Kleist und Friedrich - ihre Mönche am Meer

Hier ist Raum für Werke, die das Zusammenspiel zwischen Literatur & anderen Künsten betonen, etwa Inspirationsfotos, fiktive Postkarten
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.04.2006, 17:37

Hallo,
also ich liebe ja dieses Gemälde von Friedrich in Zusammenhang mit diesem Text von Kleist besonders, habe es weit in mein Herz geschlossen:


Bild

Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegrenzte Wasserwüste, hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber möchte, daß man es nicht kann, daß man alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Flut, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt. Dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den einem die Natur tut. Dies aber ist vor dem Bilde unmöglich, und das, was ich in dem Bilde selbst finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde, nämlich einen Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und einen Abbruch, den mir das Bild tat; und so ward ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz. Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt: einziger Lebensfunke im weiten Reiche des Todes, der einsame Mittelpunkt im einsamen Kreis. Das Bild liegt, mit seinen zwei oder drei geheimnisvollen Gegenständen, wie die Apokalypse da, als ob es Youngs Nachtgedanken hätte, und da es, in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit, nichts, als den Rahm, zum Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet, als ob einem die Augenlider weggegeschnitten eine ganz neue Bahn im Felde seiner Kunst gebrochen; und ich bin überzeugt, daß sich, mit seinem Geiste, eine Quadratmeile märkischen Sandes darstellen ließe, mit einem Berberitzenstrauch, worauf sich eine Krähe einsam plustert, und daß dies Bild eine wahrhaft Ossianische oder Kosegartensche Wirkung tun m üßte. Ja, wenn man diese Landschaft mit ihrer eignen Kreide und mit ihrem eigenen Wasser ma lte; so, glaubte ich, man könnte die Füchse und Wölfe damit zum Heulen bringen: das Stärkste, was man, ohne allen Zweifel, zum Lobe für diese Art von Landschaftsmalerei beibringen kann. - Doch meine eigenen Empfindungen, über dies wunderbare Gemälde, sind zu verworren; da her habe ich mir, ehe ich sie ganz auszusprechen wage, vorgenommen, mich durch die Äußerungen derer, die paarweise, von Morgen bis Abend daran vorübergehen, zu belehren.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 13.06.2006, 20:08

Hallo Lisa,

da gibt es noch ein paar romantische Nonnen und Mönche. Zum Beispiel - weil Du ihn mal als Einfluss erwähntest - bei E.T.A. Hoffmann. Aber vielleicht ist das dann eine andere Form von Romantik!?

Grüße

Paul Ost

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.06.2006, 20:28

Bei Hoffmann? In den Elixieren? Oder in Kurzgeschichten? Wo? wo? wo? :grin:

Hoffman ist (sagt die Literaturwissenschaft, aber ich auch ein bisschen) Spätromantiker, da verhält es sich mit dem Romantischen schon ein wenig anders...in meinen Augen aber romantischer als zuvor :smile:

Welche Texte meinst du?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 14.06.2006, 15:43

Hallo Lisa,

ich denke doch, dass sich in den Elixieren des Teufels mindestens ein Irrer als Mönch tarnt, oder nicht?

Dann gibt es da noch einen englischen Roman aus dem 18. Jahrhundert, wenn Du Dich an die frühe Romantik heranwagen willst, in dem ein irrer Mönch sein Unwesen treibt. Vielleicht heißt dieser Roman sogar "The monk". Ich meine er wird in allen möglichen Literaturgeschichten immer als Gründungstext für die "Schauerromantik" gewertet. Es wird sogar vermutet, dass Hoffmann diesen Roman gelesen haben könnte. Aber mein literaturgeschichtliches Faktenwissen beginnt zu modern.

Zum Thema fällt mir noch ein, dass in der Alten Nationalgalerie in Berlin ein paar kleine Bilder von ??? hängen, auf denen romantische Themen zu sehen sind: zum Beispiel ein Drach, Ruinen und auch ein irrer Mönch. Dieses Bild mit dem verrückten Mönch ist wirklich faszinierend. Es ist sehr klein. Man sieht den Mönch an einer Felswand entlanglaufen. Im Vordergrund gibt es noch einen Wald und einen Bach. Ich habe oft davorgestanden und mich darüber gewundert, dass die Bewegung des Mönches gar keinen bildlogischen Sinn ergibt. Entweder ist das ein Fehler des Malers oder aber dahinter steckt eine Geschichte.

Einige der Bilder sind sogar Illustrationen zu Werken von Hoffmann. Schau mal in die Sammlung, wenn Du in Berlin bist. Dort findest Du ja auch den originalen "Mönch am Meer", der es leider nicht nach Essen geschafft hat, sowie mindests ein weiteres Friedrich-Bild mit Mönchen, wenn ich nicht schon Schauergeschichte erfinde...

Grüße

Paul Ost

Orit

Beitragvon Orit » 14.06.2006, 19:39

Hallo Lisa!

