Kein Wort

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.10.2009, 18:08

Kein Wort

Mamita sage ich | und hüte das Schweigen | hüte hüte hüte es | hinter der dunklen Glasmauer | meine Augen sind Verräter | du fragst nicht | und weißt warum | das Schweigen haben wir gemein | allein das Schweigen | allein


[align=right]inspiriert durch
Jeder andere Name von Lisa[/align]


[align=left]Dieser Text hat mich spontan zu einem Bild inspiriert:
Atemnot[/align]
Zuletzt geändert von Mucki am 21.10.2009, 17:20, insgesamt 1-mal geändert.

DonKju

Beitragvon DonKju » 04.10.2009, 11:51

Hallo Gabriella,

Deinen Text finde ich eindrücklich und sehr stimmungsvoll. Und die Setzung ist mal eine neue Variante. Allein der Titel "Kein Wort" und das "Mamita sage ich" ist mir persönlich zu widersprüchlich. Aber auch nach einigem Hin~ und Herdenken fiel mir nichts so recht besser Passendes ein, höchstens so etwas wie:

"Nur dieses eine Wort" oder
"Nur ein Wort" oder
"Dieses eine Wort"

Na ja, vielleicht geht es ja jemandem anders genau so wie mir und er hat eine bessere Idee ...

Mit lieben Sonntagsgrüßen dazu von Hannes

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.10.2009, 12:56

Hola Hannes,
Allein der Titel "Kein Wort" und das "Mamita sage ich" ist mir persönlich zu widersprüchlich.

genau darum geht es in diesem Text. Wenn du den "Musentext" von Lisa dazu liest, der mich hier inspirierte, wird es dir vielleicht klarer. Ich warte mal ab, was andere Mitgieder meinen.

Saludos
Mucki

Nachtrag:
Ich hatte noch überlegt, ob ich das "sage" so formatiere: s-a-g-e

Trixie

Beitragvon Trixie » 04.10.2009, 15:13

Hallo Mucki,

ja, das ist stark und auch ohne den link wusste ich sofort, an welchen Text es anlehnt. Vielleicht könntest du das "sage" kursiv setzen oder unterstreichen, dann wird ja auch deutlich, dass es quasi "nur gesagt" ist, nicht gefühlt oder gemeint. Wenn das nicht fast zu stark und deutlich wäre. Ich denke, man versteht auch so ganz gut, warum du "sage" geschrieben hast. Ich finde, der Text hält etwas, er hält durch, bleibt stark bis zum Ende. Er hält dicht, er verrät nicht zu viel, aber dennoch fühle ich mich beinah peinlich berührt, weil er so persönlich zu sein scheint. Es gibt so viel Freiraum, weil eigentlich jeder von uns ein "Mutter-Thema" in sich trägt und dies zu lesen rührt an, wühlt auf und macht nachdenklich. Die Setzung ist toll, das ist echt eine klasse Idee und sehr stimmig. Sie zeigen kleine Mauern, keine Punkte, die etwas zu Ende führen, oder Kommas, die etwas weiterleiten, sondern eine Art "Hinüberhüpfen", auch eine gewisse Gefühlsneutralität.
Ich habe mich sehr gerne mit dem Text auseinander gesetzt und habe nichts zu beanstanden :-).

Liebe Grüße
die Trix

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leonie
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Beitragvon leonie » 04.10.2009, 15:25

Liebe Mucki,

ich würde das so lassen wie es ist. Du brauchst die Intention nicht durch eine besondere Setzung verstärken, meine ich. Es ist eindringlicher, wenn das im Leser selbst geschieht.
Und es geschieht.
So wie es ist, lese ich das "sage" fast noch einmal als zaghaften Versuch (weil das mamita vermutlich eine Koseform ist) einer Kontaktaufnahme. um so bitterer, dass das "du" nicht nachfragt.

