – um in der Sprache des Gedichtes zu bleiben – man singt sich die Tatsachen schön. So lange, bis es eines Tages einfach nicht mehr geht und man den Dingen auf den Grund gehen möchte. Sich lösen möchte, sich befreien möchte von Halbherzigkeiten, Illusionen, Tränenmeer und ... Knoten, die schmerzen.
Vatermord – die gewaltsame Art und Weise, sich mit einem Schlag zu befreien, aus Angst verworfen.
Wenn man nun den Versuch unternimmt, Knoten zu lösen, zerfällt etwas plötzlich wieder in seine Einzelteile. Das Netz, das bisher getragen, gehalten hat, löst sich auf. Der Sturz ins Bodenlose beginnt ...
Woran sich also halten, bei diesem Sturz ins Ungewisse, in die Finsternis der eigenen Seele? Es hilft wohl alles nichts – in mühevoller Kleinarbeit muss Schicht um Schicht freigelegt werden, bis schließlich am Ende vielleicht Helligkeit eintritt. Und das LI „unbehelligt“ von seinen Wunden genesen kann.
Andrerseits: Helligkeit und Finsternis schließen einander aus. Sie bedingen sich gegenseitig, was für mich nichts anderes bedeutet, als dass Genesung ohne Schmerz nicht möglich ist.
Die Bilder, die das Gedicht tragen, sind durchkomponiert bis ins letzte Detail.
Selbst der erste Satz, der etwas breit über den folgenden Verszeilen steht und mir anfangs etwas seltsam vorkam, kann nur so sein, wie er ist: er legt quasi das Netz aus, aus dem dann das Ich im Folgenden herausfällt.
Je weiter der Text voranschreitet, desto mehr „zerfleddert“ er – graphisch unterstützt das wunderbar dieses Fallen und Zerrissensein.
Ich bedauere an diesem Text nur eines, nämlich dass ich ihn nicht selbst geschrieben habe.
scarlett
Wenn eine Sache einen Knoten hat, dann gilt sie als schwer lösbar.
Der berühmte „Gordische Knoten“ wurde angeblich auf gewaltsame Weise, mit einem Schlag gelöst.
Ohne Anstrengung, Verwundung und Schmerz scheint es also nicht zu gehen, wenn man Knoten lösen will.
Ein Knoten hält zusammen, verbindet wieder, was davor auseinander gerissen oder sonstwie beschädigt wurde. Ein Gewebe, das Knoten aufweist, gilt als nicht perfekt, es ist nicht mehr glatt, nicht mehr unversehrt. Im Knoten bleibt der Riss oder eine Ahnung davon sichtbar, so wie in der Narbe die einstige Wunde.
Narbengewebe sind nicht schön. Man kann, manchmal muss man sie sogar, bedecken, um nicht ständig an die Wunde erinnert zu werden.
Man legt also etwas darüber. So wie man einen unschönen, rissigen, kalten Boden mit Linoleum bedeckt. Man schafft sich eine Illusion. Oder – um in der Sprache des Gedichtes zu bleiben – man singt sich die Tatsachen schön. So lange, bis es eines Tages einfach nicht mehr geht und man den Dingen auf den Grund gehen möchte. Sich lösen möchte, sich befreien möchte von Halbherzigkeiten, Illusionen, Tränenmeer und ... Knoten, die schmerzen.
Vatermord – die gewaltsame Art und Weise, sich mit einem Schlag zu befreien, aus Angst verworfen.
Wenn man nun den Versuch unternimmt, Knoten zu lösen, zerfällt etwas plötzlich wieder in seine Einzelteile. Das Netz, das bisher getragen, gehalten hat, löst sich auf. Der Sturz ins Bodenlose beginnt ...
Woran sich also halten, bei diesem Sturz ins Ungewisse, in die Finsternis der eigenen Seele? Es hilft wohl alles nichts – in mühevoller Kleinarbeit muss Schicht um Schicht freigelegt werden, bis schließlich am Ende vielleicht Helligkeit eintritt. Und das LI „unbehelligt“ von seinen Wunden genesen kann.
Andrerseits: Helligkeit und Finsternis schließen einander aus. Sie bedingen sich gegenseitig, was für mich nichts anderes bedeutet, als dass Genesung ohne Schmerz nicht möglich ist.
Die Bilder, die das Gedicht tragen, sind durchkomponiert bis ins letzte Detail.
Selbst der erste Satz, der etwas breit über den folgenden Verszeilen steht und mir anfangs etwas seltsam vorkam, kann nur so sein, wie er ist: er legt quasi das Netz aus, aus dem dann das Ich im Folgenden herausfällt.