Mich sprechen zwar Text und Bilder romantisch an, sehe aber darin
Menschen allgemein. Mönche bieten hier durch ihre Kutten ein interresantes Motiv.
Entsagung, Enthaltsamkeit sind meiner Meinung nach wider des Menschseins, wider der menschlichen Weirterentwicklung.
Und Romantik ist für mich Teil eines vollen und vorwärtsstrebenen Lebens.

Liebe Grüße :grin:
Orit

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.06.2006, 11:03

Lieber Paul,

ich schreibe die Ausstellung ganz bestimmt auf meine Liste, erst einmal ist ja Essen dran! Das klingt sehr spannend! (Oh nein, ich dachte, der Mönch wäre auch dort...)

Interessant, warum wohl gerade ein irrer Mönch so Anklang fand...was macht den Mönch mit so etwas beladen? Dass er, da er Gott näher steht, auch Satan näher steht? Hat man den Mönchen früher viel merwürdiges unterstellt? Und hat es auch etwas mit der Einsamkeit zu tun?

---

Entsagung, Enthaltsamkeit sind meiner Meinung nach wider des Menschseins, wider der menschlichen Weirterentwicklung.


Hallo Orit: Obwohl ich bestimmt jemand bin, der gegen das Geißeln im Sinne von Unnatürlichkeiten ist, bin ich mir nicht sicher, ob Entsagung immer wider die menschliche Weiterentwicklung sein muss. Gerade in einer Gesellschaft wie heute in Europa gibt es so unzählige viele Angebote, es werden so viele Wünsche in einem geweckt...da kann durch Entsagen-Üben bestimmt etwas lernen...

Allerdings bin ich auch jemand, der niemals dafür ist, Leidenschaften des Menschen als den schlechten teil des Menschen anzusehen, die es zu unterdrücken gilt. ich finde, man kann diesen Streit wunderbar an der Übersetzung der aristotelischen Katharsis festmachen, denn bis heute ist nicht geklärt ob diese reinung bedeutet:

1) Reinigung von den Affekten
2) Reinigung der Affekte

was ja ein elementarer Unterschied ist....

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Orit

Beitragvon Orit » 15.06.2006, 22:38

Hallo Lisa!

Ich meine nicht, daß die Nachbarin 100 Paar Schuhe hat und ich mich in
Enthaltsamkeit übe, indem ich nur 5 Paar besitze. Und mit dem unzähligen
Angebot muß man lernen umzugehen. Auswählen, Schwerpunkte setzten für sich, daß verstehe ich auch nicht unter Enthaltsamkeit.
Sondern sich der Leidenschaft, Lust, Genuß, Befriedigung nicht enthalten (in diesem Sinne meine ich den Begriff Enthaltsamkeit). Aus befriedigter Leidenschaft und z.B. aus dem täglichen Genuß eines guten Essens heraus die Enegie für Kreativität auf welchem Gebiet auch immer zu schöpfen.
So hätte z.B. mein o.g. Freund seine Energie als Biologe in einem Projekt zur alternativen Energiegewinnung umsetzten können. Stattdessen
sitzt er auf dem Berg Athos in Griechenland und betet
(das ist meine allgemeine Ansicht dazu, persönlich hatten wir uns herzlich und tränenreich verabschiedet)

Liebe Grüße :grin:
Orit

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 17.07.2006, 23:10

Liebe Lisa,

mittlerweile war ich mal wieder in Berlin. Der Maler, von dem ich Dir vor einiger Zeit erzählte, heißt Carl Blechen. Er war tatsächlich ein begeisterter Leser von E.T.A Hoffmann und hat auch Bilder zu dessen Büchern gemalt. Man geht davon aus, dass dieses Bild (Felslandschaft mit Mönch) durch die "Elixiere des Teufels" beeinflusst wurde. Blechen wurde 1798 in Cottbus geboren und starb 1840 in Berlin.

Grüße

Paul Ost
Dateianhänge
Mönch in Felslandschaft.JPG
Felslandschaft mit Mönch. Um 1825/1826 von Carl Blechen gemalt.
Mönch in Felslandschaft.JPG (50.29 KiB) 2444 mal betrachtet

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Beitragvon Lisa » 20.07.2006, 18:08

Lieber Paul,
danke für dieses Bild...das ist interessant...spannend...interessanterweise habe ich vor ein paar Tagen einen Film gesehen, in dem zwar keien Mönche vorkommen (allerdings ebenso scheinbar unschuldige Mädchen), aber ein Gebirge, dass eine ähnliche Wirkung auf die Figuren hatte wie das Gebirge dieses Bildes auf mich (Film: Frühstück am Valentinstag)...