Es ist wirklich ein eindringlicher Text,bei dem es einen fast kalt den Rücken hinunter läuft bei den Bildern, die entstehen von dem, was hinter der Schweigemauer ist.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.10.2009, 15:31

Hi Trix und leonie,

ich freue mich über eure Kommentare. Ja, ihr lest es genau meiner Intention gemäß und ich denke auch, dass das "sage" nicht anders formatiert werden muss. "Mamita" ist eine Koseform, stimmt, leonie. Und gerade diese Koseform, welche nicht der Gefühlswelt des Ichs entspricht, soll daher umso "krasser" rüberkommen, die "Schweigemauer", verdeutlicht durch diese | sozusagen hintermauern.
Danke euch!

Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.10.2009, 13:39

Liebe Gabriella,

ich habe schon immer gewusst, dass dir dieser Text von mir besonders nahe geht, immer wieder haben wir uns Texten getroffen, wo es um dieses Thema ging oder - und das noch viel öfter - Gefühlszustände, die daraus entstanden. Heimlich glaube ich, dass wir uns einander deshalb trotz aller Verschiedenheit deshalb in den wichtigen Inhalten immer verstehen, ein Gehör füreinander haben. Und deshalb freue ich mich, dass du das mit diesem Text noch einmal ausdrückst. Den Text selbst finde ich so fertig, wie er da steht, schlüssig, formal schön gesetzt und rund. Ich könnte mir aber vorstellen, dass gerade in dir noch ein viel längerer Text schlummert...wie ein Drache...man weiß zwar nicht genau, was geschieht, wenn man ihn weckt, aber es gibt ja so manche Sage über die Schätze..ich würde mich sehr freuen, wenn du dich da noch heranwagen würdest - das könnte ganz bestimmt dein Meisterstück werden.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.10.2009, 14:05

Liebe Lisa,

ja, es stimmt. Dieses Gedicht von dir trifft bei mir einen ziemlich heftigen Nerv und wühlt mich jedesmal wieder auf. Als wir vor zwei Jahren die Lesungen von Texten von dir zu deinem Geburtstag machten, wählte ich auch dieses Gedicht von dir, um es zu lesen.
Ich freu mich, dass für dich mein Text oben fertig und rund ist. :))

Ein längerer Text zu diesem Thema, auweia. Ja sicher schlummert da ein Drache, und wie! Da brodelt es gewaltig in mir, nur ob ich mich da ranwage, puh, ich weiß es nicht. Ich werde darüber nachdenken.
Danke dir!

Saludos
Mucki

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noel
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Beitragvon noel » 05.10.2009, 16:49

Gabriella hat geschrieben:Kein Wort

Mamita sage ich | und hüte das Schweigen | hüte hüte hüte es | hinter der dunklen Glasmauer | meine Augen sind Verräter | du fragst nicht | und weißt warum | das Schweigen haben wir gemein | allein das Schweigen | allein


[align=right]inspiriert durch
Jeder andere Name von Lisa[/align]


kein wort bezog ich gleich -egozentrisch interpretierend- auf das schweigen der mamita, die nicht einmal mama scheint.

VORSICHT HEMMUNGSLOSE INTERPRETATION

kein wort & doch spricht das LYRI das abersinnige mamita in das kalte nichts & schweigen des gegenüberdu...
& dennoch lässt die hoffnung in der scheinbaren abersinnigkeit das mamitas enstehen.
aber genau dieses scheinbar abersinnige wort, zeugt von all dem schmerz & der sehnsucht die das LyrI an mama sendet.
& auch wenn das Lyri still ist, die sehnsucht sucht sich durch die augen ihren weg, bezeugt ohne zu reden.

die wendung mit
der dopplung des allein... das damit auch duoperspektivisch ist... gelungen.
dieser text tanzt zwischen schmerz/kälte, rückzug/hoffnung & der vergeblichkeit


chapeau
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Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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Beitragvon Mucki » 05.10.2009, 17:10