Je weiter der Text voranschreitet, desto mehr „zerfleddert“ er – graphisch unterstützt das wunderbar dieses Fallen und Zerrissensein.
Ich bedauere an diesem Text nur eines, nämlich dass ich ihn nicht selbst geschrieben habe.
scarlett
Erweckung zum Tode
Manchmal ändern sich die Dinge. Manchmal kann man etwas besser machen. Manchmal bekommt man Hilfe. Manchmal wird alles gut. Wir hoffen auf Linderung. Wir warten darauf, dass eines Tages doch alles besser wird.
Dieser Text jedoch handelt vom Sterben ohne Erlösung.
Der Text beginnt mit einem vorangestellten Satz, der in seiner Leichtigkeit an ein harmloses Spiel erinnert. Und er führt gleich ins Thema ein (und es ist eine Wohltat, mal keine Extraverklausulierung ertragen zu müssen).
Die Bewegung ist schön umgesetzt, es geht nach unten. Wasser steht für die Gefühlswelt. Es ist keine Betrachtung (wie es bei den Knoten noch möglich schien), sondern ein Erleben.
Wasser hat kleine Balken. Noch nicht einmal Fische. Noch nicht einmal etwas (was groß wäre, was überhaupt etwas wäre, ein böses Ereignis, etwas greifbares, was das Leiden erklären würde). Anstelle von Etwas ist Nichts.
Dann der "Grund" allen Leidens? Noch nicht einmal das. Ab einer bestimmten Tiefe und Temperatur sinken die Schwebstoffe, z.B. abgestorbene Pflanzenteilchen, in einem See nicht weiter herunter, sondern bilden einen künstlichen Boden. Der unbestimmt vermutete "Grund allen Leidens" ist es noch nicht einmal. Die Wahrheit ist viel schlimmer. Es war nie da. Das, was ein Kind (einen Menschen) am Leben erhält. Es fehlt nicht nur. Es war nie da. Es wird nie da sein.
Und das ist das wahrhaft Bittere: erst die Erkenntnis dieses Zustands lässt das Gift seine Wirkung entfalten. Ein Gift, das seit vielen, vielen Jahren bereits still im Körper schlummerte.
Ertrinken ist der Titel dieses Textes. Nicht "Versinken" oder "Eintauchen". Es ist keine Auseinandersetzung, keine Aufarbeitung. Sondern ein Vergehen in Leid und Qual und Dunkelheit.
Nicht weniger. Nicht mehr.
Manchmal ändern sich die Dinge. Manchmal kann man etwas besser machen. Manchmal bekommt man Hilfe. Manchmal wird alles gut. Wir hoffen auf Linderung. Wir warten darauf, dass eines Tages doch alles besser wird.
Dieser Text jedoch handelt vom Sterben ohne Erlösung.
Der Text beginnt mit einem vorangestellten Satz, der in seiner Leichtigkeit an ein harmloses Spiel erinnert. Und er führt gleich ins Thema ein (und es ist eine Wohltat, mal keine Extraverklausulierung ertragen zu müssen).
Die Bewegung ist schön umgesetzt, es geht nach unten. Wasser steht für die Gefühlswelt. Es ist keine Betrachtung (wie es bei den Knoten noch möglich schien), sondern ein Erleben.
Wasser hat kleine Balken. Noch nicht einmal Fische. Noch nicht einmal etwas (was groß wäre, was überhaupt etwas wäre, ein böses Ereignis, etwas greifbares, was das Leiden erklären würde). Anstelle von Etwas ist Nichts.
Dann der "Grund" allen Leidens? Noch nicht einmal das. Ab einer bestimmten Tiefe und Temperatur sinken die Schwebstoffe, z.B. abgestorbene Pflanzenteilchen, in einem See nicht weiter herunter, sondern bilden einen künstlichen Boden. Der unbestimmt vermutete "Grund allen Leidens" ist es noch nicht einmal. Die Wahrheit ist viel schlimmer. Es war nie da. Das, was ein Kind (einen Menschen) am Leben erhält. Es fehlt nicht nur. Es war nie da. Es wird nie da sein.
Und das ist das wahrhaft Bittere: erst die Erkenntnis dieses Zustands lässt das Gift seine Wirkung entfalten. Ein Gift, das seit vielen, vielen Jahren bereits still im Körper schlummerte.
Ertrinken ist der Titel dieses Textes. Nicht "Versinken" oder "Eintauchen". Es ist keine Auseinandersetzung, keine Aufarbeitung. Sondern ein Vergehen in Leid und Qual und Dunkelheit.
Nicht weniger. Nicht mehr.
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