In dem Film wird der Hanging Rock in Australien als Symbol für das Unbekannte im Leben verfilmt...und was einem geschehen kann...die Mädchen allerdings verschwinden ganz oben, der Mönch aber scheint mir sher weit unten...

danke für den einblick,
Lisa
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Beitragvon ZaunköniG » 30.07.2006, 09:34

Die deutsche, oder überhaupt die nordische Romantik war ja eine Adaption der Renaissance, also einer Bewegung in den romanischen Ländern wo christliche und heidnische Motive inneinander verwoben wurden. Entsprechend dazu wandten sich die nordischen Romantikern wieder ihren Naturgeistern zu, ohne sie gegen das Christentum auszuspielen. Die Verbindung Natur-Religion ist also ein Ur-Romantisches Thema.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

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Beitragvon Lisa » 01.08.2006, 19:23

Lieber zaunkönig,

darüber (Romantik als Adaption der Renaissance) würde ich gern mehr erfahren. Kannst du mir etwas erzählen?


Paul: Ich sah heute (endlich) in Essen die Friedrich-Ausstellung. Da gab es ein Bild: "Felsental. Das Grab des Arminius" - das hat mich sehr an das von Blechen erinnert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon ZaunköniG » 01.08.2006, 20:06

Liebe Lisa,

Wie es sich für eine Gattungsübergreifende Kulturepoche gehört ist natürlich auch die Romantik sehr vielschichtig. Ich beschränke mich zunächst auf den genannten Aspekt.

Der Beginn der Renaisance liegt in Italien und wird vor allem dem Dreigestirn Dante, Petrarka und Boccacio angerechnet. Mit letzterem habe ich mich selbst noch nicht beschäftigt, aber da sie oft im selben Atemzug genannt werden setze ich eine Geistesverwandschaft einfach mal voraus.
Als Literarische Schlüsselwerke gelten sicherlich die Göttliche Komödie von Dante, sowie der Canzoniere Petrarkas.
Wenn ich mir diese Beiden Werke ansehe sind dort wie oben beschrieben heidnische und christliche Motive verwoben: Da taucht die Medusa in der Hölle auf, oder erhält Amor den Rang eines Erzengels (Es wird also nicht mehr alles heidnische verteufelt, sondern vieles der antiken Mythologie "nur noch" als Vorstufe zur christlichen Gotterkenntnis bewertet. Dante stand dabei bewußt in Opposition zur Obrigkeit, ergriff sogar Partei für den deutschen Kaiser, gegen die seiner Ansicht nach korupten und unfähigen italienischen Adligen. Eine pro-klassische Tendenz gab es aber auch in der Kirche. Vor allem Augustinus hat versucht, und weitgehend geschafft die klassische Griechische Philosophie zu rehabilitieren.
Die deutsche Romantik war m. E. eine Gegenbewegung zur Klassik, aber das ist kein Widerspruch: In beiden Fällen wollte man sich auf die eigenen Wurzeln besinnen: Geschichtlich, historisch, und sprachlich. Dante und Petrarka waren die ersten nennenswerten Autorwen, die ihr Hauptwerk nicht in Latein, sondern in der Romana, der Sprache des Volkes geschrieben hat. Das war der Aufstand der Regionen Italiens gegen die Päpstliche Zentralmacht! (Siehe auch Michelangelos David)
Bereits im Barock setzte sich auch in Deutschland die Landessprache als Literatursprache durch, die inhalte waren aber im wesentlichen kirchen- und kaisertreu. Das änderte sich in den Religionskriegen (der 30-jährige war da nur der Höhepunkt). Man suchte andere Autoritäten als Kaiser und Papst, die das Reich mit ihrer Politik zerstört hatten, wurde aber zunächst in der griechisch-römischen Klassik fündig.
In der deutschen Romantik wurden zuerst heimische Motive aus Märchen und Mythologie aufgegriffen: Brentano schrieb seine Loreley und die Gebrüder Grimm und andere sammelten Volksmärchen.
Mit den napoleonischen Feldzügen wurde auch in Deutschland der nationale (nativ=ursprüngliche) Aspekt hervorgehoben. Es galt die Etablierung einer neuen Zentralmacht zu verhindern. Die leere Hülle eines Heiligen Römischen Reiches unter einem deutschen Kaiser, war ohnehin längst zerfallen und firmierte nur noch auf dem Papier. Insbesondere Rückert (Geharnischte Sonette) der mitunter sehr martialische Bilder fand, um gegen Frankreich Stimmung zu machen wurde aber von der Entwicklung im nachnapoleonischen Deutschland enttäuscht. Die Vormachtstellung Preußens, die resolut, teilweise kriegerisch auch gegen deutsche Kleinstaaten durchgesetzt wurde hat ihn in seinem Idealismus sehr ernüchtert. Andere, von späteren Nationalisten okkupierte Dichter wie Körner, haben diese Wendung gar nicht mehr erlebt. Die Besinnung auf die eigene Kulur und ihre Verklärung sind Licht- und Schattenseite der Romantik, die bis in die jungste Geschichte fortwirkten und fortwirken.

Als Belehrung soll das aber für den Anfang genug sein. Die Romantik hat so viele Aspekte, der werden wir hier nicht vollkommen gerecht werdfen können.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck


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