Hola noel,

das Stichwort ist hier "abersinnig", ja. Abersinnig, das "Mamita", die nicht nur nicht Mama, auch nicht Mutter ist, abersinnig der Versuch, das Schweigen zu brechen, abersinnig, dass beide schweigen, abersinnig, dass allein das Schweigen das Einzige ist, was sie gemein haben und nicht in der Lage sind, es zu brechen, das "gehütete Geheimnis" als Farce aufrechterhalten, weil es, würde es angesprochen, zum endgültigen Bruch führen würde, da die Wahrheit Wunden reißen würde, die nicht mehr geheilt werden können und somit begehen beide den aberwitzigen Verrat und LI bleibt gefangen im Eis der Vergeblich- und Hoffnungslosigkeit. "Mamita" zu sagen, ist hilfloser Versuch und Verrat des LIs an sich selbst zugleich.
Danke dir für deine sehr treffende Lesart und dein Dich-Einfühlen in den Text.

Saludos
Mucki

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Beitragvon noel » 05.10.2009, 17:25

ooo das kind & lyrI des textes könnte & will (reden)
die mama, mamita, pero nada de
ist die,
die den hoffenden versuch zu nichts werden lässt.

derenhalben ist dieser ersterbende versuch verständlich;
derenhalben ist das schweigen hier
ein schweigen
& das andere schweigen wird durch die noch nicht abgestumpfte, die wider besseren wissens hoffende seele des Lyri, das durch die augen "schreit" umschrieben.

es ist schwierig stumm zu sein
wenn im schrein der seele so viel ungefragtes ruht
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.10.2009, 17:46

noel hat geschrieben:es ist schwierig stumm zu sein
wenn im schrein der seele so viel ungefragtes ruht

ja, es ist nicht nur schwierig, es zerreißt dich, es ist, als ob deine Seele die Lunte zum Pulverfass zünden möchte, dir der Verstand aber sagt, nein, dieses Thema meiden, die Explosion führt zu keiner Reinigung und lieber über alles andere oberflächlich reden, ohne wirklich miteinander zu sprechen, auch wenn du weißt, dass du dich selbst betrügst und dies immer wieder. "Sprechen" ohne wirklich miteinander zu sprechen wird zur reinen Pflichtübung als Tochter, und die Mutter sieht es nicht, bzw. will es nicht sehen, obgleich sie sehr wohl darum weiß. Eine bittere Endlosschleife, wie sie wohl in vielen Mutter-Tochter-Beziehungen stattfindet.

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Beitragvon noel » 05.10.2009, 17:57

nein nein nein.
etwas HALten was es nicht gibt zerreißt,
aber sich zu zugestehen, dass eine urliebe nicht war & dass das NICHTS, aber auch gar nichts mit dem kind, sondern mit der mutter- die eben auch kind war, eine geschichte hat- zutun hat, ist der schlüssel.

man kann briefe schreiben- die gewiss NIE beantwortet werden - aber sie strukturieren das chaos von kopf& seele & man kann tanten, onkel, großmütter & väter zu der kindheit der mamaita befragen & wird durch worte erkennen, dass die nicht vorhandenen aktionen, reaktionen auf gestriges waren & nichts GAR NICHTS, mit dem kind in einem gemeinsam hat...
urliebe, bedingungslose liebe kann nur von gesunden seelen gegeben werden & mamitas, die dies nie waren, die nicht gesunder seele sind, KÖNNEN dies nicht geben im leben
& DAS HAT NICHTS MIT DEM KIND GEMEINSAM
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Beitragvon Mucki » 05.10.2009, 18:20

noel, ich werde keinen Brief schreiben, aber du hast mich auf eine tolle Idee gebracht!
Ich werde ein Bild malen zu diesem Thema. Und ich weiß auch schon, wie es aussehen und welche Farben es enthalten wird. Wenn es fertig ist, werde ich es dann unter Polyphon einstellen.
Wenn das nicht Inspiration ist! *lach*
Danke dir!

Saludos
Mucki


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